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Wiebke Esdar
SPD
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Frage von Frank R. •

Frage an Wiebke Esdar von Frank R. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Esdar, Sie erklären auf Ihrer Homepage, dass "die vorgeschlagene Begrenzung beim Familiennachzug nicht für eine humanitäre Flüchtlingspolitik, nicht für das, was sozialdemokratische Familienpolitik ausmacht (steht). Sie steht auch nicht für eine christliche Familienpolitik". Diese Begrenzung ist nunmehr bereits Gesetz geworden mit den Stimmen der Sozialdemokraten. Sie wissen, dass das Gesetz gegen das Recht auf Familienleben , dass im Grundgesetz (Art. 6), in der Europäischen
Menschenrechtskonvention (Art. 8), der EU-Grundrechtecharta (Art. 7) und zahlreichen weiteren
Menschenrechtskonventionen, etwa der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 16) und dem
Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte (Art. 17) verbrieft ist. Sie wissen auch, dass Rechte von Kindern besonders geschützt sind, nicht zuletzt durch die verbindliche UN-Kinderrechtskonvention.
Dieses Grundrecht auf Familienleben, dieses Menschenrecht gelten für alle Menschen unabhängig
ihrer Staatsangehörigkeit. Familienzusammenführung wird mit dem neuen Gesetz zum Glückspiel. Welche Kriterien stellen eine Härte dar? Wer entscheidet, wer zu den 1000 Kindern, Vätern oder Müttern zählt? Wie es zu begründen, dass Familienangehörige die bereits Terror, Krieg, Flucht und die Trennung von Eltern und deren Kindern als Härte erlebt haben, zusätzlich eine Härte vorbringen müssen - als sei nicht das alles schon Härte genug. Warum haben Sie nicht konsequent gegen dieses Gesetz gestimmt?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Frage! Ich habe mich bei der Abstimmung über dieses Gesetz nach sorgfältiger Überlegung enthalten. Für mich sind dafür zwei wesentliche Gründe ausschlaggebend gewesen.

Auf der einen Seite teile ich Ihre Bedenken. Der von Union und SPD vereinbarte Kompromiss geht auch mir nicht weit genug. In der letzten Wahlperiode hatte die SPD einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte durchsetzen können, der zeitweise ausgesetzt gewesen ist. Dass dieser Rechtsanspruch jetzt durch ein Kontingent ersetzt werden soll, ist ein massiver Rückschritt, der bedeutet, dass zu viele Familien noch auf Jahre voneinander getrennt werden.

Der im Bundestag beschlossene Kompromiss bedeutet konkret, dass ab August zumindest für monatlich 1.000 Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie minderjährige Kinder subsidiär Geschützter bzw. Eltern subsidiär geschützter Minderjähriger eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland erteilt werden kann. Derzeit geht man von ca. 60.000 anspruchsberechtigten Personen aus. Mit der jetzt beschlossenen Regelung von 1.000 pro Monat (12.000/Jahr) ist folglich mit Wartezeiten von bis zu fünf Jahren zu rechnen. In diesem Zeitraum werden zu viele unbegleitete Kinder volljährig und damit besteht die Gefahr, dass sie ihre Familien dauerhaft verlieren. Mit dem im Grundgesetz verankerten Recht auf Familie und mit der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist dies in meinen Augen nur schwerlich vereinbar.

Auf der anderen Seite musste ich bei meinem Abstimmungsverhalten auch ein anderes Risiko berücksichtigen: Im Parlament steht uns als SPD eine rechte Mehrheit aus CDU/CSU, AfD und FDP gegenüber. All diese Fraktionen sind gegen einen Familiennachzug für subsidiär Geschütze oder wollen ihn abschaffen. Wäre ohne Vereinbarung von Union und SPD über diese wichtige Frage im Bundestag abgestimmt worden, dann hätte es passieren können, dass diese rechte Mehrheit den Familiennachzug weiter eingeschränkt hätte. So konnte die SPD jetzt erreichen, dass ab August 2018 überhaupt wieder Familiennachzug möglich ist. Das ist der Grund, warum ich mich entschieden habe, das Gesetz nicht abzulehnen, sondern mich zu enthalten.

Über die Härtefallregelung wird noch ein begleitender Gesetzentwurf entscheiden. Wie dieser im Detail aussehen wird, ist aber noch offen. Ich werde mich jedoch mit der SPD-Bundestagsfraktion weiterhin für einen Recht auf Familiennachzug und eine wirksame gesetzliche Härtefallregelung einsetzen.

Ihre

Wiebke Esdar

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