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Wolfgang Ziller
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Frage von John T. •

Frage an Wolfgang Ziller von John T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ziller,

wie stehen Sie dazu, dass DieLinke faktisch die Rechtsnachfolge der SED/ PDS angetreten hat, Genossen, wie Erich Honecker aber nie aus der SED ausgeschlossen wurden?

Und wenn man es genau nimmt, müsste man fragen, was Sie vor 20 Jahren an der Grenze nach Bayern gemacht hätten? Geschossen? Oder das Recht der SED gebrochen - aber wie können Sie dann für diese Partei stehen?

Vielen Dank.
Ihr John Trause

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Trause,

kann sie beruhigen. Hätte ich unter Verhältnissen wie in der DDR leben müssen, wäre ich ebenso oppositionell gewesen wie hier, wo ich geboren bin, gelebt und gearbeitet habe. Mein Freiheitsdurst, mein Demokratie-Verständnis hätten mich solche Zustände nicht widerspruchslos ertragen lassen. Ich wäre dort Kriegsdienstverweigerer geworden wie hier und hätte weder internationales Recht (UNO-Charta) gebrochen und niemals geschossen.

Ich hatte mich als Gewerkschafter, der stets für soziale und auch für Freiheitsrechte in Betrieben und in der Gesellschaft gekämpft hat, 2004 bewusst der "Initiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" angeschlossen. Daraus ist 2005 die WASG entstanden, deren Mitglied ich spontan geworden bin. Juni 2007, vereinigten sich PDS und WASG zu DIE LINKE, der ich ebenfalls angehöre.

Seit ich, mit 16 Jahren, politisch aktiv wurde, trat ich u.a. gegen undemokratische Notstandgesetze, Kriege und Gewalt auf und engagierte mich stets, für einen aktiven Sozialstaat, für eine demokratische, soziale, friedliche und umweltgerechte Republik.

Ich glaube nicht, dass DIE LINKE sich täglich neu vom DDR-Unrechtsystem distanzieren muß. Das hat sie schon sehr oft und nachlesbar getan und man kann ihr auch einfach mal glauben. Soviel ich weiß hatte die SED mal ca. 1,9 Millionen Mitglieder, die passen mit dem besten Willen bei den nahezu 75 000 Mitgliedern von DIE LINKE gar nicht rein. Wo ist der Rest geblieben ? Schabowski zum Beispiel, ehemals SED-Politbüro-Mitglied ist heute Chef-Redakteur einer oberfränkischen Zeitung und CDU-Mitglied. Im Übrigen, warum wird immer nur über DIE LINKE und eventuelle Vorfahren diskutiert ?
Was ist mit den Altlasten der ehemaligen DDR-Blockparteien ? Wurde ihre Geschichte von CDU/CSU und FDP jemals aufgearbeitet ? Deren Mitglieder wurden nach der Wende alle sehr unkritisch übernommen.

Und was ist mit den Altlasten ehemaliger Nazis, die nahtlos nach dem Krieg als Wirtschaftsfachleute, Parteien-Verteter, Beamte, Staatsanwälte und Richter tätig waren und meistens und anstandslos Parteibücher der obengenannten Parteien hatten. Globke, für Rassengesetze im 3. Reich zuständig, war anschließend Adenauers Staatsekretär. Heinrich Lübke (Bundespräsident) erinnerte sich nicht mehr, dass er als Architekt am Bau von KZ´s beteiligt war. Hans Filbinger verurteilte als Marine-Richter noch kurz vor Kriegsende Deserteure der Hitler-Armee, er brachte es trotzdem jahrelang bis zum CDU-Minister-Präsident in Baden-Würrtemberg. Kurt Georg Kiesinger (Bundeskanzler der Großen Koalition 1966 -1969) war im Krieg stellvertetender Chef des Auslands-Rundfunk im Dritten Reich und verbreitete faschistische Lügen-Märchen. Die Liste "staatstragender" Menschen mit Vergangenheit ließe endlos fortsetzen.

Was lernen wir daraus ? Jeder darf sich irren, aber bitte nicht mehrmals. Demokrat bleibt man durch aktives Handeln als Demokrat und bei Erhaltung von sozialer Demokratie und Freiheitsrechten. Und dazu können alle beitragen, die mit und die ohne Geschichte. Alle sind gleichermaßen freie Bürger dieses Landes und damit der Demokratie, nach Grundgesetz und Bayerischer Verfassung, verpflichtet.

Wir dürfen uns von den Problemen im Lande nicht ablenken lassen, auch nicht von denen die in ihrer Geschichte selbst einiges aufzuarbeiten hätten.

Es geht vor allem darum, wie alle Menschen in Bayern und im Bund mehr Freiheitsrechte, menschenwürdige Arbeits- und Lebensverhältnisse, soziale Gerechtigkeit und gleiche Bildungschancen, ohne jede Diskriminierung erleben können. Aber auch Themen wie z.B. Steuergerechtigkeit, Arbeit und Bezahlung (gesetzlicher Mindestlohn) von dem Menschen wirklich in Würde leben können.

Der Skandal der z.B. wachsenden Kinderarmut muß uns aktuell mehr bewegen als etwa all die notwenigen Betrachtungen über falsch gelaufene Geschichte. Zumal die gegenwärtigen Verhältnisse fatal an vergangene Zeiten erinnern, die uns Alle uneingeschränkt mahnen müssen. Demokratie und Freiheit dürfen niemals von Sozialem getrennt und vernachlässigt werden, sonst können auch Freiheitsrechte das nächste Opfer sein. Letzteres, das unterstelle ich, wäre sicher in ihrem Sinne genauso wenig wie in meinem.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Ziller