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Frage von Matthias W. •

Frage an Uwe Barth von Matthias W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Barth,

mit Sorge beobachte ich das Vorhaben der Bundesregierung, den freien Zugang zum Internet durch die Einführung von zur willkürlichen Zensur geeigneten Sperrmaßnahmen einzuschränken.

Diejenigen, die dieses Vorhaben unterstützen, betonen permanent, dass hiermit KEINE allgemeine Internet-Zensur in Deutschland eingeführt werden soll und dass sich die Maßnahmen definitiv nur gegen die Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten richten.

Mich würde Ihre Meinung zu diesem wichtigen Thema interessieren.

Speziell habe ich folgende Fragen an Sie:

1. Warum ist die in einem Rechtsstaat selbstverständlich notwendige Prüfung der zu sperrenden Inhalte durch eine unabhängige Instanz (Richter) in diesem konkreten Fall nicht vorgesehen?

2. Wie soll verhindert werden, dass das BKA (quasi als "Allmachtsbehörde") beliebige andere Inhalte auf die Sperrliste setzt, wenn es keinerlei unabhängige Prüfung geben soll?

3. Warum soll das Instrument nicht auch zum Sperren anderer krimineller, illegaler Inhalte genutzt werden?

4. Wie würden Sie abstimmen, wenn das Gesetz in der jetzt vorliegenden, allen rechtsstaatlichen Prinzipien zuwider laufenden Form zur Abstimmung vorgelegt wird?

Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Wendel

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Wendel,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Kinderpornographie, zu der ich gerne Stellung nehme. Kinderpornographie muss effektiv bekämpft werden. Kinderpornographie, bei der der Missbrauch von Kindern in Bild oder Film wiedergegeben wird, ist ein widerliches und schreckliches Verbrechen, denn der vorangegangene Missbrauch hinterlässt unheilbare Wunden an Seele und Körper der missbrauchten Kinder.
Notwendig ist die konsequente Verfolgung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie. Die erfolgreiche Arbeit der Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern in diesem Bereich muss fortgesetzt werden. Insbesondere ist für ausreichende personelle und sächliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und Staatsanwaltschaften, die richtigerweise sehr sensibel auf Anzeigen und Erkenntnisse in diesem Bereich reagieren, zu sorgen. Zudem muss die Prävention verbessert werden. Hier sind Eltern, Schulen, Kindergärten, Ärzte und Jugendämter ebenso gefordert wie die Gesellschaft insgesamt. Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben, sondern jeder, der Hinweise auf Kindesmissbrauch hat, muss ermutigt werden, dies auch zur Anzeige zu bringen.
Das von den Koalitionsfraktionen beschlossene Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes, nach dem die Zugangsprovider dazu verpflichtet werden, Internetseiten nach Vorgabe einer Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu sperren, hat die FDP-Bundestagsfraktion von Anfang an abgelehnt. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im oder mittels des Internets begangen werden, müssen konsequent verfolgt werden. Zugleich müssen sich staatliche Maßnahmen an den geltenden rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen.
Schon die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr bei der Verbreitung von Kinderpornographie ist zweifelhaft. Gefahrenabwehr obliegt den Ländern, die in diesem Bereich hervorragende Arbeit leisten. Auch die Regulierung von Medieninhalten liegt in der Zuständigkeit der Länder, wohingegen der Bund nur für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Telemedien zuständig ist. Insoweit stellt sich die Frage, ob der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist.
Das Gesetz wirft darüber hinaus verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit auf. Von den geplanten Sperrungen können auch legale Internetseiten erfasst sein, wie die Bundesregierung selbst darlegt. Daher muss sehr sorgfältig geprüft werden, ob die vorgeschlagene Maßnahme verhältnismäßig ist.
Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte nicht rechtswidriges Verhalten. Das Verbreiten und das Sich-Beschaffen wie auch schon der Besitz von Kinderpornographie sind strafbar.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit den geplanten Sperrungen durch die Manipulation in den sog. Domain-Name-Servern (DNS), die dazu dienen, eine vom Nutzer eingegebene Internetadresse in die zugehörigen numerischen IP-Adressen aufzulösen, die gesperrten Seiten nach wie vor zugänglich sind, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Wenngleich die Umgehbarkeit die Geeignetheit nicht grundsätzlich in Abrede stellt, muss jedoch bedacht werden, dass die Nutzung anderer DNS, z.B. einer Universität, gang und gäbe ist und so eine nicht unerhebliche Zahl der Nutzer gar nicht erfasst wird. Ebenfalls nicht erfasst werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfasst. Schließlich wechseln die Server nach Angabe des BKA häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden. Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann aber ihr Ziel. Von der Bundesregierung wird vorgetragen, dass die Maßnahme aber deshalb erforderlich sei, weil ein strafrechtliches Vorgehen gegen die Betreiber ausländischer Server schwierig bis unmöglich sei. Nach Erkenntnissen aus anderen Ländern befindet sich die weit überwiegende Zahl der Server in den Vereinigten Staaten, die übrigen sogar vielfach in Europa. Hier ist Rechtshilfe regelmäßig möglich und auch Erfolg versprechend. Die FDP-Bundestagsfraktion hat das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert, die Provider durch Verträge mit dem BKA zu Sperrungen zu verpflichten, da Grundrechtseingriffe stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird aber unter keinem Gesichtspunkt den Anforderungen an eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage gerecht. So fehlen in dem Gesetzentwurf Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider. Auch die Ausweitung der Befugnisse des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr ist abzulehnen. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte in den zurückliegenden Beratungen ihre Bedenken sachlich und kritisch vorgetragen. Leider haben die Koalitionsfraktionen unsere Bedenken nicht berücksichtigt und das Gesetz mit ihrer Mehrheit im Deutschen Bundestag verabschiedet. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte zu dem Gesetzentwurf einen Entschließungsantrag mit der Drucksachennummer 16/13469 in den Deutschen Bundestag eingebracht, den im Internet unter folgendem link finden:
http://www.fdp-fraktion.de/files/538/EA-KinderpornographieInternet.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Uwe Barth MdB