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Christian Lindner
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Frage von Myriam R. •

Frage an Christian Lindner von Myriam R. bezüglich Gesundheit

Guten Tag
Ich als Bürgerin bin besorgt, welche politischen Entscheidungen und Maßnahmen die letzten Monate von der Bundesregierung im Zuge der Corona-Pandemie getroffen wurden. Aktuell betrifft es das 3. Bevölkerungsschutzgesetz.

Ich möchten an dieser Stelle betonen, dass ich die Gesundheitsrisiken in Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Virus nicht verharmlosen will. Eine Corona-Infektion kann insbesondere für ältere sowie vorerkrankte Menschen eine ernste Gefahr sein, dies ist unbestritten.

Die getroffenen Maßnahmen dürfen jedoch nicht unverhältnismäßig sein. Dies wäre aus meiner Sicht jedoch die Verabschiedung des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes in der aktuellen Entwurfsfassung.

Dieses dritte Bevölkerungsschutzgesetz würde tief in unsere Grundrechte eingreifen (Freiheit der Person, Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, Unverletzlichkeit der Wohnung).
An der Ausgestaltung der Ermächtigungen ohne Parlamentsbeteiligung im Rahmen der epidemischen Lage nationaler Tragweite für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Die Bundesregierung, also die Exekutive soll nun weitere Ermächtigungen ohne Parlamentsbeteiligung im Zusammenhang mit einer Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erhalten, diesmal zur Steuerung von Einreise aus Risikogebieten nach Deutschland. Die geplante Verordnungsermächtigung erlaubt der Bundesregierung, in die Grundrechte einzugreifen. Die Exekutive soll nun aber, ohne Parlamentsbeteiligung per Rechtsverordnung lt. Entwurf eine „Impfdokumentation bei Einreise“ aus einem Risikogebiet verlangen können. Dies bedeutet eine indirekte Impfpflicht. Und die Exekutive möchte einen Nachweis des "Nichtvorliegens einer bedrohlichen übertragbaren Erkrankung" (=Immunitätsausweis) fordern können. Sollen Pandemien mittels Impfungen als Gelegenheit und Hebel genutzt werden, um digitale Identitäten zu etablieren, ohne uns Bürger zu fragen?
Mit freundlichen Grüßen
M.R.

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Sehr geehrte Frau Römer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Eine allgemeine Impfpflicht hat der Bundesgesundheitsminister im Deutschen Bundestag bereits öffentlich ausgeschlossen. Auch mit den Freien Demokraten wäre das nicht zu machen.

Das "Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" und insbesondere den darin enthaltenen §28a des Infektionsschutzgesetzes sehen wir äußerst kritisch. Einige gesundheitspolitische Maßnahmen darin sind zwar durchaus richtig. Das Gesetz verfehlt allerdings das Ziel, eine höhere Legitimation für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu schaffen, deutlich. Das Gesetz ist handwerklich schlecht gemacht und sorgt keinesfalls für die dringend erforderliche Rechtssicherheit notwendiger Maßnahmen. Es ist nicht klar definiert, welche Freiheitseinschränkungen in welcher Lage angemessen sind und lässt damit einen viel zu großen Spielraum für pauschale Grundrechtseingriffe. Das ist allein verfassungsrechtlich fragwürdig. Außerdem ist die alleinige Orientierung auf die Zahl der Infektionen zu kurz gegriffen, um eine Epidemie zu beurteilen. Und nicht zuletzt sollte die Bundesregierung verpflichtet werden, dem Bundestag eine umfassende Krisenstrategie vorzulegen, die debattiert werden kann. Stattdessen werden die geltenden Verordnungsermächtigungen der Exekutive ohne Not verlängert und zum Teil sogar ausgeweitet. Es gibt aber heute keinen Grund mehr, im Notfallmodus an der momentanen Verordnungspraxis festzuhalten oder sie gar zu entfristen, wie es das Gesetz vorsieht. Ein Dreivierteljahr nach Beginn der Pandemie muss die Diskussion um geeignete Maßnahmen wieder im Parlament stattfinden.

Diesem Ziel wird der Gesetzestext der Bundesregierung mitnichten gerecht. Im Gegenteil soll das Parlament lediglich bereits getroffene Maßnahmen nachträglich legitimieren, statt bei der Entscheidung über Maßnahmen tatsächlich eingebunden zu werden. Ein solches rechtspolitisches Feigenblatt schafft keine Akzeptanz, sondern geht hart an die Grenze der Missachtung des Parlaments. In der jüngsten Abstimmung im Deutschen Bundestag hat unsere Fraktion die Gesetzesänderung daher geschlossen abgelehnt.

Trotz aller Kritik ist aber klar: Dieses Gesetz ist schlecht, aber es ist kein Schritt in eine "Corona-Diktatur" oder sonstige Szenarien, die gerade von Populisten und Verschwörungstheoretikern an die Wand gemalt werden. Klar ist: Über politische Entscheidungen muss trotz Krise diskutiert werden. Aber auch wer die Corona-Maßnahmen kritisch sieht, muss sich fragen, in wessen Gesellschaft er demonstriert. Ich habe weder für Blockaden des Parlaments Verständnis, noch für den unhistorischen und völlig überzogenen Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz.

Im Plenum des Deutschen Bundestages habe ich unsere Position in dieser Frage ausführlich dargestellt und sowohl bei der ersten Beratung des Gesetzesentwurfs (https://youtu.be/2xICOsZSWwY) als auch in der Dritten Lesung (https://youtu.be/L851VK1yFwM) deutlich gemacht.

Freundliche Grüße

Christian Lindner

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