Vertrauliche Ministervorlage

Scheuer wusste frühzeitig von drohendem Schadensersatz bei PKW-Maut

Die gescheiterte PKW-Maut von Verkehrsminister Andreas Scheuer wird die Allgemeinheit hunderte Millionen Euro kosten. Eine vertrauliche Ministervorlage belegt nun, dass Scheuer frühzeitig von seinen Fachleuten über drohende Schadensersatzzahlungen gewarnt worden war. Doch der CSU-Politiker ignorierte dies augenscheinlich.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 23.10.2020
Verkehrsminister Andreas Scheuer (picture alliance/dpa/dpa Pool | Michael Kappeler)

Eine Katastrophe mit Ansage: Hunderte Millionen Euro kostet das Debakel um die PKW-Maut die Steuerzahler:innen, obwohl das Scheitern des Prestige-Projekts von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) absehbar war. 

Ein zentrales Dokument der Affäre um die PKW-Maut ist eine interne Ministervorlage aus dem Bundesverkehrsministerium, das FragDenStaat.de nun erstmals veröffentlicht. Das als vertraulich eingestufte Papier belegt, dass Scheuer frühzeitig über mögliche Schadensersatzzahlungen informiert worden war. In der Vorlage, die Scheuer am 14. Januar 2019 erhielt und über deren Inhalt der Spiegel kürzlich berichtet hatte, führen die Fachleute aus dem Bereich des Straßenverkehrsrecht aus, was passieren würde, wenn sein Projekt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gekippt werden würde.  

Ausriss Ministervorlage Scheuer zu PKW-Maut: " Beim Vertrag Erhebung wären Kapsch und Eventim hinsichtlich des ihnen durch die Kündigung entgehenden Gewinns so zustellen, wie sie stünden, wenn der Vertrag bis zum Ablauf seiner ordentlichen Laufzeit fortgeführt worden wäre."
Ausriss der Ministervorlage für Andreas Scheuer (CSU)

Im Falle einer Vertragskündigung durch den Bund, heißt es in der Vorlage an Scheuer, ständen den Mautfirmen Kapsch und Eventim eine Entschädigung zu. Außerdem müsste es ein Schiedsverfahren geben. Offenbar störte dies den Verkehrsminister aber nicht. Als der EuGH tatsächlich fünf Monate später die PKW-Maut als europarechtswidrig einstufte, kündigte Scheuer den Vertrag einfach – mit verheerenden finanziellen Folgen für den Bund. Die Maut-Affäre wird derzeit in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. [Lesen Sie außerdem hier im Blog: Interne Mail - Wie das Verkehrsministerium die Maut-Aufklärung erschweren wollte]

Warnungen seit 2015 ignoriert

Schon Jahre zuvor hatte die Leitungsebene des Verkehrsministeriums Warnungen in Bezug auf die PKW-Maut in den Wind geschlagen, wie eine weitere Ministervorlage aus dem Jahr 2016 zeigt, die hier einzusehen ist. Darin legten die Fachleute Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU) nahe, die Einführung der Maut bis zu einem Urteil des Gerichtshofs zu verschieben. 

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages war bereits 2015 zu dem Urteil gekommen, dass eine PKW-Maut nicht mit dem Europarecht vereinbar sei.

Arne Semsrott* 

Nachtrag vom 6. Juli 2023: Das Verkehrsministerium und die Betreiberfirmen haben sich laut Medienberichten auf einen Vergleich geeinigt. Demnach muss der Bund Schadensatz in Höhe von 243 Mio. Euro zahlen.


* Der Autor ist Leiter unserer Partnerorganisation FragDenStaat.de. Über das Portal lassen sich Dokumente von Behörden per Informationsfreiheitsgesetz anfordern.

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