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Thomas Bareiß
CDU
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Frage von Andreas S. •

Frage an Thomas Bareiß von Andreas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Bareiß,

am 8. September 2009 soll im Bundestag ein Gesetz verabschiedet werden, welches den so genannten Lissabonner Vertrag der Europäischen Union für Deutschland rechtsverbindlich macht.

Die deutsche Bevölkerung würde den Lissabon-Vertrag in einem Referendum klar ablehnen.
http://aristo.excusado.net/comments.php?y=09&m=07&entry=entry090711-161106

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Mit freundlichem Gruß
Andreas Straubinger

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Straubinger,

vielen Dank für Ihre Frage bezüglich des Vertrages von Lissabon.

Gerne erläutere ich Ihnen die Verbesserungen für die EU-Bürger, die mit dem Inkrafttreten des Vertrages eintreten werden:

Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Demokratie ist die Stärkung des Europäischen Parlaments sowie der nationalen Parlamente. Ersteres erhält zum Beispiel die volle Mitwirkung in der europäischen Gesetzgebung neben dem EU-Ministerrat. 95 Prozent aller EU-Gesetze werden künftig im Zusammenwirken zwischen dem Ministerrat (mit den Ministern aller EU-Staaten) und dem direkt gewählten Europäischen Parlament beschlossen. Zudem darf das EU-Parlament auch bei der Zusammensetzung der EU-Kommission mitbestimmen.
Das deutsche Parlament bekommt die Möglichkeit, formell Einspruch zu erheben, wenn wir zu der Auffassung kommen, dass die Initiativen der Europäischen Kommission unverhältnismäßig sind oder über die ihr durch die Verträge zugewiesenen Zuständigkeiten hinausgehen. Konkret erhalten nationale Parlamente das Recht zur Subsidiaritätseinrede und zur Subsidiaritätsklage.

Die Subsidiaritätskontrolle wie sie bereits in Artikel 5 des EG-Vertrages niedergeschrieben ist, ist eines der wichtigsten Grundsätze der EU-Politik überhaupt. Sie dient der Erhaltung der Eigenständigkeit der EU-Staaten und stellt somit eine wichtige Schranke dar, an der sich alle Tätigkeiten im Rahmen der EU ausrichten müssen. Der Vertrag von Lissabon hält weiterhin an diesem Grundsatz fest (I-12 VVE). Artikel 5 lautet: „In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.“ Die Subsidiaritätskontrolle zwingt zudem die Kommission, schon in der Planung von Gesetzgebungsprozessen genau zu überlegen und zu begründen, ob und inwieweit eine Initiative gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

Deutschland braucht die EU, so wie die EU alle Mitgliedsländer braucht, um sich gemeinsam gegen Finanzkrisen in der Welt behaupten zu können. Es ist nicht nur ein Motto „Gemeinsam sind wir stark“, sondern es entspricht der Wirklichkeit. Die Europäische Union trägt nicht nur wesentlich zur Stabilität der Finanzmärkte in Europa bei und erweist sich damit als ein Erfolgsmodell, sondern es fördert zudem die Weiterentwicklung und Verbesserung zahlreicher anderer Bereiche, z.B im Bereich des Verbraucherschutzes. Je harmonischer die Regelungen in den einzelnen Ländern sind, desto effektiver ist das Handeln der EU insgesamt. Diese Effektivität erweist sich bereits als Waffe gegen mögliche Finanzkrisen.

Über 80 Prozent der deutschen Exporte gehen in Mitgliedsländer der EU. Aufgrund der hohen Bedeutung der Exportwirtschaft für Deutschland kann man daher ohne Übertreibung sagen, dass die EU der Garant für den Wohlstand in Deutschland darstellt. Dafür aber muss sie angesichts der Vergrößerung auf 27 Mitgliedsländer handlungsfähig bleiben. Das wird durch den Vertrag von Lissabon gewährleistet.

Die EU ist nicht nur in dieser Hinsicht ein Erfolgsmodell. Es ist der EU zu verdanken, dass es seit ihrem Bestehen in Europa keine größeren Kriege mehr gegeben hat, die zuvor diesen Kontinent in regelmäßigen Abständen heimgesucht haben.

Im Vertrag von Lissabon heißt es weiter zur Sicherheits- und Friedenspolitik: Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern. Weiter heißt es dann, dass die EU in ihren Beziehungen zur übrigen Welt einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern leistet. Insbesondere wird auch auf die Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen hingewiesen.

Zudem legt der Vertrag sinnvollere Abstimmungsmodalitäten im Ministerrat fest, verschlankt die Institutionen der EU, stärkt die Mitspracherechte des Europäischen Parlaments entscheidend, führt die EU-Grundrechtecharta als rechtsverbindlich ein und stärkt über das Recht zur Subsidiaritätsklage auch die Kontrollrechte nationaler Parlamente. Die EU ist immer als Prozess zu sehen und in diesem Prozess ist der Vertrag von Lissabon ein wichtiger Schritt.

Dieser enthält einen weiteren entscheidenden, für die EU-Bürger wichtigen Punkt, nämlich die Verbesserung der Demokratie. Mit dem europäischen Volksbegehren wird zum ersten Mal ein Element der direkten Demokratie auf europäischer Ebene eingeführt. Künftig können Bürgerinnen und Bürger mit einer Million Unterschriften aus einer „erheblichen Anzahl“ von EU-Mitgliedsländern die EU-Kommission auffordern, einen Gesetzesvorschlag zu machen. Angesichts der Größe und Komplexität der europäischen Strukturen ist dies ein wichtiger Schritt, um die Menschen stärker in die Brüsseler Politik einzubinden.

Die Koalitionsfraktionen haben sich während der Sommerpause auf die neue Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon geeinigt. Dies war notwendig geworden, nachdem der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am 30. Juni 2009 das alte Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (sog. Begleitgesetz) teilweise für verfassungswidrig erklärt hatte. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung dem Vertrag von Lissabon grundsätzlich zugestimmt. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht ganz klar herausgestellt, dass beim richtigen, das heißt verfassungsgemäßen Verständnis des Vertrages, keineswegs die Weichen für den Bundesstaat Europa gestellt sind, sondern dass es sich vielmehr weiter um ein Bündnis souveräner Staaten handelt, in dem sie auf überschaubare Weise koordiniert zusammenarbeiten. Die Regierungen der Länder können nicht ohne Beteiligung der Völker und selbst ohne Beteiligung der Parlamente Europa nach ihrem Willen grundlegend umgestalten. Damit kann Deutschland dem Vertrag erst dann zustimmen, wenn das entsprechende Begleitgesetz novelliert ist.

Das Gericht hatte insbesondere moniert, dass Bundestag und Bundesrat im Rahmen von europäischen Rechtssetzungs- und Vertragsänderungsverfahren keine hinreichenden Beteiligungsrechte eingeräumt wurden. Die Ratifikationsurkunde der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Lissabon darf solange nicht hinterlegt werden, wie die von Verfassungswegen erforderliche gesetzliche Ausgestaltung der parlamentarischen Beteiligungsrechte nicht in Kraft getreten ist. Als Ergebnis der Beratungen liegen nun vier Gesetzentwürfe vor, die in dieser Woche in den Deutschen Bundestag eingebracht wurden.

Es gilt, die Rechte des Parlaments zu stärken. Die Funktion des neuen Begleitgesetzes ist es, die verfassungsrechtlich gebotenen Beteiligungsrechte der gesetzgebenden Körperschaften am europäischen Integrationsprozess abzubilden und zu konkretisieren. Ich als Mitglied des Ausschusses für Europäische Angelegenheiten im Deutschen Bundestag werde mich aktiv an der Stärkung der Rechte des Parlaments beteiligen.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Bareiß MdB

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