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Sabine Hartmann-Müller
CDU
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Frage von Sandra H. •

Frage an Sabine Hartmann-Müller von Sandra H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hartmann-Müller,
in Ihrer letzten Antwort haben Sie angegeben, dass Sie sich für das Zwei-Stimmen-System im Landtag einsetzen, „um mehr Frauen in die Parlamente zu bekommen“. Dies hat mich sehr verwundert, da die Wahlrechtsreform im Jahr 2018, die diese Änderung umsetzen wollte und auch im Koalitionsvertrag festgelegt war, an der CDU gescheitert ist.

Dazu haben Sie auf Ihrer Homepage einige Artikel und Videos veröffentlicht, die jetzt gelöscht sind und nicht mehr aufgerufen werden können. Zum Beispiel gab es einen Artikel am 29.01.2018, mit dem Titel „Diskussion um Landtagswahlrecht“, indem Sie die Gründe hierfür schildern. Dort steht unter anderem der Satz: „Gerade auch alle zehn Frauen in unserer Fraktion haben sich mit starken Argumenten für unser bisheriges Wahlrecht ausgesprochen.“ Des Weiteren argumentieren Sie dort, dass „das Wahlrecht […] nicht der richtige Hebel [ist], um den Frauenanteil im Landtag zu erhöhen“. In einem weiteren Video sagen Sie, dass Sie „es wichtig [finden], dass das Wahlrecht so bestehen bleibt, wie es jetzt ist“. Auch in einem Artikel des Südkuriers findet sich Ihre Meinung: https://www.suedkurier.de/region/hochrhein/wehr/Laendlicher-Raum-im-Fokus-Diskussion-mit-CDU-Landtagsabgeordneter-Sabine-Hartmann-Mueller-in-Wehr;art372624,9587941

Ist es nicht scheinheilig, dass Sie nun mit einer Reform werben, die Sie vor drei Jahren verhindert haben? Hätten Sie sich damals dafür entschieden, wären wir heute bereits einen Schritt weiter. So sind wir das einzige Bundesland, das ein veraltetes Wahlrecht mit personalisierter Verhältniswahl ohne Liste hat. Es ist offensichtlich, dass Ihre aktuelle Meinung diesbezüglich wohl dem Anwerben von Wählerinnen dient.

Wie rechtfertigen Sie Ihren Stimmungswandel bezüglich des Zwei-Stimmen-Wahlsystems und wieso sollte man sich darauf verlassen, dass die CDU dieses Mal die Haltung nicht wieder ändert?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Hoffmann,

ich danke Ihnen für Ihre Frage zum Landeswahlrecht und zu der Thematik, den Landtag von Baden-Württemberg mit mehr weiblichen Abgeordneten zu besetzen.

Das derzeit gültige Landeswahlrecht sieht vor, mit 1 Stimme den oder die Kandidatin seines Wahlkreises zu wählen, inkl. der Ersatzkandidatin/des Ersatzkandidaten. Das sorgt für eine starke Verankerung der Kandidatinnen und Kandidaten in den Wahlkreisen. 70 Wahlkreise gibt es in Baden-Württemberg = 70 direkt Gewählte.
In der Diskussion im Jahr 2018 ging es darum, das 1-Stimmen-Wahlrecht nicht zu verändern, aber eine zusätzliche Liste aufzustellen, über deren Besetzung parteiintern gerungen und beschlossen werden sollte. Im Fall der CDU mit Bewerberinnen und Bewerber der Frauen Union, der Jungen Union, der Mittelstandsvereinigung etc. Hier sahen viele die Chance, mehr Frauen auf diese Liste zu platzieren. Meiner Einschätzung nach wäre dies parteiintern schwierig geworden, um eine gerechte Verteilung zu garantieren. Denn wer spricht z. B. einem jungen Mann aus der Jungen Union das Recht auf einem vorderen Listenplatz gegenüber z. B. einer Frau der Frauenunion ab, oder umgekehrt?
Eine Konsequenz möchte ich Ihnen an meinem Beispiel schildern. Der Wechsel von Felix Schreiner 2017 vom Landtag in den Bundestag ist ein gutes Beispiel für die Vorzüge des gegenwärtigen Wahlrechts. Diese Regelung stellte sicher, dass das Mandat von Felix Schreiner im Wahlkreis Waldshut-Rheinfelden geblieben ist. Als Zweitkandidatin war ich für Felix Schreiner im Oktober 2017 nachgerückt. Diese Garantie würde durch eine geschlossene Landesliste mit Einstimmenwahlrecht, wie sie wortgetreu im Koalitionsvertrag steht, verfallen. In diesem Szenario wäre der Nachfolger oder die Nachfolgerin somit nicht zwangsläufig vom Hochrhein gekommen, sondern stattdessen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem anderen der 70 Wahlkreise in Baden-Württemberg. Der Wahlkreis Waldshut wäre verwaist. Darüber hinaus würde, bei Einführung einer Landesliste, der Einfluss der Parteibasis (Nominierung der Kandidaten) zu Lasten Parteitagsdelegierten (eine gewählte Auswahl) sinken.

Es ist vielmehr Aufgabe von Parteien, Frauen zu nominieren. Wie in meinem Fall geschehen, auch meine Zweitkandidatin ist eine Frau. Aufstellen von Kandidatinnen ist eine Sache, gewählt zu werden eine andere. Eine demokratische Struktur.

Sie sehen also, eine alleinige Wahlrechtsänderung sorgt nicht für mehr Vielfalt im Parlament.

Nun zum 2 Stimmen Wahlrecht, analog zur Bundestagswahl: Eine Stimme für den oder die Kandidatin im Wahlkreis, die andere Stimme für die Partei. Dieses System stand jedoch in 2018 nicht zur Diskussion zur Änderung des Landeswahlrechts und auch nicht im Koalitionsvertrag.
Auch von dieser Variante bin ich nicht zu 100 % überzeugt, führt sie doch zu einem Aufblähen des Parlaments (siehe aktueller Bundestag) hat aber den Vorteil einer differenzierteren Wahl zwischen Person und Partei, gerade wenn diese Person eine Frau ist. Somit könnte es gelingen, dass mehr Frauen gewählt werden.

Entschuldigen Sie, dass die Antwort erst jetzt verspätet erfolgt, jedoch war es mir leider nicht möglich, kurz vor der Wahl am 14. März 2021 Ihnen eine fundierte Rückmeldung zu geben.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Hartmann-Müller

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