Mit den Kampagnen von abgeordnetenwatch.de können Sie sich direkt an die Politik wenden. So machen wir gemeinsam Druck für mehr Transparenz in der Politik, mehr Bürgerbeteiligung und frei zugängliche Informationen.

Studie zeigt Transparenz-Schwächen in deutschen Landtagen auf

Die Zeppelin Universität Friedrichshafen hat vier deutsche Landtage in Sachen Transparenz unter die Lupe genommen. Ergebnis: In allen untersuchten Landesparlamenten besteht großer Handlungsbedarf, insbesondere in Schleswig-Holstein. Das gilt auch für den Bundestag, der seine Teilnahme verweigerte.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 08.12.2015

Informationen über Abstimmungsergebnisse? Fehlanzeige. Die Möglichkeiten für Bürger, sich aktiv in die Parlamentsarbeit einzubringen? Kaum vorhanden. Offenlegung der Nebenverdienste von Abgeordneten? Vielleicht irgendwann einmal...

Der schleswig-holsteinische Landtag macht beim Index für parlamentarische Offenheit (OPIG2014) der Zeppelin Universität Friedrichshafen alles andere als eine gute Figur. Mit gerade mal 52 von 100 möglichen Punkten landet das Parlament in Kiel auf dem letzten Platz der Erhebung. Kaum besser schneidet der Landtag von Baden-Württemberg mit 54 Punkten ab. Die Landesparlamente von Bayern und Nordrhein-Westfalen erzielten immerhin 61 von 100 möglichen Punkte.

Das Urteil der Studie „Ein glasklarer Fall? Eine Untersuchung zu Transparenz und Offenheit in der deutschen Parlamentslandschaft am Beispiel von vier Landtagen“, in dessen Rahmen der Index entwickelt wurde, fällt entsprechend eindeutig aus: Es ist noch reichlich Luft nach oben in Sachen Transparenz und Offenheit.

Ziel der Studie von Autor Tom Schlansky war es zu klären, inwieweit deutsche Parlamente internationalen Forderungen der Zivilgesellschaft nach mehr Parlamentsoffenheit nachkommen. Zu diesem Zweck wurden im Herbst 2014 alle 16 deutschen Landtage und der Bundestag darum gebeten, einen standardisierten Fragebogen in insgesamt vier Kategorien zum Thema Transparenz und Offenheit auszufüllen. Auf Basis der Antworten erfolgte anschließend die Auswertung durch Autor Schlansky.

Die Fragen leiteten sich aus der „Erklärung zur Parlamentarischen Offenheit“ von 2012 ab, die zahlreiche konkrete Forderungen enthält und sich an alle Parlamente der Welt richtet. Als eine von über 160 internationalen Organisationen beteiligte sich auch abgeordnetenwatch.de an dem Aufruf, der im Kern die Themen Transparenz und den Zugang sowie die Nutzbarkeit von Informationen betrifft.

Bis zum Ende der mehrwöchigen Frist zur Beteiligung hatten lediglich die Landtage Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen ihre Daten eingereicht, Schleswig-Holstein lieferte seine Antworten mit leichter Verspätung. Alle übrigen Landesparlamente hielten es dagegen nicht für notwendig, an der Studie mitzuwirken.

Bundestag verweigerte die Teilnahme

Und auch der ebenfalls befragte Bundestag blieb eine Antwort an den Autor von der Universität Friedrichshafen schuldig. Damit entzog sich der Bundestag auch einem interessanten Vergleich - und das mit fadenscheiniger Begründung: Die Parlamentsverwaltung in Berlin argumentierte, dass für das Thema die Bundestagsfraktionen zuständig seien. Dabei zielte die Untersuchung keineswegs auf eine politische Bewertung, sondern auf eine Erhebung des aktuellen Sachstands - dafür ist die Verwaltung der einzig neutrale Ansprechpartner.

Während alle vier untersuchten Landtage in der Kategorie “Nutzbarkeit von Parlamentarischen Informationen” erhebliche Schwächen offenbaren, treten in anderen Bereichen große Unterschiede zwischen den Länderparlamenten auf.
Die vier Kategorien beinhalten insgesamt 25 Unterkategorien, in denen jeweils maximal vier Punkte zu erreichen waren.

Alle vier Parlamente sehen grundsätzlich Möglichkeiten für Bürger vor, sich in parlamentarische Prozesse und Entscheidungsfindungen einzubringen - allerdings in unterschiedlicher Qualität. So können sich die Bürger in Schleswig-Holstein nur “in Ausnahmefällen” mit Kommentaren, Anregungen oder Vorschlägen einbringen, während das Parlament in NRW die Bürger nach eigenen Angaben “frühzeitig und umfänglich mit relevanten Hintergrundinformationen zu aktuellen Prozessen und Entscheidungsfindungen informiert” und jederzeit Kommentare und Vorschläge aus der Bevölkerung berücksichtigt. Aus den Angaben der Landtage in Bayern und Baden-Württemberg geht lediglich hervor, dass Bürgern die Möglichkeit eingeräumt wird sich einzubringen.

Auch hinsichtlich der Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern bei Gesetzentwürfen unterscheiden sich die Landtage erheblich voneinander. Schleswig-Holstein erklärte, dass es für sie keinerlei Möglichkeiten gebe an der Gesetzgebung mitzuwirken. In Bayern und Baden-Württemberg wiederum haben Bürger bei “einigen” beziehungsweise “bis auf in Ausnahmefällen allen” Gesetzentwürfen, die Möglichkeit sich mit Kommentaren, Anregungen und Vorschlägen einzubringen. Vorreiter ist auch hier Nordrhein-Westfalen, wo sich Bürger nicht nur bei “bis auf in Ausnahmefällen allen” Gesetzentwürfen einbringen können, sondern zugleich “frühzeitig und umfänglich mit relevanten Hintergrundinformationen” versorgt werden.

Auch bei der Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse trennt sich die Spreu vom Weizen, wobei kein Landtag die maximale Punktzahl in dieser Kategorie erreicht. Die Forderungen aus der Zivilgesellschaft sehen vor, dass die Abgeordneten mehrheitlich per elektronischer Stimmabgabe abstimmen und die Ergebnisse detailliert veröffentlicht werden sollten. Während in Bayern und NRW Abstimmungen in der Mehrheit per Handzeichen erfolgen und anschließend veröffentlicht werden, zeichnen die Landtage Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein Abstimmungsergebnisse in der Regel überhaupt nicht auf.

An dieser Stelle wird deutlich, dass die Studie nur einen begrenzten Beitrag leisten kann. Die gewählte Methode mit standardisierten Antwortmöglichkeiten ließ den Landtagsverwaltungen keinen Spielraum bei der Beantwortung der Fragen, sodass detaillierte Abstufungen nicht mit in die Bewertung einfließen konnten.

Bei der Offenlegung der Vermögenswerte der Abgeordneten offenbaren alle untersuchten Parlamente erhebliche Schwächen. In Schleswig-Holstein bleiben sämtliche Einkünfte und Vermögenswerte der Abgeordneten im Dunkeln, während Baden-Württemberg einzig über die Höhe der Diäten informiert. Die Landtage in Bayern und NRW geben an, zumindest “einige Informationen” über parlamentarische und nicht-parlamentarische Einkommen der Abgeordneten zu machen. Das deckt sich mit den Recherchen von abgeordnetenwatch.de zu den Nebeneinkünften der Landtagsabgeordneten, wobei in Nordrhein-Westfalen zum Jahresbeginn 2015 erweiterte Veröffentlichtungsregeln in Kraft getreten sind, die von der Studie nicht berücksichtigt wurden.

Insgesamt erfüllen die Landtage die Forderungen aus der Zivilgesellschaft in allen vier Gesamtkategorien nur unzureichend, wobei sich je nach Land unterschiedliche Schwerpunkte zeigen. Gemeinsam ist allen Parlamenten, dass sie umfassend Zugang zu zahlreichen Informationen bieten - die Nutzbarkeit der Daten bleibt dabei aber häufig auf der Strecke. Autor Schlansky wertet die Teilnahme der vier Landtage dennoch als gutes Zeichen für die Bereitschaft zum Dialog.

Simon Hoyme, Ursula Trützschler, Jan Wunder

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

Jetzt Petition unterzeichnen