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Thomas Hitschler
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Frage von Ulf S. •

Frage an Thomas Hitschler von Ulf S.

Sehr geehrter Herr Hitschler,

warum glauben Sie, dass es wichtig ist, dass über jedem Bürger und Haushalt eine digitale Akte seiner Verbindungsdaten vorgehalten werden muss? Ist Ihnen die bislang nicht nachgewiesene "Erhöhung" der Sicherheit eine solche Beschneidung der Grundrechte wert? Muss ich in Zukunft 10 mal drüber nachdenken mit wem ich digital in Kontakt trete, weil mir mal der falsche Kontakt auf die Füsse fallen könnte, oder kann mir durch Manipulation von Verbindungsdaten ein Strick gedreht werden, weil man mir Verbindungsdaten unterjubelt? Oder können Sie die Hand dafür ins Feuer legen, das Verbindungsdaten nicht manipulierbar sind? Wieviele Tote gab es auf Grund von Terrorismus, der als Grund für dieses Gesetz herhalten muß, und wieviele ähnliche Gesetze werden mit ähnlich in die Grundrechte einschneidenden Maßnahmen beschlossen, die wesentlich größere Opferzahlen hervorbringen, wie zum Beispiel Alkoholkonsum, Nikotinkonsum und Autofahren, um nur einige Beispiele zu nennen? Sollten Abgeordnete die zweimal für die VDS gestimmt haben, nach einer weiteren Ablehnung durch verfassungsschützende Institutionen, dauerhaft ihre politischen Ämter niederlegen, da sie ja erwiesenermaßen wiederholt nicht die Grenzen unserer Verfassung und der EU-Menschenrechtscharta erkennen? Mir ist Freiheit immer das höhere Gut, wenn ich zwischen Freiheit und Sicherheit wählen müsste. Als gelernter DDR-Bürger habe ich anlasslose Beobachtung kennengelernt und habe eben diese Werteabwägung für mich so getroffen.

Mit freundlichen Grüßen

Ulf Scheiwer

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Sehr geehrter Herr Scheiwer,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich alle zu beantworten versuche.
Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass jeder Eingriff in die Privatsphäre genau geprüft werden muss. Von daher habe ich für mich sehr genau geprüft, ob mit der Eingriff, denn das neue Gesetz verursacht, das Mehr an Sicherheit wert ist. Ohne die im Gesetzgebungsverfahren eingefügte Evaluierungsklausel, die eine Überprüfung der Auswirkungen des Gesetzes vorschreibt, hätte ich dem Gesetz vermutlich nicht zugestimmt.
Ich glaube, dass es wichtig ist, den Strafverfolgungsbehörden die entsprechenden Werkzeuge an die Hand zu geben, um neuen Formen der Kriminalität zu begegnen. Dabei halte ich Terrorismus für weniger relevanten Grund für das Gesetz, als beispielsweise Hacking oder Phishing. Bei diesen Verbrechen kommt es häufig darauf an, den Urheber durch digitale Spuren identifizieren zu können.
Zugreifen auf die Daten darf im begründeten Fall eine Strafermittlungsbehörde, nachdem durch ein Gericht der Zugriff erlaubt wurde. Von daher gleicht die Vorratsdatenspeicherung nach dem jetzt verabschiedeten Gesetz eher einer Regelung für Durchsuchungsbefehle, als einem Datenkraken.
Generell sollte jeder von uns nachdenken, bevor er digitale Daten irgendeiner Art versendet. Diese Daten wurden nämlich auch schon vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes gespeichert. Es wird nämlich keine staatlichen Serverfarmen geben, auf denen Bürgerdaten gespeichert werden. Mit dem Gesetz werden die Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen, also Internetprovider und Handyanbieter, dazu verpflichtet, die oben genannten Daten zu speichern. Das tun sie ja bisher ohnehin schon, andernfalls wäre beispielsweise eine Rechnungsstellung nicht möglich.
Durch das neue Gesetz werden die Speicherfristen vereinheitlicht. Maximal soll diese bei zehn Wochen, bei den meisten Daten nur bei vier Wochen liegen. Verstößt ein Unternehmen dagegen, werden Strafen von bis zu € 500000 fällig. Vergleichbare Strafen sind ebenfalls vorgesehen, wenn unrechtmäßig auf Daten zugegriffen wird, was Manipulationen mit einschließt. Digitale Daten sind grundsätzlich manipulierbar. Das zu bestreiten wäre naiv. Aber durch die Regelungen des neuen Gesetzes tragen wir dieser Tatsache Rechnung.
Ihre Frage mit dem Vergleich von Terrorismus und Alkoholkonsum habe ich, offen gesagt, nicht verstanden. Sie können mir aber gerne per E-Mail (thomas.hitschler@bundestag.de) noch einmal schreiben, wie Sie diesen Teil gemeint haben.
Abschließend bin ich nicht der Ansicht, dass gewählte Volksvertreter ihre Ämter niederlegen sollten, sobald ein Gesetz durch die Judikative abgelehnt wird. Zumal sich das jüngst beschlossene Gesetz inhaltlich deutlich von der Vorratsdatenspeicherung unterscheidet, die das Bundesverfassungsgericht gekippt hat (kürzere Speicherzeiten, weniger umfangreiche Erfassung). Die EU-Grundrechtscharta, auf die Sie sich weiter beziehen, lässt nach Artikel 7 und 8 im Bereich des Datenschutzes übrigens viel Spielraum für nationale Gesetzgebungen. Dies entspricht auch der Regelung nach Artikel 10 des Grundgesetzes.
Das Bundesverfassungsgericht wird sich sicherlich mit der Vorratsdatenspeicherung in der aktuellen Version auseinandersetzen. Ich gehe nicht davon aus, dass das jetzt verabschiedete Gesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Andernfalls hätte ich dem Entwurf nicht zugestimmt. Warten wir also die Karlsruher Entscheidung ab.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hitschler

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