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Winfried Hermann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Matthias W. •

Frage an Winfried Hermann von Matthias W. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Minister Hermann,

Folgende Fakten haben mich tief erschüttert und lassen an der Glaubwürdigkeit einer verantwortungsbewußten Regierung erheblich zweifeln:
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich annähernd sieben Millionen(!!) Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung:
www.iass-potsdam.de/de/content/luftverschmutzung-und-klimawandel

Allein in Deutschland sind das Zig-Tausende und somit viel mehr als durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen. Und das schon seit vielen Jahren!
Diese Meldung ist bereits aus 2005 (65.000 Tote durch Feinstaub in Deutschland/Jahr):
www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/studie-jaehrlich-65-000-tote-durch-feinstaub-a-342703.html
Was tun Sie und die grün-rote Landesregierung dagegen?

Was tun unsere Ingenieure nicht alles, um Fahrzeuge verkehrssicherer zu machen und Unfallzahlen (mit Toten) zu verringern? Da spielt Geld scheinbar keine Rolle.
M.E. nützen Plaketten und Zonen herzlich wenig, wenn nicht die Hauptverursacher angegangen werden. Weshalb bekommen große Stinker, wie z.B. Baufahrzeuge noch Ausnahmegenehmigungen (gerade im Innenstadtbereich)? Hat sich die Lobby der Bauindustrie hier erfolgreich durchgesetzt?
Weshalb lassen immer noch sehr viele Taxi- und Busfahrer Motoren stehender Fahrzeuge lange laufen? Müssen alle Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr (in Wohngebieten oder Bereichen mit viel Passantenverkehr) ewig und 3 Tage mit fossilen Schadstoffen betrieben (und manchmal auch unbedacht laufen gelassen) werden?
Wie lange müssen wir als Geschädigte noch warten, bis Konzerne wie VW und Daimler, gegen die bereits die Staatsanwaltschaft ermittelt, wegen des Abgasbetrugs endlich auch die betroffenen Bürger/innen entschädigen, die sich mit Schadensersatzforderungen, wegen Lebenszeitverkürzung durch Luftschadstoffe, an diese gewandt haben?
Ich würde mich freuen, schlüssige Antworten auf diese brennenden Fragen zu erhalten!

Umweltfreundliche Grüße sendet M.W.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich im Folgenden gerne beantworte.

Die Luftreinhaltung ist der grün-schwarzen Landesregierung, den betroffenen Kommunen wie auch mir persönlich ein wichtiges Anliegen und genießt höchste Priorität. In den vergangenen Jahren ist es dank vielfältiger Anstrengungen und Maßnahmen gelungen, die Luftbelastung in Baden-Württemberg mit Feinstaub PM10 und Stickstoffdioxid (NO2) durch Maßnahmen wie beispielweise die Einführung der Umweltzonen, deutlich zu verringern. An verkehrlich hoch belasteten Straßen mit enger Randbebauung wird der Grenzwert für das Jahresmittel des Schadstoffs Stickstoffdioxid zum Schutz der menschlichen Gesundheit in Baden-Württemberg jedoch weiter überschritten. Der Grenzwert für Feinstaub PM10 wird derzeit noch an der Spotmessstelle Stuttgart Am Neckartor überschritten.

Mein Ziel ist es, die Grenzwerte schnellstmöglich einzuhalten. Es gibt nicht „die“ einzige Maßnahme, die uns ins Ziel bringt. Vielmehr ist ein ganzes Maßnahmenbündel erforderlich. Deshalb werden für die Kommunen Stuttgart und Reutlingen gerade umfangreiche Wirkungsgutachten erarbeitet, die eine Vielzahl von Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkung beleuchten. Aus diesen Einzelmaßnahmen werden Szenarien gebildet, so dass Maßnahmenbündel geschnürt werden, mit denen die Grenzwerte unterschritten werden.

Die bisher vorliegenden Ergebnisse bekräftigen unseren Ansatz zur Minderung der hohen Stickstoffdioxidbelastungen mittels einer blauen Umweltzone. Abschätzungen für den hoch belasteten Straßenabschnitt Stuttgart Am Neckartor zeigen, dass mit dieser Maßnahme die lokal vom Straßenverkehr verursachten Stickstoffdioxidbelastungen halbiert werden können. Das Wirkungsgutachten bestätigt die Wirksamkeit der Maßnahme: derzeit gehen wir von einer Minderung der NOx-Emissionen des Kfz-Verkehrs in Stuttgart von 40 Prozent durch die Einführung einer blauen Umweltzone aus. Für die Einführung der Blauen Plakette ist allerdings der Bund zuständig; die Länder können keine eigenen Regelungen schaffen. Gleichwohl nutzen wir unsere politischen Möglichkeiten, den Bund zu „bewegen“.

Die Untersuchung zeigt zudem, dass der Wirkungsgrad der anderen Maßnahmen deutlich geringer ist, ohne diesen jedoch unterschätzen zu wollen. So hätte eine Umstellung von Taxis, Paket- und Sozialdienstfahrzeugen und des städtischen Fuhrparks auf Elektroantrieb ein Minderungspotenzial der Stickstoffoxidemissionen um zwei bis vier Prozent. Die staatliche Subventionierung und Kaufanreize für den privaten Kauf eines E-Autos (zum Beispiel der Erlass von Parkgebühren) könnten weiter zu ein Prozent weniger Stickstoffoxidemissionen führen. Die Berechnungen werden derzeit ausgeführt. Die Ergebnisse des Wirkungsgutachtens können Sie nach Abschluss der Arbeiten unter https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/Abt5/Ref541/Seiten/Luftreinhalteplaene.aspx einsehen.

Als vorgezogene Maßnahme wurde im Januar dieses Jahres in Stuttgart der bundesweit einmalige Feinstaub-Alarm eingeführt. Der Start der neuen Feinstaubalarm-Saison steht aktuell kurz bevor. Bei Feinstaubalarm wird an die Bevölkerung in Stuttgart und in der Metropolregion appelliert, das Auto im Stadtgebiet Stuttgart möglichst nicht zu nutzen und auf den Betrieb von sogenannten Komfort-Kaminen zu verzichten. Autofahrern wird empfohlen, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, das Fahrrad zu nutzen oder zu Fuß zu gehen. Auch Fahrgemeinschaften sind ein sinnvolles Mittel, den Verkehr in Stuttgart zu reduzieren.

In Bereichen mit eigenen Handlungsmöglichkeiten sind wir weiter aktiv. Baden-Württemberg hat als bislang einziges Bundesland eine Landesverordnung geschaffen, die die Partikelemissionen von Baufahrzeugen und -maschinen in Gebieten mit hohen Belastungen begrenzt. Denn Baumaschinen sind vom Geltungsbereich der Umweltzonen nicht umfasst. Details hierzu finden Sie unter http://vm.baden-wuerttemberg.de/de/mensch-umwelt/luftreinhaltung/emissionen/ .

Die Landesregierung hat bereits 2011 mit der Landesinitiative Elektromobilität II ein Maßnahmenpaket beschlossen, das einen Beitrag zur Umsetzung von klima- und wirtschaftspolitischen Zielen des Landes leisten soll. So setzt die Landespolizei verstärkt Elektrofahrzeuge ein. Das Verkehrsministerium hat zudem in der gesamten Landesverwaltung bereits die Beschaffung von 148 E-Fahrzeugen und Hybriden und 489 Pedelecs unterstützt. Neben der Beschaffung der Elektrofahrzeuge wird auch die erforderliche Infrastruktur für das Aufladen bereitgestellt. Bereits seit April 2016 sind insgesamt 210 Fahrräder mit Elektromotor Teil des Polizeifuhrparks. Die CO2-Emissionswerte der Landesflotte konnten damit seit dem Jahr 2012 von 141,7 g/km auf 123,6 g/km im Jahr 2015 gesenkt werden.

Das Ministerium verfolgt für die Zukunft einen strategischen und technologieoffenen Aufbau einer landesweit öffentlichen Stromladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Mithilfe eines „2000-Ladesäulen-Programms“ (entspricht 4000 Ladepunkten) soll ein dichtes Ladesäulennetz in Baden-Württemberg geschaffen werden. Schon heute liegt Baden-Württemberg in der Berechnung der Ladepunkte je EinwohnerIn unter den Flächenländern gemeinsam mit Hessen vorne.

Es wird aber nicht nur ein Grundversorgungsnetz entstehen, zukünftig soll ein flächendeckendes sowie bedarfsgerechtes Netz an Ladeinfrastruktur vorhanden sein. Das heißt, dass auch die Installation verschiedener Stufen von Schnelllademöglichkeiten vorangetrieben wird. Auch die 138 Pedelecs an Bahnhaltestationen dienen zur Anschlussmobilität für BerufspendlerInnen oder von touristischen TagesnutzerInnen. Nutzerinnen und Nutzer von E-Mobilen haben in der Region Stuttgart die Möglichkeit, an einem der mehr als 500 öffentlich zugänglichen Ladepunkte aufzutanken.

Die Stadt Stuttgart hat im Doppelhaushalt 2016/17 Mittel bereitgestellt, um den Kauf von E-Taxis zu fördern. Zudem tragen zwei Schnellladesäulen zu einem besseren E-Taxi-Betrieb in Stuttgart bei. Des Weiteren setzt die Stadt vermehrt Hybridbusse ein. Diese Hybridbusse sind der erste Schritt auf dem Weg zum Stadtbus mit Brennstoffzellenantrieb, um einen praktisch emissionsfreier Antrieb in der Stadt zu erreichten – ohne Ausstoß von Partikeln, Stickoxiden und CO2 sowie einem geräuscharmen Antrieb.

Im Übrigen möchte ich auf die Homepage der Stadt Stuttgart und des Verkehrsministeriums verweisen. Dort finden Sie jede Menge Informationen dazu, was unternommen wurde, damit die Luft in Stuttgart und in anderen Umweltzonen sauberer wird.

Mit freundlichen Grüßen

Winfried Hermann

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