Foto Udo Schiefner
Udo Schiefner
SPD
87 %
33 / 38 Fragen beantwortet
Frage von Ralf B. •

Frage an Udo Schiefner von Ralf B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schiefner,

ich bin über Ihr Abstimmverhalten zur Schaffung einer zentralen Gesellschaft für Autobahnen und Bundesstraßen entsetzt. Langfristig wird das meiner Meinung nach eine Privatisierung der Autobahnen zur Folge haben. Das die Kosten einer ÖPP wesentlich höher für den Bürger ausfallen hat der Bundesrechnungshof ja schon im Voraus errechnet. Ich empfinde das Ergebnis Ihres Verhaltens zu diesem Thema als Enteignung der Bürger, denen ja durch die (üppigen) Steuern die Autobahnen und Schulen gehören.

Als langjähriger SPD-Wähler werde ich bei den folgenden Wahlen sicherlich Ihnen und Ihrer Partei meine Stimme nicht geben.

MfG

Ralf Bansleben

Foto Udo Schiefner
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bansleben,

Sie unterstellen, dass unsere gestrigen Beschlüsse zur Bildung einer Bundesfernstraßengesellschaft langfristig zu Privatisierungen führen würden. Dem will ich widersprechen. Zu dem Thema waren auf den verschiedenen Kampagnenplattformen die wildesten Spekulationen im Umlauf. Ich sende Ihnen ein paar Hintergründe. So können Sie nachvollziehen, warum ich dem Vorhaben schlussendlich doch zugestimmt habe.
Deutschland braucht eine leistungsfähige und flächendeckende Verkehrsinfrastruktur. Dafür braucht es nicht nur Geld, sondern das Geld muss auch effizient eingesetzt werden. Planung, Bau und Erhalt der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen in der jetzigen Auftragsverwaltung der Länder funktionieren jedoch nicht optimal.

Deshalb ist eine veränderte Auftragsverwaltung nun Teil eines umfangreichen Pakets zur Änderung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Alle 16 Landesregierungen und die Bundesregierung haben sich darauf im Herbst letzten Jahres verständigt. Das Paket besteht aus zwei Gesetzentwürfen: einer Änderung des Grundgesetzes sowie allen weiteren Regelungen im Begleitgesetz. Die „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ ist Inhalt beider Gesetzentwürfe.

Eigentlicher Kernpunkt des Gesamtpakets ist jedoch die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020. Enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen. So sollen beispielsweise Schulgebäude saniert und modernisiert werden. 3,5 Mrd. Euro stehen dafür zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird.

Des Weiteren wird der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn das eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. und während bislang maximal 6 Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett.

Schließlich gehört zum Paket die Infrastrukturgesellschaft. Im Gesetzgebungsverfahren haben wir uns immer gegen eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gestellt und diese Position auch durchgesetzt. In den Beratungen in der Bundesregierung hat die SPD eine doppelte Privatisierungsschranke durchgesetzt. In Artikel 90 des Grundgesetzes wird geregelt, dass die Bundesfernstraßen 100prozentiges Eigentum des Bundes bleiben. Gleiches gilt für die Infrastrukturgesellschaft selbst. CDU und CSU wären bereit gewesen, 49 Prozent der Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen.

Im Beratungsverfahren im Bundestag haben wir in schwierigen Verhandlungen zwei zusätzliche Grundgesetzänderungen durchgesetzt: Ausgeschlossen wird zum einen eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften und zum anderen eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Zudem wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften nur als Einzelprojekte bis maximal 100 Kilometer Länge möglich sind. Diese Projekte dürfen nicht räumlich miteinander verbunden sein. Alle theoretisch möglichen Hintertüren für eine Privatisierung sind damit fest verschlossen. Möglichkeiten, private Betreiber und institutioneller Investoren einzubeziehen, die es bislang gab, schließen wir jetzt erstmals rechtlich aus.
Manche Kritiker und manche Kampagne haben absurderweise gerade uns als SPD in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grundgesetzänderungen würden wir die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Türen, die bislang offen standen. Das bestätigt uns auch der Bundesrechnungshof. In seinem jüngsten Bericht vom 24. Mai 2017 kommt er zusammenfassend u. a. zu folgenden Ergebnissen: „… ist jegliche Privatisierung der Bundesautobahnen ausgeschlossen. … enthält Regelungen zur Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft, die die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes berücksichtigen. … soll der Einfluss des Parlamentes auf die Verwaltung der Bundesautobahnen gewahrt bleiben. … Zudem sollen die Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft eingeschränkt sowie stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen verhindert werden.“

In der öffentlichen Diskussion werden viele weitere Aspekte falsch dargestellt. Einige davon will ich kurz richtigstellen:

• Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten, wie andere Bundesgesellschaften auch.

• Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesautobahnen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund.

• Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist aber grob irreführend, „privatrechtlich“ mit „Privatisierung“ gleichzusetzen. Deutschland organisiert zum Beispiel einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat noch niemand behauptet, Deutschland habe seine Entwicklungshilfe privatisiert.

• Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zulässigkeit einzelner ÖPP-Projekte werde die Privatisierung eben doch noch ermöglicht. Erstens: Eine öffentlich-private Partnerschaft ist nicht das gleiche wie Privatisierung.

Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung. Bei einer effizient arbeitenden neuen Gesellschaft wird das seltener der Fall sein als in den jetzigen Strukturen. Drittens: ÖPP bleibt auf Einzelprojekte beschränkt und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetzanderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekte an das andere zu setzen.
Die Reform führt nicht zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme, sondern die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages bleiben gewahrt. Der Bundesrechnungshof unterstreicht die Verhandlungserfolge der SPD-Bundestagsfraktion: „Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen.“ Die bundeseigene Verwaltung verspricht zügigere Baumaßnahmen. Die neue Gesellschaft wird gemeinwohlorientiert für ein effizienteres Autobahn-Netz in Deutschland sorgen.

Mit freundlichen Grüßen
Udo Schiefner

Was möchten Sie wissen von:
Foto Udo Schiefner
Udo Schiefner
SPD