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Metin Hakverdi
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Frage von Jasmin W. •

Frage an Metin Hakverdi von Jasmin W. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Guten Tag Herr Hakverdi,

warum haben Sie gegen die Aufnahme von Geflüchteten aus Moria gestimmt?
Würden Sie heute noch genau so stimmen?

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Sehr geehrte Frau Wrede,

vielen Dank für Ihre Frage. Im Bundestag hatten sich zwei Oppositionsfraktionen dazu entschlossen, über ihren Antrag jeweils namentlich abstimmen zu lassen. Einen derartigen Antrag abzulehnen, fiel mir nicht leicht. Wenn eine Koalition aus zwei oder – wie gegenwärtig – mehreren Fraktionen gebildet wird, verabreden die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag, nicht gegeneinander zu stimmen, oder genauer: einem Antrag nur zuzustimmen, wenn alle drei zustimmen. So gibt es sogar den absurden Fall, dass ich gegen eine Antrag stimme, den ich zuvor schon selbst eingebracht habe, der aber nun nur deshalb von der Opposition eingebracht wird, um diesen Widerspruch zu erzeugen. Und dies wissen natürlich auch jene, die solche Anträge erneut einbringen. Ein Spiel der Opposition – auch um Positionen und Ziele deutlich zu machen. Das passiert in Landtagen und im Bundestag und darin unterscheiden sich die Fraktionen kaum. Für mich ist die Grenze dieser Methode erreicht, wenn mit solchen Anträgen falsche Hoffnungen gemacht werden. Natürlich klammern sich Menschen in Not an jeden Strohhalm – und dann kommt ein böser Dritter und reißt den Strohhalm wieder weg.

Diese Verabredung im Koalitionsvertrag nicht gegeneinander zu stimmen ist eine Notwendigkeit, um verlässliches Regieren zu ermöglichen. Würde die SPD diesem Antrag der Linken oder dem der Grünen zustimmen, würde sie somit eine der zentralen Vereinbarungen einer jeden Koalition aufkündigen. Eine der Folgen wäre, dass sich die Fraktionen von CDU und CSU – wenn sie die Koalition nicht gleich aufkündigen – zukünftigen sozialdemokratischen Vorhaben mit dem Verweis auf die fehlende Verlässlichkeit der SPD verweigern oder – im Zweifel noch schlimmer – für die Anträge anderer (rechter und rechtsextremer) Oppositionsfraktionen stimmen. Die SPD könnte die Humanität als Monstranz vor sich hertragen, hätte aber nichts für die Geflüchteten getan – dass ließe sich nur ändern, wenn CDU und CSU ihre Ablehnung aufgeben würden. Es wäre folglich keinem einzigen Kind in Moria geholfen und Deutschland hätte stattdessen eine handfeste Regierungskrise.

Grundsätzlich müssen wir Griechenland noch stärker unterstützen und entlasten, indem wir geflüchtete Menschen von den Inseln in anderen europäischen Staaten aufnehmen. Deutschland hat bei den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür geworben, geflüchtete Menschen aus Griechenland aufzunehmen. Das begann schon vor den Bränden in Moria in der europäischen Koalition der Menschlichkeit. Beschämend ist, dass sich nicht alle Mitgliedstaaten beteiligen.

Deutschland hatte die Aufnahme von knapp 1.000 Menschen, unbegleiteten Minderjährigen, behandlungsbedürftigen Kindern und ihren Familien, zugesagt. Zudem wollte die SPD in der damaligen Situation nicht auf die schwerfällige Einigung zwischen mehreren europäischen Mitgliedstaaten warten, sondern unser zugesagtes Kontingent weiter erhöhen. Deutschland hatte sich bereit erklärt weitere 150 Kinder und Jugendliche und 1.553 Menschen, hauptsächlich Kinder und ihre Familien, in einem eigenständigen Kontingent aufzunehmen. Dies alles ist in der Koalition, leider gegen den erheblichen Widerstand der CDU und CSU, zustande gekommen.

Gleichwohl sehe ich auch unsere europäischen Partner weiter in der Verantwortung. Deshalb werben wir weiter um Unterstützung für die gemeinsame Initiative aufnahmebereiter europäischer Partnerländer. Auf eine europäische Lösung darf man nicht warten, man muss für sie arbeiten. Das tun wir und wollen uns auch weiterhin entsprechend unserer Kraft und Größe beteiligen. Unser Ziel bleibt es, dass sich am Ende alle europäischen Mitgliedstaaten in diese Solidarität einbringen. Und wir brauchen eine dauerhafte Lösung und einen ständigen Hilfsmechanismus, sodass wir nicht bei jeder Notlage erst in schwerfällige Verhandlungen darüber treten müssen, wer wie viel Unterstützung leistet.

Und es gilt, auch die Herkunftsländer der Geflüchteten zu stabilisieren, damit Geflüchtete in ihre Heimat zurückgehen können – ein Ziel, das kurzfristig aber nicht erreichbar scheint.

Für eine grundsätzliche und langfristige Lösung brauchen wir eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir dazu einen klaren Beschluss mit konkreten Umsetzungsvorschlägen verabschiedet. Wir müssen weg vom Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates und brauchen eine gerechte und solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Nur so schaffen wir dauerhaft eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands. Daran arbeiten wir auf EU-Ebene mit Hochdruck. Ein erster Schritt könnte, wie bereits im Frühjahr 2020 von uns vorgeschlagen, die Entwicklung eines Pilotmodells für ein gemeinsam betriebenes Asylzentrum unter europäischer Flagge auf den griechischen Inseln sein. Wir lassen nicht nach, bis in Europa europäisches Recht und europäische Werte auch überall durchgesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Metin Hakverdi

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