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Wolfgang Gehrcke-Reymann
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Frage von Mariam D. •

Frage an Wolfgang Gehrcke-Reymann von Mariam D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Gehrcke-Reymann,
kann es sein, dass der Verfassungsschutz inzwischen über die Gemeinnützigkeit von Vereinen entscheidet? Das war letztes Jahr im Gespräch und scheint nun umgesetzt worden zu sein.

Jedenfalls: Der altehrwürdige Frauenverein Courage wurde letztes Jahr vom Verfassungsschutz als "extremistische Vereinigung" eingestuft - kein Witz! - worauf das Finanzamt Wuppertal dem Verein zum Jahreswechsel die Gemeinnützigkeit entzog.
Hier mehr: http://www.fvcourage.de/index.php?option=com_content&view=article&id=435:aberkennung-der-gemeinnuetzigkeit-sofort-zuruecknehmen&catid=40:aktuelles&Itemid=27

Und hier die Petition zur Wiederherstellung der Gemeinnützigkeit:
http://www.change.org/de/Petitionen/finanzamt-wuppertal-elberfeld-wiederherstellung-der-gemeinn%C3%BCtzigkeit-des-frauenverbands-courage

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Wolfgang Gehrcke-Reymann
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Dessaive,

Der Verfassungsschutz hat rein juristisch nicht das Recht, über die Gemeinnützigkeit von Vereinen zu entscheiden. Er kann es aber faktisch beeinflussen, wie das von Ihnen geschilderte Beispiel des Frauenvereins Courage deutlich macht. Die Nennung eines Vereins im Verfassungsschutzbericht wird von den Finanzämtern (die die Inhaber des Rechtes auf Feststellung der Gemeinnützigkeit sind) oft genutzt, um die Gemeinnützigkeit abzusprechen. Dies hat Folgen für die Besteuerung von evtl. Gewinnen, aber auch für die Förderfähigkeit, die oft Gemeinnützigkeit voraussetzt. Durch die Vorgehensweise der Finanzämter wird damit dem Verfassungsschutz im Rückschluss das Recht zuerkannt, über die Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer Organisation zu entscheiden. Das hat er aber nach unseren Verfassungen auf keinen Fall.

Gegen die Entscheidungen des Finanzamtes muss man Widerspruch einlegen, wenn dieser abgelehnt wird, muss man Klage einreichen. Dahinter steht aber ein politisches Problem: Linke Organisationen werden in unserem Land von Staats wegen bekämpft. Zentral sind dabei die Ämter für Verfassungsschutz, die von Anfang an mit der Ideologie des Kalten Krieges gegründet wurden zur Beobachtung, Einschüchterung und Verfolgung von Linken in der Bundesrepublik Deutschland. Gegründet mit alten Nazis, die im Nazifaschismus hohe Funktionen in den Verfolgungsorganen hatten. Auf dem rechten Auge sind die Herrschaften blind, schlimmer noch: die NSU-Affäre und die Gladio-Aktivitäten legen den Verdacht nahe, dass die Ämter den rechten Terrorismus und die rechte Szene insgesamt fördern. Sachsen ist da ein herausragendes Beispiel. Das ist alles sehr gefährlich für unsere Demokratie, die durch verschiedene politische Aktivitäten unter Beschuss steht: Rettungsschirme, Schuldenbremse, Kriegseinsätze und die Aktivitäten der rechten Szene, die Unterstützung durch die Ämter nachweislich erfahren haben. Dagegen muss man politisch kämpfen, insofern habe Sie recht mit der Petition. Aber ehrlich gesagt, ist das ein sehr schwaches Mittel.

Ich wünschen dem Frauenverein, dass er erfolgreich im Zurückkämpfen der
Benachteiligung ist!

Herzliche Grüße

Wolfgang Gehrcke