Ulrike Merten
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Frage von Otmar K. •

Frage an Ulrike Merten von Otmar K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Merten,

bisher war ich immer Stolz über den Auftrag in Sachen Polizeiausbildung, den die Deutschen in Afghanistan übernommen haben. Es häufen sich aber mehr und mehr die Berichte, dass die allseits hoch gelobte deutsche Ausbildung ihren Auftrag bei weitem nicht erfüllt. Mein persönlicher Unmut erreichte heute seinen Höhepunkt als ich einen Artikel laß, der Personen aus den "befreiten" Gebieten in Afghanistan zitiert. Unter anderem war dort zu lesen: "For God´s sake do not bring back the Afghan police!"

http://www.afghanistannewscenter.com/news/2009/july/jul122009.html#1

In den Augen der Bevölkerung sind die Taliban bessere Hüter des Gesetzes als die ANP jemals sein wird. Und es finden sich viele in dieser Bevölkerung, die bei einem erneuten Einzug der ANP Seite an Seite mit den Taliban kämpfen werden um nie wieder unter das Joch der ANP zu fallen, nachzulesen im o. gen. Artikel. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr deutsche Ausbilder nach Afghanistan geschickt:

http://www.tagesspiegel.de/politik/international/afghanistan/Afghanistan;art15872,2843395

Eine seltsame Vorgehensweise. Hätte nicht zu Anfang des Einsatzes ein großes Kontingent an Polizeibeamten geschickt werden sollen, das nach und nach reduziert wird und immer mehr eine Beobachterrolle einnimmt? Ich sehe in diesem Verhalten, dass die Bundesregierung ihre Versäumnisse eingesteht. Die Amerikaner senden nun selber mehr Polizeiausbilder. Wie ich finde ein Zeichen, dass die Deutschen ihre Aufgabe bei weitem nicht erfüllen.

http://de.rian.ru/world/20090712/122311709.html

Schon 2007 war das Versagen der deutschen Ausbildung ein heißes Thema: http://www.german-times.com/index.php?option=com_content&task=view&id=2227&Itemid=75

Sehen sie die Aufstockung der Polizeibeamten und das neue Engagement der Amerikaner im Bereich Polizeiarbeit im selben Licht wie ich?

Wie wollen die Koalitionstruppen, je wieder Vertrauen in die örtliche Polizei wecken?

mit freundlichen Grüßen
Otmar Kirchgäßner

Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Otmar Kirchgäßner

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage, mit der Sie mehrere Presseartikel zum Thema Afghanistan und hier insbesondere die Ausbildung der afghanischen Polizei (ANP) kommentieren. Darauf möchte ich Ihnen gerne etwas ausführlicher antworten, auch weil ich weiß, dass das Interesse auch vieler anderen Abgeordnetenwatchnutzer groß ist.

Gut sieben Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes ist man in Afghanistan beim Aufbau der Polizei noch weit entfernt von funktionsfähigen oder gar effektiven Strukturen. Zahlreiche Überläufer – insbesondere im Süden des Landes – und vielfältige Berichte über verbreitete Korruption auch der staatlichen Organe bestätigen dies drastisch.

Wie kam es zu dieser Situation? Deutschland hatte zunächst die Federführung für den Aufbau der Polizei übernommen und setzte hierfür ca. 40 Polizisten ein.

Tom Königs, als UN-Koordinator zuständig für den Wiederaufbau Afghanistans, hielt bereits frühzeitig ca. 2000 Polizisten für diese Aufgabe erforderlich.

Trotz erster Erfolge wurde 2007 erkannt, dass Deutschland den Aufbau
allein nicht bewältigen kann. Nunmehr hat die EU die Verantwortung für
den Aufbau der Afghan National Police (ANP) übernommen (Zielgröße 82.000
Polizisten) und stellt im Rahmen der ESVP-Polizeimission EUPOL ein
Kontingent von 400 Polizisten auf, wovon heute erst ca.200 vor Ort sind.
Deutschland will 120 Polizisten abstellen.

Die USA sehen als vorrangiges Ziel der Polizeiausbildung an, Kräfte für die Aufstandsbekämpfung zu gewinnen. Dafür stellten sie 2007 ca. 2.5 Milliarden USD zur Verfügung. Die amerikanischen Streitkräfte erstellten das Ausbildungskonzept für die Polizeiausbildung und setzen seit 2006 für die Ausbildung ca. 100 Soldaten und ca. 500 Angestellte der Sicherheitsfirma DynCorp ein.

Erkannt wurde, dass es noch einer engen Abstimmung der Ausbildungs- und Einsatzkonzepte für die afghanische Polizei (Gerdarmerie versus Bürgerpolizei) zwischen der USA und der EU bedarf.

Deutschland hat sich dabei (und insbesondere das verantwortliche Bundesinnenministerium) - trotz erster Erfolge (ca. 5000 Polizisten mittlerer und höherer Dienstgrade ausgebildet, über 16.000 Polizisten fachlich fortgebildet) – hier bisher nicht mit Ruhm bekleckert, das zeigt sich schon darin, dass die anfänglich 40 Polizisten durch ca. 40 Feldjäger der Bundeswehr unterstützt werden mussten. Das viel zu geringe deutsche und europäische Engagement für den Aufbau der Polizei hat in den letzten Wochen unter anderen auch der Bundeswehrverband wiederholt kritisiert. Zumal ja auch die nunmehr 400 zugesagten europäischen Polizisten weit entfernt sind von der ursprünglichen Forderung des UN Koordinators nach 2000 Polizeikräften.

Was sind die Ursachen für den schleppenden deutschen Beitrag beim Aufbau der Polizei?

Die Länderpolizeien haben nicht nur gut qualifizierte und hoch motivierte Beamtinnen und Beamte die im Wachdienst, im Ermittlungsdienst und im Verkehrsdienst die täglichen Aufgaben zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bewältigen, sondern halten darüber hinaus auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität und Geschlossene Einheiten sowie Flieger- und Hubschrauberstaffeln für besondere Einsatzlagen vor.

Auch die Bundespolizei und das BKA sind von hohem Einsatzwert. Sie erfüllen eigene Aufgaben, unterstützen die Länderpolizeien bei einzelnen Lagen und leisten damit einen wichtigen Beitrag für den Erhalt der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland.

Die deutsche Polizei hat sich im Besonderen Maße beim Aufbau und Ausbildung der Polizei, insbesondere in den Ländern der ehemaligen Jugoslawischen Republik, große Anerkennung erworben, Polizeiausbildung wurde zu einem Exportschlager. Die Polizei kann zugleich auf die langjährige enge Zusammenarbeit mit der Polizei in Afghanistan aufbauen.

Doch die Abstellung der Polizei für Aufgaben außerhalb Deutschlands im Rahmen von Nation Building, die nur aufgrund freiwilliger Meldung der einzelnen Beamten möglich ist, stößt seit langem an ihre Grenzen.

Denn die Verringerungen der Personalstärken der Länderpolizeien bei · gleichzeitiger Zunahme der Aufgaben führen zu einer hohen Belastung der einzelnen Beamtinnen und Beamten und zwingt die Polizei, sich immer mehr auf ihre Kernaufgaben im Inland zu konzentrieren.

Für Abstellungen der Polizei für Einsätze in Afghanistan gibt es in den Dienststellen keine Personalreserven. Dieses erschwert die Bereitschaft zur Abstellung von Angehörigen der Länderpolizeien für Auslandseinsätze.

Es besteht Handlungsbedarf bei der Bereitstellung der deutschen Polizei für Auslandseinsätze. Die Innenminister der Bundesländer sind gefordert, Personalreserven für Auslandseinsätze zu schaffen und die Attraktivität eines solchen Dienstes zu verbessern. Als Minimum muss gefordert werden, den Abbau der Dienstposten bei den Länderpolizeien (ca. 7000 nach dem 11.September) nicht weiter fortzusetzen.

Dem Bundesinnenminister mit der ihm unterstehenden Bundespolizei ist im
besonderen Maße für Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben gefordert.

Mit dem zur Reduzierung der Grenzsicherungen im Rahmen des Schengener Abkommens ergeben sich Möglichkeiten, Polizeibeamte der Bundespolizei verstärkt auch an multinationalen friedenssichernden und friedenserhaltenden Missionen der VN und der EU zu beteiligen. Erkannt wurde, dass es einen Bedarf auch für robuste Polizeieinsätze an der Nahtstelle zwischen klassischen Störungsbeseitigung und militärischen Kampfhandlungen gibt. Deutschland verfügt, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, nicht über eine Gendarmerieeinheiten, die speziell für Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben im Rahmen von Auslandeinsätzen ausgebildet und geschlossen einsetzbar ist. Vorgeschlagen wird, die Bundespolizei sollte gezielt für Auslandseinsätze ausgebildet und dafür eingesetzt werden können.

Gefordert ist hier insbesondere das Bundesministerium des Inneren.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass bei Stabilisierungsaufgaben und beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen die Polizei eine wichtige Funktion übernehmen muss, weitere Verzögerungen beim Aufbau der Afghan National Police sind nicht vertretbar. Zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit in Afghanistan muss Deutschland und die EU für die Ausbildung und zum Aufbau der Afghan National Police die Anstrengungen erhöhen und mehr Personal und Finanzmittel hierfür bereitstellen. Dass dieses zunehmend auch durch das Innenministerium erkannt wird, machte eine Veranstaltung im Herbst 2008 für Polizisten, die aus dem Auslandseinsatz heimkehrten, deutlich.

Mit freundlichem Gruß
Ulrike Merten MdB