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Wolfgang Stefinger
CSU
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Frage von Alfred H. •

Frage an Wolfgang Stefinger von Alfred H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Warum unterstützen Sie als Mitglied einer christlichen Partei die Sanktionen gegen syrische Christen?

Die Aufhebung der Sanktionen würde den Steuerzahler kein zusätzliches Geld kosten, darüber hinaus eine mögliche Fluchtursache beseitigen, und könnte vermutlich sogar Menschenleben retten.

Die Aufhebung dieser Sanktionen wurde in einem offenen Brief christlicher Funktionsträger verschiedener Konfessionen an die EU gefordert. Unter den Unterzeichnern sind Erzbischöfe und ein Patriarch:

"In diesen 5 Jahren haben die Sanktionen gegen Syrien dazu beigetragen, die syrische Gesellschaft zu zerstören: Sie lieferten sie dem Hunger, Epidemien und Elend aus und arbeiten somit den Milizen von Integralisten und Terroristen, die heute auch in Europa zuschlagen, in die Hand. Die Sanktionen vergrößern die Schäden durch den Krieg, der bereits zu 250.000 Toten, 6 Millionen Vertriebenen und 4 Millionen Flüchtlingen geführt hat.
Die Situation im Syrien-Konflikt ist verzweifelt: Es fehlt an Lebensmitteln, es herrscht eine allgemeine Arbeitslosigkeit, medizinische Behandlungen sind unmöglich geworden, Trinkwasser und Strom sind rationiert.
Dazu kommt, dass das Embargo die Syrer, die sich bereits vor dem Krieg im Ausland niedergelassen haben, daran hindert, ihren Verwandten und Familienangehörigen im Heimatland Geld zu überweisen. Selbst Nichtregierungsorganisationen, die Hilfsprogramme durchführen möchten, können ihren Mitarbeitern in Syrien kein Geld schicken. Firmen, Stromwerke, Wasserwerke, und Krankenhäuser sind gezwungen, zu schließen, weil sie keine Ersatzteile und kein Benzin bekommen können."
Georges Abou Khazen, Apostolischer Vikar von Aleppo

Links: 28.05.16 https://www.change.org/p/eu-parlament-aufhebung-der-sanktionen-gegen-syrische-christen
Vgl. auch: http://www.katholisches.info/2015/10/09/erzbischof-von-aleppo-russische-militaerintervention-gibt-christen-syriens-neue-hoffnung/
http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/161021-Bischof-Joseph-Tobiji-Die-fuenf-Dinge.pdf

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Hartmann,

vielen Dank für Ihre Frage. Der Deutsche Bundestag hat nicht über Sanktionen gegen Syrien abgestimmt, weshalb ich die Sanktionen gegen Syrien per Abstimmung weder unterstützen noch ablehnen konnte. Richtig ist, dass der Rat der EU mit Unterstützung der Bundesregierung weitreichende Sanktionen gegen Syrien verhängt hat. Die Sanktionen richten sich jedoch nicht gegen syrische Christen, sondern wurden im Jahr 2011 mit dem Ziel eingeführt, die Gewalt des Regimes gegen die eigene Bevölkerung zu stoppen. Seitdem wurden die Sanktionen immer wieder verlängert, wobei nach Einschätzung der Bundesregierung umfangreiche Ausnahmebestimmungen der restriktiven Sanktionsmaßnahmen bestehen, um die humanitäre Lage der syrischen Bevölkerung berücksichtigen zu können.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass die von Ihnen zitierten Aussagen des Apostolischen Vikars von Aleppo Besorgnis erregend und erschütternd sind. Die Einschätzung des Vikars als Betroffener vor Ort ist sehr ernst zu nehmen. Ich kann Ihre Bestürzung über die Vorgänge in dem vom Bürgerkrieg erschütterten Land und das Leiden der Zivilbevölkerung sehr gut nachvollziehen. Die von Ihnen verlinkten Artikel habe ich ebenfalls zur Kenntnis genommen. Der Artikel über die Hoffnung des syrischen Erzbischofs auf das militärische Eingreifen der Russen im Syrienkrieg stammt aus dem Jahr 2015. Inzwischen ist bekannt, dass auch die Bombardements der russischen Luftwaffe zu schweren Verwüstungen und Verheerungen in Aleppo und anderen Teilen Syriens geführt haben.

Demzufolge beruht nach Einschätzung der Bundesregierung die Verschlechterung der Wirtschaftslage in Syrien vor allem auf der von der Regierung Assad und seiner Bündnispartner vorangetriebenen eskalierten Kampfhandlung und damit einhergehender Zerstörung der Infrastruktur. Hinzu kommt, dass die staatlichen Ressourcen zunehmend auf Kampfhandlungen konzentriert werden und durch die anhaltenden Kampfhandlungen die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen unmöglich gemacht wird. Schließlich wird die Arbeit humanitärer Akteure auch durch Blockaden humanitärer Hilfslieferungen durch die Regierung in Damaskus und andere Konfliktparteien behindert, die die Nahrungsmittelunterversorgung gezielt als Mittel der Kriegsführung einsetzten. Auch gab es gezielte militärische Angriffe auf Hilfskonvois und Krankenhäuser.

Nach Schätzungen von Experten gibt es in Syrien weit über 1.000 verschiedene Gruppierungen mit wechselnden Allianzen. Hinzu kommen regionale Akteure, die ihre eigene Agenda verfolgen, wie die Golfstaaten, die Türkei, der Iran oder Russland. Die Vielzahl der Akteure zeigt, wie komplex der Bürgerkrieg in Syrien ist. Die verheerenden Auswirkungen des Krieges manifestieren sich ausdrucksstark in den von Ihnen zitierten Ausführungen des Vikars.

Trotz allem dürfen wir in unseren Bemühungen um eine Friedenslösung und zur Linderung des Leides der Zivilbevölkerung nicht nachlassen. Deutschland ist drittgrößter bilateraler Geber von humanitärer Hilfe und hat allein 2016 rund 638 Mio. Euro für die vom Syrienkonflikt betroffenen Menschen in Syrien und den Nachbarländern zur Verfügung gestellt. Seit Beginn der Syrienkrise hat Deutschland über 2,5 Mrd. Euro bereitgestellt, davon 1,25 Mrd. Euro für humanitäre Hilfsmaßnahmen, 1,15 Mrd. Euro für strukturbildende Übergangshilfe und bilaterale Unterstützung sowie über 137 Mio. Euro für Krisenbewältigung. Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden katastrophalen Lage in Aleppo hat Deutschland Ende 2016 seine Hilfe nochmals erhöht. Einen Überblick finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ):
http://www.bmz.de/de/presse/aktuelleMeldungen/2016/dezember/161227_Opfer-von-Aleppo-nicht-alleine-lassen-BMZ-stellt-15-Millionen-Euro-zur-Verfuegung/index.jsp

https://www.bmz.de/webapps/flucht/index.html#/de/syrien

Der CSU ist die Verbesserung der humanitären Situation der vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen ein sehr wichtiges Anliegen. Unter Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller (CSU) hat Deutschland seine Anstrengungen erheblich erhöht. Das BMZ wird bis zum Ende dieser Legislaturperiode mehr als 12 Mrd. Euro zur Fluchtursachenbekämpfung in Herkunfts- und Aufnahmeländern bereitgestellt haben. Darin inbegriffen sind auch Schulen für Kinder, Ausbildungsmaßnahmen für Jugendliche und Arbeitsmöglichkeiten für Erwachsene. Ein vorrangiges Ziel ist es, die Krisenregionen zu stabilisieren und Flüchtlinge vor Ort zu unterstützen. Im Rahmen der Sonderinitiative „EINE WELT ohne Hunger“ investiert das BMZ jährlich rund 1,5 Mrd. Euro in die Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung.

Dr. Wolfgang Stefinger
Mitglied des Deutschen Bundestages

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