Michael Kießling MdB_Quelle Oliver Grüner
Michael Kießling
CSU
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Frage von Werner S. •

Frage an Michael Kießling von Werner S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Kießling,

Ende 2019 wurde eine Ergänzung zu § 20 EStG beschlossen (Satz 5 und 6 zu Abs. 6), mit der die Verlustverrechnung bei Termingeschäften und Forderungsausfällen unterjährig auf 10.000 Euro begrenzt wird. Mir ist bekannt, dass die Vertreter von CSU und CDU nur zähneknirschend zugestimmt haben, um die Blockade der SPD bei einem davon unabhängigen Gesetzesvorhaben aufzulösen. Der zuständige Ausschuss im Bundesrat hat bereits festgestellt, dass das Gesetz verfassungsrechtlich äußert zweifelhaft ist, weil es gegen das Nettoprinzip verstößt, dass es Rechtsunsicherheit schafft, dass es inkompatibel zur Abschlagssteuer ist und dass es Finanzspekulation nicht eindämmt, sondern Privatanleger an sinnvollen Absicherungsstrategien hindert. Siehe Seite 21 des Dokumentes:

https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0501-0600/503-1-20.pdf?__blob=publicationFile&v=1&fbclid=IwAR0A891scUwYWZl6V_2yAy0Vr5XlgcGLlqLFeyxSwZgkfu362uDbtjn-BpM

Eine Verfassungsklage durch einen Privatanleger ist in Vorbereitung.

Jetzt könnte es passieren, dass der Empfehlung des Bundesrates zur Abschaffung der Neuregelung vom Bundestag nicht ernstgenommen wird und dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erst in einigen Jahren erfolgt. Damit entstünde ein nicht rückgängig zu machender Schaden für viele Privatanleger und kaum zu bewältigende Arbeit für Finanzämter, Banken und Gerichte.

Können Sie dazu beitragen, dass diese Gesetzesänderungen wieder gestrichen werden und wenn ja, auf welchem Wege?

Mit freundlichen Grüßen,

W. S.

Michael Kießling MdB_Quelle Oliver Grüner
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schiele,

vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch.

Die Berücksichtigung von Totalverlusten aus bestimmten privaten Kapitalanlagen wurde im Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2875) neu geregelt.

Die neue Regelung des § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG sieht vor, dass Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltegeschäften ausgeglichen werden können. Dabei ist die Verlustverrechnung auf jährlich 10.000 Euro beschränkt. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalteprämien verrechnet werden. Die Verluste können nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. Die Regelung findet für Verluste aus Termingeschäften, die nach dem 31. Dezember 2020 eintreten, Anwendung.

Der besagte § 20 Abs. 6 EStG sollte bereits im Elektromobilitätsgesetz (JStG 2019) ergänzt werden, wurde aber dort nach wochenlangen zähen Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner SPD herausgenommen. Die SPD wollte im Rahmen des JStG 2019 sogar eine komplette Nichtberücksichtigung dieser Verluste: Bei den Termingeschäften sollte durch eine komplette gesetzliche Nichtberücksichtigung eines Optionsverfalls die bis 2016 geltende Finanzverwaltungspraxis gesetzlich manifestiert werden und die BFH-Rechtsprechung vom 12. Januar 2016 (BStBl. I 2017 II, S. 264) überschrieben werden. Danach wären Verluste dann in Gänze nicht anzuerkennen gewesen, wenn der Steuerpflichtige eine Option bei Fälligkeit verfallen lassen würde. Das konnten wir verhindern. Die damals geschaffene Lösung ist ein Kompromiss: die Verluste werden anerkannt, aber nur bis zu einer Höhe von 10.000 Euro. Damit wollten wir zumindest die Kleinanleger davor schützen, einen Totalverlust durch beispielsweise einen Forderungsausfall komplett nicht geltend machen zu können.
Die Unionsfraktion spricht sich grundsätzlich gegen die Nichtberücksichtigung von Verlusten im Rahmen des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EStG aus und hat in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner auch entsprechend argumentiert: Wie wir auch schon nach dem Beschluss im Finanzausschuss öffentlich formuliert haben, halten wir eine vollständige Gleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten - unabhängig davon, ob Totalverlust oder einfacher Verlust - weiterhin für sachgerecht. Wir mussten aber mit dem Koalitionspartner einen Kompromiss finden, dem wochenlange Verhandlungen vorausgegangen waren. Ansonsten hätte dieser möglicherweise alle weiteren, wichtigen Steuergesetze blockiert. Unser Koalitionspartner wollte Totalverluste steuerlich überhaupt nicht anerkennen und bestand zunächst rigoros auf einem Nichtanwendungsgesetz zur neuen BFH-Rechtsprechung.

Die Regelung ist dank der Hartnäckigkeit der Unionsfraktion aber zumindest besser als die bis 2016 bestehende Verwaltungsauffassung und auch besser als das Vorhaben des Bundesfinanzministers, die steuerliche Anerkennung von Totalverlusten vollständig auszuhebeln.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) haben wir die im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen eingeführte Regelung des Paragrafen 20 Absatz 6 Sätze 5 und 6 EStG vor der Anwendung zum 1. Januar 2021 noch einmal auf den Prüfstand gestellt und eingehend diskutiert. In den Gesetzesberatungen mit dem Koalitionspartner und dem BMF haben wir nur eine Erhöhung der Verlustabzugsbeschränkung von 10.000 auf 20.000 Euro erreichen können. Ein Wegfall bzw. späteres Inkrafttreten der Regelung konnte aufgrund des Widerstands des Koalitionspartners leider nicht erreicht werden.

Ich hoffe, dass ich Ihnen damit die Situation darlegen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Kießling

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