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Ulrike Rodust
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Frage von Hildegard H. •

Frage an Ulrike Rodust von Hildegard H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Rodust

als Entscheidungshilfe zur EU-Wahl bitte ich um Ihren Standpunkt zur
letztendlich Demokratie-gefährdenden TTIP. Ich frage auch der vielen, vielen Kinder wegen, die ich im Laufe meines Lebens betreut habe und noch betreue.
Was nützen diesen späteren Erwachsenen Arbeitsplätze (versprochen im FHA (Freihandelsabkommen)), wenn die Welt, in der sie leben, krank macht?
Sie, Frau Rodust, wissen natürlich von den fatalen Gefahren für Umwelt und Leben - und für Demokratie! Oder?
Eine Demokratie funktioniert nur mit größter Offenheit; bereits jetzt
wird diese Offenheit in skandalöser Weise unterlaufen, indem Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Zudem teilen die Verhandlungsführer nur das den EU-Abgeordneten "life", d.h. wohl mündlich, mit, was sie für mitteilungswürdig halten.
Bitte senden Sie mir Ihre Stellungnahme. Sie wird entscheidend für meine Wahl im Mai sein.

Freundliche Grüße,
Hildegard Harries

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Harries,

bitte entschuldigen Sie meine späte Antwort, aber derzeit bleibt leider manchmal auch etwas ein wenig länger auf dem Schreibtisch liegen. Meine Position zu TTIP habe ich an dieser Stelle zwar bereits dargelegt (Abgeordnetenwatch-Antwort vom 17. Februar), allerdings merkt man Ihrer Frage und den Fragen, die ich bei Veranstaltungen in letzter Zeit häufig gestellt bekomme an, mit welcher Sorge viele Menschen auf die TTIP-Verhandlungen blicken.

Die fehlende Transparenz zu Beginn haben sicher viele Beobachter als schlechtes Vorzeichen für die Verhandlungen gewertet. Das ist mehr als unglücklich gelaufen und auch wenn ich nicht der Ansicht bin, dass hier ein „Geheimabkommen“ verhandelt wird, teile ich Ihre Auffassung, dass wir in diesen Verhandlungen so viel Öffentlichkeit wie möglich brauchen. Schließlich geht es um viel, nämlich darum unsere (oft mühsam errungenen) hohen europäischen Standards zu verteidigen. Deshalb halte ich es auch für richtig und wichtig von Anfang an klar zu stellen, dass diese Standards nicht aufgeweicht werden dürfen.

Aus Sorge um diese Standards nun gar nicht erst zu verhandeln, halte ich aber für falsch – und Forderungen, die in diese Richtung gehen für ziemlich populistisch. Wer sich jetzt vor einer Europawahl hinstellt und gezielt Ängste schürt, statt sich seriös mit dem Thema auseinanderzusetzen mobilisiert damit vielleicht seine Wähler, macht es sich meiner Ansicht nach aber zu leicht: Gar nicht erst zu verhandeln bedeutet nämlich auch, dass wir uns von vornherein der Chancen berauben, die ein gut ausgehandeltes Abkommen bieten könnte. Und damit meine ich keinesfalls nur die Chancen auf wirtschaftliches Wachstum, wenn Handelshemmnisse wegfallen und gerade auch mittelständische Unternehmen einen Marktzugang zu den USA erhalten, weil Bürokratie und Einfuhrzölle wegfallen. Nein ich meine auch die Chancen durch diese Handelspartnerschaft – die schließlich die größte der Welt wäre – unsere Standards global zur Messlatte zu machen und damit die Lebens- und Arbeitsbedingungen auch auf anderen Kontinenten zu verbessern.

Das heißt nicht, dass es Garantien für einen Verhandlungserfolg gibt. Aber ein Verhandlungsergebnis, das unsere sozialen, ökologischen und demokratischen Standards nicht berücksichtigt, müsste schließlich auch erst noch das Europäische Parlament passieren. Denn, auch wenn wir Parlamentarier nicht mit am Verhandlungstisch sitzen: Ohne unsere Zustimmung kann das Abkommen nicht in Kraft treten. Und dass wir dieses Vetorecht notfalls auch einsetzen, haben wir bewiesen, beispielsweise als wir das geplante ACTA-Abkommen abgelehnt haben.

Wichtig ist deshalb jetzt, am 25.Mai dafür zu sorgen, dass das künftige Europäische Parlament die nötigen Mehrheitsverhältnisse hat, um schon während der Verhandlungen deutlich zu zeigen: Gemeinsame Spielregeln in der Weltwirtschaft gerne, aber nur solche, die auch das Leben der Menschen verbessern. Einem Abkommen mit den USA, das auch nur ansatzweise die Lebensmittelsicherheit, den Datenschutz, Arbeitsstandards oder den Gesundheits- und Umweltschutz in der EU untergraben könnte, werden wir Sozialdemokraten ebenso wenig zustimmen, wie einem, das außerstaatliche Klagerechte für Investoren gegen Staaten ermöglicht: Ein Investor-Staat Streitbeilegungsmechanismus (ISDS) ist zwischen Staaten mit entwickelten Rechtssystemen nicht notwendig und hätte bedenkliche Konsequenzen für die hoheitliche Rechtssetzung gerade im Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsrecht.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Rodust