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Theresia Bauer
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Frage von Rainer M. •

Frage an Theresia Bauer von Rainer M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Bauer,
schon seit einigen Jahren gibt es in der hochschulpolitischen Debatte Bestrebungen, das Wissenschaftssystem stärker an die Erfordernisse anzupassen, die aus den „Großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ (Klimawandel, Ernährungssicherheit, demographische Entwicklung und Ressourcenverknappung) resultieren. Damit stellt sich für Mitglieder von Hochschulen natürlich die Frage, welche Konsequenzen daraus in den kommenden Jahren für ihre Arbeit resultieren werden.

Ich wäre Ihnen deshalb dankbar wenn Sie mir Ihre hochschulpolitischen Ansichten zu folgenden Fragen mitteilen würden:

1. Sollten staatliche Hochschulen zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen sich in Zukunft stärker normativ profilieren, indem sie sich offen zu bestimmten wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen (z.B. Nachhaltige Entwicklung, sozial- und umweltpolitische Mindeststandards, Corporate Social Responsibility) in Form eines Leitbildes bekennen, oder plädieren Sie für die Beibehaltung des Prinzips der weltanschaulichen Neutralität von Hochschulen?

2. Halten Sie es für wünschenswert, dass Hochschulen ihre jeweilige Werteorientierung auch in ihren Lehrplänen verankern?

3. Sehen Sie einen Zielkonflikt zwischen einer weltanschaulichen Profilierung von Hochschulen und den Grundrechten von Hochschulmitgliedern (insbes. GG Art 5 (3), GG Art 4 (1))?

Mit freundlichen Grüßen,
Rainer Maurer

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Maurer,

vielen Dank für Ihre hoch aktuellen Fragen, die ich gerne wie folgt beantworte:

Frage 1 und 2:

Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass die großen Fragen unser Zeit, wie zum Beispiel die der Nachhaltigkeit nur mit Hilfe technischer und sozialer Innovationen gelöst werden können, für die Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen unverzichtbar sind. Wir dürfen und wir müssen der Wissenschaft zumuten, sich mit den großen Fragen der Gesellschaft zu beschäftigen. Die Wissenschaft wird dafür gebraucht und Baden-Württemberg fördert entsprechend neue Formen der Wissensgenerierung, etwa hinsichtlich der besonderen interdisziplinären Struktur der Nachhaltigkeitsproblematik (Förderlinie Reallabore). Hinsichtlich der Verankerung bestimmter Herausforderungen in einem Leitbild oder in der Lehre verweise ich auf die Hochschulautonomie, die es den Hochschulen überlässt, inwieweit sie sich in dieser Form an übergeordneten Herausforderungen orientieren.
Über die Institution hinaus stehen aus meiner Sicht übrigens auch die einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Verantwortung, sich in aktuelle gesellschaftliche Debatten einzubringen. Als positives Beispiel möchte ich die „Mainauer Erklärung 2015 zum Klimawandel“ einiger Nobelpreisträger nennen: http://www.lindau-nobel.org/de/die-mainauer-deklaration-2015-zum-klimawandel/

Frage 3:

Orientierung an großen gesellschaftlichen Herausforderungen darf jedoch nicht heißen, dass disziplinäre Forschung oder Grundlagenforschung an Legitimation verlieren oder dass nun jedes Forschungsprojekt außerwissenschaftliche Akteure einbeziehen müsste. Zu dieser Frage des Zielkonflikts erscheint mir das jüngste Positionspapier des Wissenschaftsrats „Zum wissenschaftspolitischen Diskurs über große gesellschaftliche Herausforderungen“ bedenkenswert, in dem neue Formen der Wissensproduktion und zugleich die Grundlagenforschung als besonderer Ausdruck der freien und ungerichteten Wissenschaft betont wird, die ihrem Namen entsprechend die Grundlage für die Bearbeitung der Herausforderungen unserer Zeit legt. Wir dürfen Wissenschaft nicht engführen - wegen der verfassungsrechtlichen Garantie auf Forschungs- und Lehrfreiheit, aber auch weil wir sie dann um ihre spezifische Stärke berauben. Denn wir wissen nicht, was die großen Fragen von morgen sein werden. Und es ist an der Wissenschaft ebenso wie an allen anderen Teilen der Gesellschaft, beständig darüber zu reflektieren, welche Fragen zu bearbeiten sind und auch immer wieder neu zu prüfen, ob es noch die Richtigen sind.

Herzliche Grüße
Theresia Bauer MdL

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