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Wie die Union eine veraltete Verbändeliste als Argument gegen ein Lobbyregister benutzt

Lobbyregister – so etwas gibt es doch längst, behaupten CDU und CSU gebetsmühlenartig, wenn abgeordnetenwatch.de und andere strenge Transparenzregeln für Lobbyisten fordern. Doch damit betreibt die Union Etikettenschwindel.

von Gast / gelöscht, 13.01.2017


Transparenz, so hat es den Anschein, wird beim Deutschen Bundestag groß geschrieben. Seit 1972 gibt es dort eine öffentlich einsehbare Liste, in der inzwischen gut 2.200 Interessenverbände aufgeführt sind – von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauernverbände bis zum Zentralverband Naturdarm e.V..

CDU und CSU halten die Verbändeliste für eine tolle Sache und preisen sie sogar als "Lobbyregister". So betont der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Bernhard Kaster wie in einer Bundestagsrede im März 2015 immer wieder, dass es „(…) ein bis heute fortgeführtes und immer wieder aktualisiertes Lobbyistenregister“ gäbe. Der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU, Marco Wanderwitz, sagte 2011 im Bundestag: „Das Lobbyistenregister gibt es bereits seit 1972 in Deutschland!“ Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Michael Grosse-Brömer erweckt gerne den Eindruck, dass die Verbändeliste eine bedeutende Transparenzmaßnahme sei. In einem Brief an Campact und LobbyControl schrieb er Anfang 2016: „Diese Liste wird laufend aktualisiert und (…) jeder Interessierte kann sich also bereits heute einen Überblick darüber verschaffen, welche Interessensgruppen Zugang zum Deutschen Bundestag haben.“ Glaubt man diesen Aussagen, brauche es gar kein Lobbyregister, denn es gebe ein solches ja bereits seit 45 Jahren. Klingt gut, ist aber ein Etikettenschwindel.

Verbändeliste ist kein Lobbyregister

Denn einen wirklichen Nutzen hat diese Liste kaum. Der Deutsche Bundestag gibt auf seiner Homepage offen zu: "Mit der Registrierung sind keine Rechte und auch keine Pflichten verbunden." Noch dazu ist die Eintragung freiwillig.

Was die Verbändeliste des Bundestages schon gar nicht ist: Ein aussagekräftiges Lobbyregister. Wie schon der Name vermuten lässt, sind in der Liste ausschließlich Verbände vermerkt. Unternehmen, Lobbyagenturen und Kanzleien, die Lobbyismus betreiben, werden nirgends aufgeführt. Und auch die in der Verbändeliste gemachten Angaben sind überaus dürftig: Mitgliederzahl, Interessenbereich, Adresse, Vorstand und Geschäftsführung sowie die Namen einiger Verbandsvertreter - das war's. Auf welche konkreten Gesetzentwürfe sich die Lobbyaktivitäten richten, welche Entscheidungsträger dafür kontaktiert werden oder wie hoch das Lobbybudget ist, muss nicht angegeben werden. Anders gesagt: Die Verbändeliste enthält keinerlei relevante Informationen zu den Lobbyaktivitäten. Hinzu kommt, dass auch nur jene Verbände aufgelistet sind, die eine Aufnahme aktiv von sich aus beantragt haben.

Was ist nun also Sinn und Zweck der Verbändeliste? Die Union behauptet gern, dass Verbände und Organisationen nur dann im Rahmen einer Bundestagsanhörung ihre Positionen vortragen dürften, wenn sie in der Liste registriert sind. Das allerdings ist unzutreffend, wie wir aus eigener Erfahrung wissen: Zweimal war unser Kollege Gregor Hackmack als Sachverständiger zu einer Anhörung im Bundestag geladen, ohne dass abgeordnetenwatch.de in der Verbändeliste registriert ist (bei einer Anhörung ging es 2014 um die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, bei der anderen 2015 um die Öffentlichkeit bei Ausschusssitzungen).

Und so hat die Verbändeliste nur einen einzigen praktischen Nutzen: Wer als Verband einen Jahreshausausweis für den Bundestag beantragen will, muss sich zunächst in der Verbändeliste eintragen. Ein Recht auf einen Hausausweis ergibt sich daraus jedoch nicht, denn über die Vergabe entscheidet am Ende die Parlamentsverwaltung. Seit letztem Jahr haben es Interessenverbände sehr viel schwerer, vom Bundestagspförtner durchgewunken zu werden. Da nämlich wurde die Anzahl der max. erhältlichen Jahreshausausweise von fünf auf zwei pro Verband gekürzt. Vorausgegangen war eine erfolgreiche Transparenzklage von abgeordnetenwatch.de, die zur Offenlegung von hunderten Hausausweisinhabern geführt hatte.

Es ist Zeit für ein verpflichtendes Lobbyregister

Doch auch wenn sie nun nicht mehr so leicht in den Bundestag gelangen, werden Lobbyisten auch weiterhin im Hintergrund versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Deswegen braucht es ein wirksames, also ein verbindliches und weitgehendes Lobbyregister. abgeordnetenwatch.de hat deswegen mit Lobby Control einen Gesetzentwurf erarbeitet, den wir demnächst an die Bundestagsfraktionen übergeben werden. Das Ziel unseres Lobbytransparenzgesetzes ist:

  • Die Schaffung von wirklicher Lobbytransparenz
  • Verbindliche Regelungen und Registrierungspflicht für Lobbyistinnen und Lobbyisten
  • Schaffung von Sanktionsmechanismen bei Verstößen
  • Schaffung einer übergeordneten Bundesbehörde zur Einhaltung des Lobbytransparenzgesetzes
  • Angaben zu Themen, Gesetzen, Finanzierung, Auftraggebern und Zielen der Lobbyarbeit

Viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich strengere Transparenzregeln für Lobbyistinnen und Lobbyisten. Unsere Petition „Schluss mit geheimem Lobbyismus“ haben inzwischen gut 180.000 Menschen unterzeichnet. Laut einer repräsentativen Meinungsumfrage schließen sich übrigens 78 Prozent aller Befragten unserer Forderung nach einem verbindlichen Lobbyregister an. Von den Unionsanhängern sind es ebenfalls 78 Prozent.

Die Zeit für ein verpflichtendes Lobbyregister ist längst gekommen. Als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag hat es die Union allerdings noch nicht mitbekommen.

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