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Tobias Pflüger
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Frage von Carla K. •

Frage an Tobias Pflüger von Carla K. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Lieber Tobias Pflüger,

was betrachtest Du als Friedensforscher als die wichtigsten Aufgaben
der Friedensbewegung in den kommenden Jahren? Was sollte unsere Haltung zu Obama sein? Zum Lissabon-Vertrag und zur EU- und NATO-Osterweiterung? Glaubst Du, dass es Versuche gibt, die Friedensbewegung zu kriminalisieren und was könnten wir dagegen tun?
Liebe Grüße
Carla Krüger aus Berlin

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Antwort von
DIE LINKE

Liebe Carla Krüger,

ich glaube, es wird immer wichtiger werden, dass wir die Zusammenhänge der fortschreitenden Militarisierung nach Außen mit der zunehmenden Militarisierung der Innenpolitik stärker in Verbindung bringen. Beide sind Ausdruck der Krise, in der sich das gegenwärtige kapitalistische System befindet. Je deutlicher diese Krise zu Tage tritt - und je größer auch der Widerstand hiergegen wird -, desto stärker setzen die westlichen Staaten auf Gewalt zur Aufrechtherhaltung der herrschenden Ordnung. Dies betrifft eben nicht nur die Außen-, sondern auch die Innenpolitik. Hieraus ergibt sich auch die zunehmende Repression gegen die Friedens- und Antikriegsbewegung in den letzten Jahren. Um hiergegen etwas tun zu können, ist er vor allem erforderlich, dass die Friedens- und Antikriegsbewegung wieder deutlich stärker mit der Bürgerrechts- und Demokratiebewegung zusammenarbeitet, wie dies gegenwärtig ja etwa bei der Kampagne gegen das neue Versammlungsgesetz Baden-Württemberg und Bayern in Teilen bereits geschieht.

Ich bin gegen den Vertrag von Lissabon, weil er die Militarisierung der Europäischen Union weiter vorantreiben und das neoliberale Wirtschaftsmodell weiter zementieren würde. Die EU-Osterweiterung hat sich darüber hinaus keineswegs als nur segensreich für die neuen Mitglieder erwiesen. So beschreibt etwa Hannes Hofbauer in seinem Buch zur EU-Osterweiterung detailliert, wie dieser Prozess auf Kosten des Großteils der dort lebenden Menschen ging. Insofern ist eine Erweiterung der Europäischen Union dann wünschenswert, wenn sie unter sozial verträglichen Gesichtspunkten erfolgt. Noch klarer ist die Position hinsichtlich der NATO-Osterweiterung. Die NATO ist ein Militärbündnis, das allein die militärische Durchsetzung der Interessen ihrer Mitgliedstaaten im Auge hat. Das lehne ich entschieden ab und deshalb ebenso auch jede Erweiterung dieses Bündnisses.

Zu Barack Obama: Sicher darf man nicht vergessen, dass er in einigen Punkten eine deutlich progressivere Politik als sein Vorgänger verfolgt - etwa was die Wiederaufnahme von Gesprächen zur nuklearen Abrüstung anbelangt. Dennoch sollten viele Positionen Barack Obamas der Friedens- und Antikriegsbewegung Sorge bereiten. Dies betrifft vor allem seine Forderung nach einer deutlich größeren militärischen Unterstützung der USA durch die Verbündeten und die damit einhergehende Stärkung der NATO. Eine solche größere Lastenteilung läuft aber darauf hinaus, dass es in Deutschland Pläne für eine Aufstockung des Bundeswehrkontingents in Afghanistans gibt. Dass Obama außerdem keineswegs ein Pazifist ist, zeigt der gegenwärtige Eskalationskurs in Afghanistan überdeutlich. Insofern warne ich davor, allzu großen Hoffnungen in die Obama-Administration zu setzen. Stattdessen sollte das Handeln der neuen US-Regierung scharf beobachtet werden und nicht davor zurückgescheut werden, friedenspolitisch bedenkliche Schritte wie in Afghanistan auch scharf zu kritisieren. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass es zu einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan kommt.

Mit den besten Grüßen und Wünschen,
Tobias Pflüger