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Winfried Kretschmann
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Frage von Wolfgang S. •

Frage an Winfried Kretschmann von Wolfgang S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Sehr geehrter Herr Kretschmann,

das Land Baden-Württemberg hat im Bundesrat mit seiner Zustimmung zum Asylbeschleunigungsgesetz auch der Novellierung des § 246 Baugesetzbuch zugestimmt. Dadurch können von der jeweiligen Landesstelle (Regierungspräsidium) die Ortschafts- und Gemeinderäte bei Fragen zu Bebauungsplänen bei Flüchtlingsunterkünften faktisch "übergangen" werden, indem den Investoren von solchen Objekten die Befreiung von Bebauungsplanzwängen quasi "von oben" erteilt wird. Ablehnende Beschlüsse von demokratisch gewählten Ortschaftsräten/Gemeinderäten zu Umnutzungen entsprechender Gebäude können dadurch ausgehebelt werden! Frage daher: Finden Sie es richtig und für die Akzeptanz in der Bevölkerung förderlich, wenn von oben herab Standorte für Flüchtlingsunterkünfte durch Landesstellen faktisch erzwungen werden können, auch wenn demokratisch gewählte, örtliche Gremien die betreffenden Standorte für diesen Zweck ungeeignet und nachteilig für die weitere Entwicklung der jeweiligen Ortschaft halten?

Mit freundlichen Grüßen
W. S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Novellierung des § 246 im Baugesetzbuch.

Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ist die schnelle, unbürokratische und angemessene Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden eine wichtige Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Wo sich im Zusammenhang mit der Schaffung und Nutzung von baulichen Anlagen als Unterkünfte, wohlgemerkt nicht als dauerhafter Wohnraum, für Flüchtlinge und Asylbegehrende baurechtliche Regelungen als Erschwernisse für die Unterbringung von Flüchtlingen erwiesen haben, ist das zuständige Ministerium für Verkehr und Infrastruktur bzw. die Landesregierung von Baden-Württemberg auf Bundesebene initiativ geworden, um hier rechtliche Anpassungen an die besonderen aktuellen Herausforderungen zu erreichen.

So hat Baden-Württemberg das Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des BauGB-Maßnahmengesetz vom 26. November 2014 (BGBl. I.S. 1748) im Bundesrat mit initiiert, unterstützt und in der Umsetzung aktiv begleitet. Mit diesem Maßnahmengesetz wurden Erleichterungen für die bauplanungsrechtliche Zulassung von Flüchtlingsunterkünften geschaffen, indem notwendige Klarstellungen in das Baugesetzbuch eingefügt und die Flüchtlingsunterbringung in geeigneten Objekten in Gewerbegebieten und in sog. Außenbereichsinseln ermöglicht wurde.

„Mit dem Inkrafttreten von Artikel 6 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl.S.1722) sind weitere bauplanungsrechtliche Erleichterungen zur Unterbringung von Flüchtlingen in den einzelnen Baugebieten, im unbeplanten Innenbereich und im Außenbereich geschaffen worden.

Das Land hat sich auch für die jüngste Novelle des Baugesetzbuchs zugunsten weiterer Erleichterungen bei den planungsrechtlichen Fragen der Unterbringung von Flüchtlingen inhaltlich und unterstützend eingebracht. Neben Erleichterungen insbesondere zur Errichtung mobiler Unterkünfte und Nutzungsänderungen auch im Außenbereich besteht jetzt eine weitreichende Möglichkeit, zur dringend benötigten Unterbringung von Flüchtlingen von den Vorschriften des Baugesetzbuchs und den aufgrund des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften abzuweichen.

Dabei lässt das Gesetz die erforderliche Kontinuität des Städtebaurechts nicht außer Acht. Die neuen Vorschriften sind allesamt in ihrer Anwendung auf den 31.12.2019 beschränkt. Durch die Verortung der Regelungen in die Schlussvorschrift des § 246 BauGB bekundet der Gesetzgeber seine Absicht, an den Grundzügen des Städtebaurechts nichts ändern zu wollen. Gleichzeitig wird von den bereits vorhandenen Möglichkeiten - wie dem Rückbaugebot im Außenbereich - sinnvoll Gebrauch gemacht.

§ 246 Abs. 15 BauGB enthält eine Verfahrensvorschrift, die die Zulassung von Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende beschleunigen soll. Nach dieser Vorschrift gilt das nach § 36 Abs.2 S. 2 BauGB erforderliche gemeindliche Einvernehmen (auch i.V.m. § 246 Abs.10 S. 2 BauGB und i.V.m. dem neuen § 246 Abs.12 S.2 BauGB) als erteilt, wenn die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht binnen eines Monats verweigert.

Ihre Befürchtung einer „faktisch erzwungenen“ Durchsetzung von Standorten für Flüchtlingsunterkünfte durch Landesstellen von oben gegen die Meinung demokratisch gewählter örtlicher Gremien halten wir deshalb für unbegründet.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Team Kretschmann

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