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Sven Metzmaier
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Frage von Michael S. •

Frage an Sven Metzmaier von Michael S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Hallo Herr Metzmaier,

hinsichtlich Ihrer zentralen Forderungen, kurz auf https://linksbwegt.de/von-der-drehmaschine-in-den-landtag/ dargelegt, gefällt mir besonders Ihr Introsatz "Jeder Mensch muss die Chance haben, ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen zu können." Vielen Dank dafür!

Allerdings vermisse ich hier weitere wichtige politische Ansätze, z.B. was den Stellenwert von Kultur (im allgemeinen / im besonderen: z.B. alternativer Art) angeht. Zudem fehlt mir noch Ihre Position zur Landwirtschaft / Tierhaltung / zum Tierschutz / zu einer möglicherweise neuen Ernährungspolitik - speziell zur bestehenden Massentierhaltung hätte ich vor Abgabe meines Wahlzettels gerne Ihr Statement. Im Juli 2020 hat der Bundesrat die Zwangshaltung von Millionen weiblicher Schweine in Deutschland - die sogenannte „Kastenstand-Haltung“ - für viele weitere Jahre fortgesetzt. Da würde mich sehr Ihre Meinung / die Haltung der LINKE dazu interessieren.

Vielen Dank für eine Rückantwort!

Beste Grüsse,
Michael Spiegel

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Spiegel,

vielen Dank für Ihre Fragen. Zu Allererst Entschuldigung, dass diese Antwort auf Ihre Fragen etwas auf sich hat warten lassen.
Leider ist der Wahlkampf nun in die letzte Phase eingetreten und ist, neben meiner Erwerbstätigkeit, sehr Zeitintensiv. Hinzu kommt, dass Ihre Fragen leider nicht wirklich kurz zu beantworten sind. Vielen Dank, dass sie meine Site besucht haben. Das was Sie auf dieser gelesen haben, ist meine Kurzvorstellung für meinen Flyer. Leider waren die Zeichen für den Text stark begrenz.

Hier meine Antworten:

Meine Positionen zur Landwirtschaft / Tierhaltung / zum Tierschutz / zu einer möglicherweise neuen Ernährungspolitik:
 

Lebensmittel werden hunderte oder tausende Kilometer transportiert, bevor sie auf den Tisch kommen. In der Landwirtschaft dominieren große Agrarkonzerne, die ihre Gewinne auf Kosten von Menschen und Umwelt machen. Kleine und ökologische Betriebe haben es schwer. Die Agrarwirtschaft wird europaweit immer stärker auf den Export ausgerichtet. Der Export von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln darf nicht länger subventioniert werden. Er trägt zur Zerstörung lokaler landwirtschaftlicher Strukturen in vielen Ländern des globalen Südens, aber auch hier vor Ort bei.

Wir wollen eine sozial gerechte und auf das Gemeinwohl orientierte Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt auf regionaler Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung fördern. Und: In Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung braucht es gute Arbeitsbedingungen. Vier große Einzelhandelskonzerne bestimmen 85 Prozent des Lebensmittelverkaufs in Deutschland und machen fette Profite, während viele Landwirt:innen kaum über die Runden kommen.

- Auch in der Landwirtschaft muss man von der Arbeit gut leben können, egal ob Vollzeit- oder Saisonarbeitskraft. Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen- und Einkommen durch flächendeckende Tarifverträge in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ein.

- Wir wollen bezahlbare und gesunde Nahrungsmittel für alle. Wir wollen regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen als Gegenstrategie zur Marktmacht von Schlachthof-, Molkerei- und Handelskonzernen: Konzernmacht durch effektives, gemeinwohlorientiertes Kartellrecht beschränken. Verbindungen zwischen Wirtschaft und Politik durch ein verpflichtendes Lobbyregister offenlegen. Wir fördern bäuerliche, genossenschaftliche und ökologische Landwirtschaft statt Agrarkonzerne. Wir wollen den Ökolandbau ausbauen. Genossenschaftliche Landwirtschaft, Formen der solidarischen Landwirtschaft sowie Erzeuger- und Vermarktungsgemeinschaften sind besonders zu unterstützen.

- Wir wollen Boden verfügbar machen für regional verankerte Landwirtschaftsbetriebe und ländliche Bevölkerung. Bauernland gehört nicht in Investorenhand. Öffentlichen Besitz an Land- und forstwirtschaftlichen Flächen wollen wir stärken und Flächen in Länderhand übergeben. Wir wollen einen öffentlichen Bodenfonds einführen, der an nachhaltig wirtschaftende, ortsansässige Agrarbetriebe zu fairen Konditionen langfristig verpachtet. Junglandwirt:innen und genossenschaftliche Konzepte wollen wir fördern. Das wollen wir mit einer umfassenden Reform der ordnungs-, steuer-, förder- und preisrechtlichen Regelungen zum Boden angehen. Der Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen soll grundsätzlich an Landwirt:innen sowie gemeinnützige Landgesellschaften erfolgen – und zwar zu Preisen, die dem Ertragswert entsprechen.

- DIE LINKE setzt sich für eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik ein. Ab der kommenden Förderperiode sollen die Zahlungen konsequent an Umwelt- und Sozialkriterien gebunden werden. Nur Betriebe, die diese Vorgaben umsetzen, sollen Direktzahlungen erhalten – egal ob groß oder klein, ökologisch oder konventionell. Nach 2020 darf es nur noch Geld für konkret nachweisbare öffentliche Leistungen geben. Bei der Flächenprämie sollen sozialpflichtige Arbeitskräfte berücksichtigt und Investoren ausgeschlossen werden. Mit höheren Erzeugerpreisen wollen wir die Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von Fördermitteln reduzieren und über eine gerechte Gewinnverteilung in der

Wertschöpfungskette sichern, dass Lebensmittel bezahlbar bleiben. Wir wollen auf EU-Ebene eine Politik für null fossile Brennstoffe, eine stark reduzierte Tierhaltung und einen drastisch reduzierten Pestizideinsatz bis spätestens 2040.

- DIE LINKE will Patente auf Leben verbieten. Zur Sicherung der genetischen Vielfalt sollen alte Pflanzensorten und Nutztierrassen erhalten und freie Nachbaurechte gesichert werden. Wir wollen den Anbau und den Handel mit gentechnisch veränderten Pflanzen verbieten. Klonen von Tieren muss verboten bleiben. Wir wollen eine Kennzeichnung von importierten Lebensmitteln, die aus geklonten Tieren und ihren Nachkommen hergestellt werden. Wir wollen den Anbau und den Handel mit sowie den Import von gentechnisch veränderten Pflanzen verbieten.

- Glyphosat und Neonikotinoide müssen verboten werden. Wir wollen Transparenz und ein strenges Regelwerk für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln.

- Die heimische Produktion von Eiweißfuttermitteln, regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen wollen wir stärken.

- Wir wollen eine Nutztierhaltung, die tiergerecht und flächengebunden, auf die einheimische Nachfrage bezogen ist. Dazu sollen Bestandsobergrenzen für Regionen und Standorte eingeführt werden. Nicht tiergerechte Massentierhaltung lehnen wir ab. Dazu wird ein sozial gestaltetes Umbauprogramm gebraucht.

- Lücken im Tierschutzrecht müssen endlich geschlossen werden und das Staatsziel Tierschutz ernst genommen werden. Wir wollen ein Verbot von Lebendtiertransporten, die über das Höchstmaß von vier Stunden hinausgehen. Der nächstgelegene Schlachthof soll stets bevorzugt werden.

- Qualzucht und nicht-kurative Eingriffe an Tieren (Schnäbel, Hörner, Schwänze) wollen wir verbieten. Das gilt auch für das Schreddern von Küken, die Anbindehaltung für Rinder und Kühe. Zuchtsauen dürfen nicht im Kastenstand gehalten werden. Schluss mit tierquälerischen Kastrations-Methoden!

- Der Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft muss auf zwingend notwendige Behandlungen begrenzt werden, Kontrollen müssen verschärft und Verstöße härter bestraft werden. Die Agrarforschung einschließlich der epidemiologischen Forschung wollen wir stärken, um den Ausbruch- und die Verbreitung von Tierseuchen deutlich schneller zu erkennen und eingrenzen zu können. Wir fordern dafür ein spezialisiertes Epidemiologisches Zentrum, um z. B. ein Frühwarnsystem für Pandemierisiken zu entwickeln.

- Bezahlbare regionale und Bio-Lebensmittel in der Schul- und Kitaverpflegung müssen stärker unterstützt werden. DIE LINKE will Schul- und Selbsterntegärten sowie urbane Landwirtschaft stärken. Dies leistet auch einen Beitrag für kurze Wege in der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Das sind die Forderungen der LINKEN im Wahlprogramm, die ich uneingeschränkt teile und nicht besser formulieren kann!

Die Forderungen sind nicht neu, nur der aktuellen Entwicklung angepasst und werden von der LINKEN seit Jahren immer wieder gestellt.

Aus meiner Sicht sei noch zu erwähnen: die ungenierte Lobbypolitik einer Frau Klöckner (Verzögerung des Glyphosatausstiegs, Übergangszeit von 8(!) Jahren für die Kastenstandshaltung). In Ernährungsfragen hat bei Verbraucher*innen ein Umdenken eingesetzt – hin zu regionalen Produkten, hin zu Bio-Lebensmitteln und auch der Stellenwert einer gesunden Kita- und Schulernährung ist gestiegen. Nur: die gesetzgeberische Begleitung für eine gesunde Ernährungspolitik fehlt. Gäbe es Subventionen an in meinen Augen sinnvollen Stellen, müsste gesunde Ernährung nicht teurer sein als das Billigfleisch von Tönnies oder Gemüse, das unter umstrittenen Bedingungen irgendwo, aber eben nicht regional und kontrolliert, angebaut wird. Auch hier wieder ist der Einfluss der Nahrungsmittelindustrie deutlich zu sehen. Gesunde Ernährung auch für den kleinen Geldbeutel! Für die meisten der angesprochenen Punkte ist zwar die Gesetzgebung auf Bundesebene zuständig. Was aber nicht heißt, dass die Bundesländer keinen Einfluss haben – Stichwort: Bundesrat.

 

Ihre Frage nach dem Stellenwert von Kultur lässt sich recht einfach beantworten, wenn auch nicht abschließend und in gebotener Ausführlichkeit:

Alle Menschen sind gesellschaftliche Wesen, die nicht nur von ihrem täglichen Brot in Form von gesichertem, ausreichendem Einkommen, bezahlbarem Wohnen, guter Bildung für sich und ihre Kinder leben sollen. Zum Brot gehört selbstverständlich auch Kultur – in welcher Form auch immer. Sei es die sogenannte Hochkultur, die in Museen und Theatern verortet wird. Hier müssen Schwellen abgebaut werden (gute Beispiele dafür gibt es z.B. auch im Nationaltheater Mannheim, der Mannheimer Kunsthalle – (wenn auch Corona hier einen Einbruch bedeutet) und sie muss bezahlbar sein. Sei es die alternative Kultur, die denselben Stellenwert hat – sie darf, was die staatliche oder kommunale Förderung betrifft, nicht beschnitten werden, so wie es oft geschieht. In den Kommunalparlamenten setzen sich die LINKEN bei Haushaltsberatungen immer dafür ein, dass dieser Etatposten in seiner Wichtigkeit beachtet wird. Aber alternative Kultur braucht nicht nur finanzielle Förderung, sie braucht auch Raum, öffentlichen Raum. Auch dafür treten wir ein. Corona hat uns die Bedeutung von Kultur, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, auf schmerzliche Weise vor Augen geführt – und sei es nur, dass Kinobesuche oder Konzerte nicht mehr möglich sind, dass Kultur viral (immerhin!) gegangen ist und somit nicht mehr allen zugänglich oder auf unzulängliche, weil weniger sinnliche, Weise erfahrbar geworden ist. Der Shutdown hat uns gezeigt, dass Kultur zum gesellschaftlichen Kitt gehört, dass sie demokratierelevant ist.

Zitat: "Etwa 3.000 Künstler:innen und Publizist:innen müssen seit vergangenen Jahr ganz ohne Krankenversicherung auskommen und bei insgesamt 10.000 Betroffenen der Kultur- und Medienbranche wurden durch die Künstlersozialkasse (KSK) in Wilhelmshaven Vollstreckungsverfahren wegen rückständiger Beiträge ausgelöst. Das ist nicht hinnehmbar! Diese Zahlen belegen, dass sich die Lage der Betroffenen seit Beginn der Corona-Krise existenziell zuspitzt. Ich bin erschüttert, dass in einem der reichsten Länder der Welt so prekäre Verhältnisse zugelassen werden. Meine Fraktion und ich bemängeln, dass die staatlichen Hilfen nicht verhindern konnten, dass tausende Freiberufler und Selbständige in ihrer beruflichen Existenz gefährdet sind und darüber hinaus inzwischen ohne Krankenversicherung dastehen. Weitere 10.000 Künstler:innen und Publizist:innen mussten ihre Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse ruhend stellen, da sie durch den Staat in die sogenannte Grundsicherung von Hartz IV abgedrängt wurden. Ich fordere ein zügiges Ende von Zwangsvollstreckungen in der Branche und warne vor verheerenden Folgen", so Barrientos abschließend. Diesem Zitat kann ich mich nur anschließen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.

Mit freundlichen Grüßen,
Sven Metzmaier