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Terry Reintke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Terry Reintke von Reinhard G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Reintke,

Die "Europäischen "Partnerschafts"abkommen" mit bestimmten Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten sollen derzeit (u.a. auch im Bundestag) ratifiziert werden. Sie wurden nicht auf Augenhöhe abgeschlossen.

Brauchen nicht wirtschaftlich schwächere Staaten die Möglichkeit, ihre Wirtschaft durch Schutzzölle und Einfuhrbeschränkungen zu schützen? Nur ein Beispiel: Geflügelteile, die sich in Europa nicht verkaufen, werden tief gefroren und nach Afrika exportiert. Dort machen sie den afrikanischen Geflügelzüchtern zu starke Konkurrenz. Außerdem gefährden sie die Gesundheit, da die Kühlkette unterbrochen wird.

Bei den EPAs geht es nicht nur um Zölle, sondern unter anderem auch, ähnlich wie beim geplanten Handelsabkommen TISA, um Dienstleitungen. Zum Beispiel: internationale Leiharbeit und Finanzdienstleistungen. Ärmere Länder werden jetzt schon ausgeplündert, indem von ausländischen Banken hohe Kreditzinsen (30 % und mehr) verlangt werden. Glauben Sie, dass westliche Großbanken durch die EPAs an den "südlichen Ländern" noch stärker verdienen werden?

Was sagen Sie zu dem Lohndumping durch internationale Leiharbeit - wenn dabei nach dem schlechteren Tarif bezahlt wird? Und zu den Hungerlöhnen, die westliche Konzerne in den südlichen Ländern zahlen? Flüchten Menschen nicht auch, weil ihnen wirtschaftlich die Lebensgrundlage genommen wird? Was sagen Sie zu dem Vorschlag, dass Flüchtlinge in Deutschland nicht mal den Mindestlohn erhalten sollen?

EPA hat noch viel mehr negative Auswirkungen. Einige werden auf den "EPA Factsheets" der "Stop EPA"-Kampagne angesprochen: www.stopepa.de/img/factsheet_EPAs.pdf
Wie stehen Sie zu den EPA-Abkommen? 

Bestimmt kennen Sie das "Alternatives Handesmandat". Dabei haben sich Experten von Gewerkschaften und anderen Organisationen zusammengeschlossen, um Alternativen zur Handelspolitik zu erarbeiten. Was halten Sie von den Vorschlägen vom Alternativen Handelsmandat?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Anfrage!

Mit dem Cotonou-Abkommen (2000) wurde festgelegt, dass die einseitigen Zollpräferenzen, die die EU den ehemaligen Kolonien in Afrika, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) gewährt hat, durch sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPA) abgelöst werden, die seit 2002 verhandelt werden. Mit den EPAs sollen die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und den AKP-Staaten mit dem Welthandelsrecht vereinbart werden.

Wir Bündnisgrünen lehnen die Entscheidung der EU, nur noch den Ländern Handelspräferenzen zu gewähren, die eine klare Absicht zur Ratifizierung der Abkommen erkennen lassen, als Erpressung ab.

Die ohnehin geringen Staatseinnahmen der AKP-Staaten werden durch den Abbau von Zöllen und anderen Importschranken erheblich reduziert, die an anderer Stelle fehlen werden (z. B. Investitionen in Bildung und Infrastruktur) und langfristig die nachhaltigen Entwicklung der AKP-Staaten erheblich beeinträchtigen. Außerdem werden die heimische Industrie, das Handwerk und die Märkte durch Billigimporte aus der EU noch stärker belastet. Nicht zuletzt das von Ihnen benannte Beispiel – EU-Geflügelreste, die billig nach Afrika exportiert werden und die lokale Konkurrenz vertreiben – macht deutlich, dass die Liberalisierung von Handelsbeziehungen in ihrer derzeitigen Form maßgeblich zu Lasten der AKP-Staaten geht und eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik umso dringlicher ist. Vor diesem Hintergrund sollte sich die EU eingestehen, dass nicht alle AKP-Staaten eine EPA abschließen werden und vielmehr Alternativen für diejenigen Staaten und Regionen schaffen, für die eine EPA keinen entwicklungspolitischen Beitrag erwarten lässt.

Ferner fordern wir Bündnisgrüne, dass Nachhaltigkeitsklauseln in den Abkommen, sozial-ökologische und menschenrechtliche Folgenabschätzungen vor Aufnahme von Verhandlungen sowie periodische Überprüfungen ihrer Konsequenzen nach deren Abschluss eingeführt werden. Wir brauchen faire Abkommen, die den Ländern des Globalen Südens nicht die Macht zur Regulierung nehmen und legitime Schutzinteressen anerkennen.
Die undurchsichtige Verhandlungsführung der Europäischen Kommission ist höchst kritikwürdig. Wir brauchen Transparenz und mehr parlamentarische Mitbestimmung in der EU-Handelspolitik!

In Ihrer Anfrage haben Sie außerdem das alternative Handelsmandat angesprochen, welches von einer Allianz von Nichtregierungsorganisationen vorgelegt wurde. Wir Bündnisgrüne begrüßen diese Initiative und die darin beinhalteten Forderungen. Ich lade Sie herzlich ein, meiner Kollegin im Europäischen Parlament, Ska Keller, zu folgen. Sie setzt sich im Ausschuss für internationalen Handel (INTA) entschieden gegen TTIP und TISA ein.

Dem Vorschlag, geflüchteten Menschen Löhne unterhalb der Mindestlohngrenze zu zahlen, um die Arbeitsmarktintegration zu fördern, erklären wir Bündnisgrüne eine klare Absage. Dies ist nicht nur eine untaugliche Idee, sondern auch ein Nährboden für Ressentiments, wie bereits auch meine Kollegin Brigitte Pothmer, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, im September in einer Pressemitteilung erklärte.

Herzliche Grüße
Terry Reintke

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