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Frage von Alf N. •

Frage an Ties Rabe von Alf N. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Rabe,

es gibt eine Reihe von Schulen, die im Rahmen des Schulversuchs "selbstverantworte Schule" die Genehmigung erhalten hatten, sich einen Teil der Schülerschaft nach eigenen Kriterien auszuwählen. Dieser Schulversuch ist längst ausgelaufen. Trotzdem hat Herr Senator Wersich ganz überraschend entschieden, diesen Schulen auch für diese Anmelderunde nochmals zu gestatten, Schüler auszuwählen.

Hier in Harburg wird das absehbar dazu führen, dass weiterhin die gut etablierte Stadtteilschule Harburg (ehemals Gesamtschule Harburg) die Sahne-Schüler aussuchen darf und ausgerechnet die neu aus ehemaligen kleinen HR-Schulen entstandenen kleinen Stadtteilschulen (Lessing und Ehestorfer Weg) die Rest-Schülerschar bekommen. So sind sie praktisch schon zum Scheitern verurteilt.

Herr Wersich hat eine eklatante Fehlentscheidung getroffen. Werden Sie diese, falls die SPD Regirungsverantwortung erhält, korrigieren?

Mit besten Grüssen
Alf Noilichs

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SPD

Sehr geehrter Herr Noilichs,

eine Reihe von Schulen haben im Rahmen des Schulversuchs "selbstverantwortete Schule" das Recht, sich einen Teil der Schülerschaft nach eigenen Kriterien auszuwählen. Dieser Schulversuch wurde jüngst von Senator Wersich verlängert.

Der Schulversuch ist nicht unumstritten. Kritiker werfen dem Versuch vor, dass sich einige Schulen Vorteile verschaffen, indem sie besonders leistungsstarke Schüler bevorzugen. Die anderen Schulen müssten dagegen dann die abgewiesenen, weniger leistungsstarken Schüler aufnehmen.

Ich persönlich sehe den Schulversuch differenzierter, erkenne aber gleichwohl eine Reihe offener Fragen, die eine künftige Regierung in Zusammenarbeit mit den Schulen beantworten muss.

Tatsächlich ist es der ursprüngliche Sinn des Schulversuchs gewesen, dass die Schulen ein besonderes pädagogisches Profil ausbilden können. Wenn eine Schule beispielsweise als Schwerpunkt Musik oder Sport in den Mittelpunkt ihre pädagogischen Angebots rückt, dann ist es nur folgerichtig, dass musik- bzw. sportbegeisterte Schüler auch bevorzugt aufgenommen werden sollten.

Diesem gewichtigen Argument steht entgegen, dass nach mir vorliegenden Berichten und Einschätzungen diese sinnvolle und pädagogisch begründete Auswahl in der Praxis aber durchaus zu einer Auswahl nach Leistungsfähigkeit missbraucht werden kann. Diese Entwicklung finde ich falsch. Schulen einer Schulform müssen allen Kindern offen stehen. Es darf nicht dazu kommen, dass einige Schulen sich die leistungsfähigeren Schüler aussuchen, andere Schulen dagegen mit den leistungsschwächeren Schülern arbeiten müssen. Diese Trennung würde dazu führen, dass einige Schulen mit immer schwierigeren Schülern arbeiten müssen, der Unterricht dort immer schwieriger wird und die Schulen überdies einen so genannten "schlechten Ruf" bekommen. Hier wünsche ich mir klare Gleichbehandlung.

In diesem Zusammenhang wird oft das Argument vorgebracht, dass einige herausragende Stadtteilschulen den Schulversuch brauchen, weil sie dadurch leistungsfähige Schüler an sich binden können, die sonst an die Gymnasien abwandern würden. Dieses Argument muss man in der Tat genauer überprüfen, denn die Stadtteilschule ist eine Schule für alle Schüler und alle Schulabschlüsse. Die Stadtteilschule darf nicht eine modernisierte "Haupt- und Realschule" für die weniger leistungsstarken Schüler werden. Im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass künftige Stadtteilschulen vor allem dann erfolgreich sein werden, wenn es ihnen gelingt, Schüler aller Begabungen zu gewinnen. Diese Entwicklung muss durch kluge Schulpolitik gefördert und nicht behindert werden.

Deshalb bin ich nicht prinzipiell gegen diesen Schulversuch, halte aber die derzeitige Praxis für verbesserungsbedürftig. Ziel muss sein, dass pädagogische Profile und Schwerpunkte gestärkt werden, die Stadtteilschule als Schulform gestärkt wird und eine Aufteilung der Schüler auf verschiedene Schulen einer Schulform nach ihrer Leistungsfähigkeit vermieden wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ties Rabe
Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft
Schulpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion