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Werner Schieder
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Frage von Sandro G. •

Frage an Werner Schieder von Sandro G. bezüglich Wirtschaft

Hallo Hr. Schieder,

ich habe eine grundlegende Frage.
Gerade wurde das Euro-Rettungspaket im Bundestag gebilligt.
Zu 319 "Ja-Stimmen" und 73 Gegenstimmen haben sich 195 Abgeordnete enthalten.
Wie sie gestimmt haben ist noch nicht veröffentlicht aber ich habe hierzu eine grundsätzliche Frage.

Wie kann es sein dass sich ein gewählter Volksvertreter bei solch wichtigen Fragen enthält.
Meiner Meinung nach ist diese Möglichkeit "sich raus zu halten" und parteipolitische Spielchen zu spielen.

Sie haben sich bei der Abstimmung zum Notkredit für Griechenland am 07.05. ebenfalls enthalten. Dazu müssen(!) sie doch eine Meinung gehabt haben. Zumindest sind sie rein aus dem Grund gewählt worden um eine Meinung zu vertreten. Und nicht um sich zu enhalten.

Für mich müsste diese Meinung abgeschafft werden! Ich bitte Sie um eine Stellungnahme...

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Antwort von
SPD

Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de

Sehr geehrter Herr Gärtner,

vielen Dank für Ihre Frage über das Portal abgeordnetenwatch.de vom 22. Mai 2010. Darin fragen Sie nach meinem Stimmverhalten zum EU-Rettungspaket vom 21. Mai 2010 und kritisieren die Option einer Stimmenenthaltung bei parlamentarischen Abtimmungen.

Zunächst möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich meine Enthaltung zur deutschen Kredithilfe für Griechenland am 7. Mai 2010 (sog. Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz) öffentlich, auch auf meiner Homepage (www.wernerschieder.de) begründet habe. Wenn Sie diese lesen, werden Sie sicher feststellen, dass ich als zuständiger Berichterstatter meiner Fraktion im Europa-Ausschuss des Bundestages sehr wohl eine Meinung zur Zukunft des Euro-Raumes habe und mich mit einer Enthaltung keineswegs „raushalte“.

Die Bundesregierung hat allerdings durch ihre wochenlange (NRW-wahlbedingte) Verzögerungstaktik ein miserables Krisenmanagement demonstriert, die Finanzmärkte verunsichert und die Euro-Krise erst verschärft. Durch ihr öffentliches Verwirrspiel hat sie den Nährboden für die Spekulationsattacken der Finanzmarktakteure erst gegen Griechenland und den Euro und nun auch gegen Portugal und Spanien gelegt. Die Risikoaufschläge für die Staatsanleihen dieser Euro-Länder sind auf ein Vielfaches angestiegen. Unter diesen Bedingungen hätte auch Deutschland Schwierigkeiten, sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren.

Ich bin der Überzeugung, dass schon im Januar oder Februar dieses Jahres eine eindeutige Garantie für die gesamte Eurozone (wie im Rahmen des EU-Rettungspaketes geschehen) erforderlich gewesen wäre, um den Spekulationen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine frühzeitige Garantie der Euroländer u.a. in Form bilateraler Kredite hätte die Spekulationen gegen den Euro und damit gegen alle Euroländer abwenden und die Kosten der Krise wesentlich verringern können. Insofern halte ich den Rettungsschirm für die EU für notwendig. Deshalb hat die SPD auch eine schnelle parlamentarische Verabschiedung im Bundestag nicht blockiert.

Nur einen Tag (!), bevor die Kanzlerin auf EU-Ebene das 750 Milliarden Euro-Rettungspaket an Krediten und Bürgschaften schnürte, beschlossen die Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP in einem Entschließungsantrag zur Griechenland-Hilfe wortwörtlich: „Die Unterstützung für Griechenland ist ein Ausnahmefall, der nicht in einen Mechanismus für weitere notleidende Staaten führt“.

Die Spekulanten haben diese Aussage geradezu als Einladung betrachtet: Wenn keinem anderen Euro-Land mehr geholfen werden soll, dann würde man das Zerbrechen der Eurozone also zulassen. Und schon sprangen die Spekulationen gegen den Euro auf untragbare Höhen. So kam es, dass wenige Stunden nachdem die Koalition beschlossen hatte, anderen gerade nicht zu helfen, ein riesiger Schutzschirm aufgespannt werden musste.

Diese verantwortungslose Begleitpolitik und die Weigerung der Koalition die Finanzmärkte u.a. mit einer Finanztransaktionsteuer verbindlich zu regulieren, sind die Gründe, warum ich und meine Fraktion dem von den EU-Staatschefs beschlossenen - in der Sache richtigen - EU-Rettungsschirm nicht zustimmen konnten. Eine finanzielle Beteiligung der Finanzmarktakteure (Banken, Versicherungen, Hedge-Fonds etc.) an der Stabilisierung der Eurozone ist für die SPD alternativlos. Die Krisenlasten dürfen nicht wieder auf die einfachen Steuerzahler abgewälzt werden.

Zudem fordern wir eine bessere Koordinierung der Finanz-, Lohn- und Wirtschaftspolitik, um die Ursachen der Euro-Krise zu bekämpfen und künftige Krisen zu verhindern. Hierzu gehört insbesondere der Abbau von Ungleichgewichten in Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsbilanzen im Euroraum. Das bedeutet nicht nur, dass Griechenland und die anderen südlichen Euroländer konsolidieren müssen, sondern auch, dass Deutschland die Binnennachfrage dauerhaft ankurbeln und eine expansivere Lohnpolitik fahren muss.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Werner Schieder MdB