Hausausweise

Diese Lobbyorganisationen haben ungehinderten Zugang zum Bundestag

Mit einem Hausausweis können sich Lobbyakteure im Bundestag frei bewegen. Eine Liste gibt nun Aufschluss darüber, wer über eine der begehrten Zugangskarten verfügt. Neben Gewerkschaften sind dies unter anderem Vertreter:innen der Immobilien-, Rüstungs- und Pharmalobby.

von Martin Reyher, 22.07.2022
Bundestag

Für manche Lobbyist:innen öffnen sich die Türen zum Bundestag ohne große Hindernisse. Am Empfang zeigen sie ihren Hausausweis vor – und schon können sie passieren. Welche Lobbyorganisationen sich in den Parlamentsgebäuden frei bewegen und in den Büros der Abgeordneten vorbeischauen können, ist jedoch nirgendwo nachzulesen. 

Auf Antrag von abgeordnetenwatch.de nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) hat die Bundestagsverwaltung nun eine aktuelle Hausausweisliste herausgegeben. Sie gibt Aufschluss darüber, welchen Organisationen die Verwaltung eine der begehrten Zugangskarten ausgestellt hat. 

Bundestagsausweise – das Privileg von einigen wenigen Lobbyakteuren

Die Jahresausweise sind mittlerweile zum Privileg von einigen wenigen Lobbyakteuren geworden. 42 Verbände, Vereine und andere Organisationen verfügen nach Angaben der Parlamentsverwaltung über mindestens einen Ausweis zum Bundestag. Zum Vergleich: Als abgeordnetenwatch.de 2014 eine Hausausweisliste beim Bundestag anforderte (und die Herausgabe erst vor Gericht durchsetzen musste), konnten noch rund 900* Lobbyakteure mit einer Zugangskarte ins Parlament gelangen. Seitdem sind die Zugangsregeln immer weiter verschärft worden.

Auf der aktuellen Hausausweisliste finden sich neben Gewerkschaften (GEW, NGG, DpolG) zahlreiche Branchenverbände, die im Interesse ihrer Mitgliedsunternehmen bei den Abgeordneten im Bundestag lobbyieren. Über eine Zugangskarte für die Parlamentsgebäude verfügen beispielsweise:

  • der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. (BAVC): Dieser lobbyiert für die Anliegen von Bayer, Roche und anderen Branchenvertretern. Seinen Mitgliedern verspricht der BAVC darüber hinaus eine „frühzeitige Beobachtung und Information zu politischen Initiativen“.
  • der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP): Er versteht sich als „die maßgebliche Stimme und Plattform der Personaldienstleistungsbranche in Deutschland“ und zählt unter anderem den Branchenriesen Randstad zu seinen Mitgliedern. 
  • der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV): Dieser strebt nach eigener Aussage eine „enge Zusammenarbeit mit relevanten Ministerien und der Bundeswehr“ und die „Förderung einer positiven Einstellung zur Branche“ in Politik und Verwaltung an. Verbandsmitglieder sind unter anderem die Rüstungskonzerne Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann und Airbus Defence. Lobbyausgaben 2020: rund 700.000 Euro.
  • der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa): Dieser setzt sich für die Interessen von Konzernen wie Bayer, Roche und CureVac ein. Das Lobbybudget des vfa lag 2021 bei mindestens 3,1 Mio. Euro. Anders als viele andere Wirtschaftsverbände sprach sich der vfa übrigens früh für strengere Transparenzregeln im Lobbyismus aus: 2008 forderte er die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters und einer „legislativen Fußspur“, die Einflussnahme auf Gesetzentwürfe sichtbar machen soll. Das Lobbyregister wurde Anfang 2022 eingeführt – die Fußspur gibt es bis heute nicht.
  • der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA): Der ZIA lobbyiert u.a. für Konzerne wie Deutsche Wohnen, Vivawest und Vonovia. Vergangenes Jahr wendete der Verband mindestens 2,1 Mio. Euro für Lobbyausgaben auf. Einer seiner 25 Interessenvertreter:innen auf Bundesebene ist der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Oliver Wittke, bis 2019 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Als Wittke damals die Bundesregierung über seinen geplanten Seitenwechsel informierte, sah diese das öffentliche Interesse schwer beeinträchtigt. Die Regierung verbot dem CDU-Politiker daraufhin den Wechsel zum ZIA für einen Zeitraum von 16 Monaten nach Ausscheiden aus dem Amt.

[Tabelle "Interessenorganisationen mit Hausausweisen für den Deutschen Bundestag". Gegebenenfalls müssen Sie diese zunächst aktivieren. Die Tabelle als pdf erhalten Sie hier]

Wer einen Jahresausweis für den Bundestag erhalten darf, ist in den „Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften“ geregelt. Zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehört demnach, wer von der Eintragungspflicht im Lobbyregister ausgenommen ist. Dazu gehören unter anderem Gewerkschaften, Kirchen sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände. 

Nach dem Willen der Ampel-Koalition soll es künftig aber weniger Ausnahmen von der Eintragungspflicht im Lobbyregister geben. „Wir werden das Lobbyregistergesetz nachschärfen (...) und den Kreis der eintragungspflichtigen Interessenvertretungen grundrechtsschonend und differenziert erweitern“, heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Dadurch könnten dann weniger Organisationen einen Bundestagsausweis beantragen.

An anderer Stelle will die Ampel dagegen nicht nachschärfen: Welche Interessenorganisationen bei welchen Abgeordneten oder Regierungsmitgliedern zu welchen Themen lobbyiert haben, soll auch in Zukunft nicht transparent werden.
 

* 487 Interessenverbände erhielten seinerzeit über eine Registrierung im sogenannten Verbändeverzeichnis des Deutschen Bundestages einen Ausweis. 411 weitere Verbände sowie Unternehmen, Agenturen und Kanzleien gelangten über die Fraktionen an einen Bundestagsausweis. Diese intransparente Vergabepraxis hatten wir 2014 publik gemacht. Die Namen der 411 Lobbyakteure hielt die Bundestagsverwaltung jedoch unter Verschluss und musste erst durch eine Klage von abgeordnetenwatch.de per Gericht zur Herausgabe gezwungen werden. Als Konsequenz aus der einsetzenden öffentlichen Diskussion über den Lobbyzugang zum Parlament schaffte der Bundestag die Geheimvergabe über die Fraktion ab. Seit 2016 können Unternehmen, Lobbyagenturen und Kanzleien keine Jahresausweise mehr beantragen. 

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