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Thomas Hitschler
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Frage von Birgit D. •

Frage an Thomas Hitschler von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Hitschler,

mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!

Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.

Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibehalten zu wollen.

Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.

Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politiker noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.

Mit freundlichen Grüßen,
B. D.

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Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Frage. Seit dem Jahr 2013 war allen Schweinehalterinnen und Schweinehaltern klar, dass die bisherige Praxis der betäubungslosen Ferkelkastration bei Tieren, die unter 8 Tage alt sind, mit dem Ende des Jahres 2018 verboten ist. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung des Tierschutzgesetzes hätte spätestens mit dem Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vor zwei Jahren der Startschuss für die drei diskutierten Verfahren, Ebermast, Impfung und Kastration unter Vollnarkose fallen müssen.

Leider hat sich das zuständige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit den betroffenen Verbänden, Einzelhändlern und Schlachtereien, entgegen unsere Forderungen zur politischen Diskussion, weggeduckt. Stattdessen haben alle Beteiligten auf den sogenannten vierten Weg gesetzt, der nach deutschem Tierschutzgesetz nicht zulässig ist, da eine Schmerzausschaltung nicht erreicht wird. Das haben wir nicht mitgemacht und werden wir nicht mitmachen! Deshalb standen wir vor der Entscheidung, entweder einer Verlängerung der Frist um maximal zwei Jahre zuzustimmen oder vor allem kleine und mittlere Betriebe in ihrer Existenz zu gefährden. Denn jedes Ferkel, das nicht in Deutschland geboren wird, würde dann kastriert aus europäischen Nachbarländern importiert werden, in denen die Betäubungsgesetze leider nicht strenger sind. Das bedeutet, dass Millionen von Ferkeln über Tausende von Kilometern transportiert werden. Das wollen wir nicht. Wir wollen die Standards für unsere Lebensmittelerzeugung selbst setzen. Deshalb haben wir der Verlängerung der Übergangsfrist zugestimmt und rechtssicher festgelegt, dass spätestens am 31. Dezember 2020 endgültig Schluss mit der betäubungslosen Ferkelkastration ist und Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen. Dabei werden wir von Verbänden wie zum Beispiel der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft unterstützt. Diese setzt sich seit Jahren für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft ein.

Wir haben das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Gesetz dazu verpflichtet, bis zum 30. Mai 2019 die Verordnung über die Sachkunde und die Anwendung von alternativen Methoden zur Ferkelkastration vorzulegen.

Wir sorgen dafür, dass der hohe Tierschutzstandard von Neuland (Betäubung mittels Masken) zukünftig bundesweit als praxistaugliche Alternative zur Verfügung steht.
Wir werden eine Informationskampagne durchführen, damit auch andere Alternativen wie die Ebermast oder Impfung (Immunokastration) eine realistische Chance am Markt bekommen.

Wir werden die Ferkelzüchtenden bei der Einführung der neuen Betäubungsmethoden unterstützen. Durch eine Informationskampagne und ein Förderprogramm zur Unterstützung bei der Anschaffung der Narkosegeräte werden wir vor allem kleine und mittlere Betriebe unterstützen.

Wir werden in einem Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf festhalten, dass wir nun endlich auch beim Kupieren von Schwänzen und Enthornen von Tieren den Ausstieg einläuten.
Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, dass spätestens am 31.12.2020 endgültig Schluss ist mit der tierschutzwidrigen betäubungslosen Ferkelkastration.

Darüber hinaus werden wir sehr genau darauf achten, welche Kriterien bei der staatlichen Tierwohlkennzeichnung angelegt werden. Sowohl die Ferkelaufzucht als auch die Sauenhaltung müssen in die staatliche Tierwohlkennzeichnung bereits in der Eingangsstufe einbezogen werden und über dem gesetzlichen Standard liegen. Die Übergangsfrist soll nicht für die kommende Tierwohlkennzeichnung gelten.

Und wir wollen, dass eine umfassende Nutztierhaltungsstrategie mit allen beteiligten Interessenvertretern erarbeitet und vereinbart wird. Diese Nutztierstrategie muss die verschiedenen „Baustellen“ des notwendigen Umbaus in der Schweinehaltung umfassen und zu rechtssicheren und für die Betriebe auch finanziell attraktiven Regelungen bis hin zum Förderrecht führen.

Ich hoffe dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und stehe Ihnen gerne weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hitschler

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