Thomas Bergmann
ÖDP
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Frage von Elisabeth G. •

Frage an Thomas Bergmann von Elisabeth G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bergmann,

"die ÖDP ist die einzige Partei, die frei von Firmen- und Verbandsspenden arbeitet..." - so steht es im Programm der ÖDP. Meine Fragen dazu:

- können Sie Beispiele nennen, wie durch Spenden aus der Wirtschaft an Parteien Einfluss ausgeübt wird und die Demokratie dadurch beschädigt wird

- gibt es überhaupt Möglichkeiten, das zu unterbinden

- wie schafft die ÖDP ihre Arbeit ohne solche "Spenden"?

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort,

mit freundlichen Grüßen
E. G.

Antwort von
ÖDP

Sehr geehrte Frau Gerster,

gerne beantworte ich diese Frage(n).

Vielleicht hatten Sie auch mal eine Lieblingstante, weil diese Ihnen bei jedem Besuch etwas geschenkt hat.

Sie kennen sicher das Sprichwort: Ein Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Und Ihnen hat man früh beigebracht, dass man sich bedankt, wenn einem jemand etwas schenkt.

Nun gab es in Deutschland große Parteispendenskandale in den 1990er Jahren und das Parteiengesetz (Spenden über 50.000 Euro müssen angezeigt werden (Parteiengesetz, §25) und werden durch die Bundestagsverwaltung veröffentlicht) wurde 2002 geändert, was nicht heißt, dass seither alles gut ist.

Also, hier erst einmal ein Beispiel:

BMW-Anteilseigner Johanna Quandt, Stefan Quandt und Susanne Klatten

Die BMW-Anteilseigner Johanna Quandt und ihre Kinder Stefan Quandt und Susanne Klatten spendeten der CDU kurz nach der Bundestagswahl am 9. Oktober 2013 je 230.000 Euro, der FDP je 70.000 Euro. Die Spenden waren den Parteien schon lange vor der Wahl angekündigt worden und wurden herausgezögert, um eine öffentliche Debatte darüber während des Wahlkampfs zu vermeiden. Die Spenden erfolgten in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer Neuregelung der europäischen Abgasnorm. Die Bundesregierung hatte im Juni 2013 die Verabschiedung der Neuregelung vertagt. Am 14. Oktober, d.h. einen Tag nach Bekanntwerden der Quandt-Spenden, verschob die Bundesregierung bei einem Treffen der europäischen Umweltminister in Luxemburg erneut eine Einigung auf strengere Abgasnormen für Autos in Europa. Ziel der Bundesregierung war es, die Einführung neuer Richtlinien über einen längeren Zeitraum zu strecken, was vor allem im Interesse von Oberklasse-Herstellern wie Daimler und BMW war. Nach einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion vom 30. August 2013 hatte Susanne Klatten am 6. Dezember 2011 und am 26. November 2012 an Gesprächsrunden von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) teilgenommen. Zudem traf sich der damalige Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden (CDU) mindestens sieben Mal in der Wahlperiode mit Vertretern der Automobilindustrie. Unmittelbar nach der Wahl wurde Klaeden Cheflobbyist von Daimler.               

(aus: lobbypedia.de/wiki/Parteispenden)

 
Übrigens, Daimler AG hat 2013 im April je 100.000 Euro an CDU und SPD überwiesen  ... und im April 2014 wieder ...  und im Mai 2015 wieder ... (Quelle hier: bundestag.de --> Suche: Parteispenden 2013 usw.)

Schadet so etwas der Demokratie? Nun, meiner Ansicht nach schon, denn

- der Weg zu Korruption ist kein weiter mehr ( So fordert die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) seit 2009 Änderungen am deutschen System und leitete 2011 sogar ein Mahnverfahren ein. )
- Politiker (und die kommen zu 99,9% aus Parteien) sollen zum Wohle der Menschen Entscheidungen treffen, denn von ihnen haben sie ihr Mandat, ihnen sind sie Rede und Antwort pflichtig.
- die von Unternehmen und Unternehmern versuchte Einflußnahme durch Parteispenden und die daraus ggf. resultierenden Entscheidungen der Politiker können aber im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Bevölkerung stehen, denken wir an Verbraucherschutz, Klimaschutz, allgemeine Daseinsvorsorge, usw.
- und das bedeutet, dass demokratische Wahlen ihre Funktion einbüßen, wenn die gewählten Politiker die ihnen vom Volk auf Zeit gegebene Gewalt nach den Interessen weniger einsetzen.

Nun zum zweiten Teil Ihrer Frage, ob man überhaupt etwas dagegen tun kann:

Forderungen von LobbyControl (lobbycontrol.de) zur Parteienfinanzierung

Für eine transparentere, verfassungskonforme Parteienfinanzierung fordert LobbyControl, dass

- die Veröffentlichungsgrenzen für Parteispenden deutlich gesenkt werden. Spenden ab 10.000 Euro sollen sofort nach Spendeneingang offengelegt werden (bisher: ab 50.000 Euro). Bei Spenden ab 2.000 Euro sollen Spender namentlich in den Rechenschaftsberichten der Parteien genannt werden. Bisher liegt diese Veröffentlichungsgrenze bei 10.000 Euro, so bleiben bis zu 75 Prozent der Spenden juristischer Personen anonym (siehe: Finanzierung aller Parteien im Bundestag).
- im Parteiengesetz (PartG) Regelungen zum Parteisponsoring ergänzt und alle Formen von Parteiensponsoring umfassend offengelegt werden.
- Sponsorenzahlungen ab 10.000 Euro sofort und ab 2.000 Euro im Rechenschaftsbericht mit Nennung der Sponsoren und der Gegenleistung seitens der Partei offengelegt werden.
- für Spenden und Sponsoring eine Obergrenze von 50.000 Euro pro Spender bzw. Sponsor und Partei gilt.
- Direktspenden an parteigebundene Abgeordnete ganz verboten werden.
- die Einhaltung der Regeln durch ein unabhängiges Gremium kontrolliert wird.

Weitere wünschenswerte Verbesserungen:

- In den Rechenschaftsberichten der Parteien sollte aufgeführt werden, wenn Spenden an eine Untergliederung der Partei gingen, so dass die gezielte Förderung einzelner Abgeordneter und deren Wahlbezirke durch einzelne Firmen oder Verbände erkennbar wird.
- Die Spendendaten sollten nicht nur als pdf-Dateien veröffentlicht werden, sondern in einer öffentlich zugänglichen Datenbank, die durchsuchbar ist und Bürger/innen Auswertungen ermöglicht (z.B. Gesamtspenden eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum).
- Die Regeln für die Parteienfinanzierung sollten potentielle Umgehungsstrategien von vornherein aufgreifen und möglichst weitgehend erfassen. Es muss z.B. Regeln zum Spendensammeln durch Lobbyisten oder Unternehmen geben (in den USA „Bundeling“ genannt). Auch Aspekte wie das geschäftliche Engagement der Parteien oder Kredite an Parteien müssen bedacht werden.

(aus: lobbypedia.de/wiki/Parteispenden)

 

Ganz ähnlich lesen sich die Seiten 81-83 des aktuellen bundespolitischen Programms der ÖDP, oder kurzgefasst ist das auf der homepage menschvorprofit.de nachzulesen. Und auch hier gilt:

Wer (für unabhängige Politik durch unabhängige Parteien) kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren.

 

Nun zu Ihrer letzten Frage, wie die ÖDP ihre Arbeit auch ohne solche Spenden hinbekommt:

 

Ich möchte fast sagen,

mit Idealismus,

dem Glauben an eine bessere Welt,

dem Mut der Verzweiflung,

der Einsicht, dass es das gute Beispiel geben muss,

dem meist unerschöpflichen Einsatz von Mitgliedern

und

der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung, die bei Bundestagswahlen ab 0,5% der abgegebenen Stimmen erteilt wird

und ca. 1 Euro pro erhaltener Stimme ausmacht. Deshalb ist für uns, auch wenn wir nicht über 5% kommen, jede Stimme wichtig.

 

So, ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Bergmann