Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael B. •

Frage an Tabea Rößner von Michael B. bezüglich Finanzen

Im Eilverfahren (quasi über Nacht) soll mit einer Grundgesetzänderung die Möglichkeit geschaffen werden, öffentliche Einrichtungen bzw. Infrastruktur (Autobahnen) zu privatisieren. Wie stehen Sie zu dieser "Verschleuderung" von Volksvermögen zugunsten von Privatunternehmen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bauer,

Ihrer Kritik kann ich nur zustimmen: Die Koalition hat das Thema über die gesamte Wahlperiode verschleppt, obwohl bereits lange klar war, dass die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geregelt werden müssen. Erst Ende 2016 wurde - ohne jede Beratung im Bundestag oder durch ExpertInnen - in einer Hinterzimmerabsprache zwischen der Bundesregierung und den MinisterpräsidentInnen der Länder eine Einigung ausgehandelt. Dieses Hauruck-Verfahren wurde einer gründlichen parlamentarischen Beratung eines so wichtigen Themas nicht ansatzweise gerecht.

Dennoch haben wir uns nach besten Möglichkeiten inhaltlich mit den geplanten Änderungen auseinandergesetzt: Immerhin 13 Grundgesetzänderungen standen auf der Tagesordnung. Was die von Ihnen angesprochenen Aspekte zur Infrastruktur (Autobahnen) betrifft, haben wir den betreffenden Grundgesetzänderungen Artikel 90 und 143e GG nicht zugestimmt. Für uns ist zwar klar, dass eindeutiger Reformbedarf bei dem derzeitigen Management und der Struktur des Bundesfernstraßenbaus gegeben ist. Die Zuständigkeiten sind unübersichtlich, die Mittelverwendung ist häufig ineffizient, eine Überjährigkeit der Finanzierung von Projekten ist nicht gesichert. Ebenso werden Klimaschutz- oder Umweltschutzaspekte komplett vernachlässigt. Statt das bestehende Netz zu erhalten, werden immer neue Straßen gebaut. Zudem gibt es keine Vermögensbilanzierung, die Investitionen abbildet und den Verfall der Infrastruktur transparent macht. Allerdings kann die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr nur dann einen Beitrag zur Verbesserung von Verwaltung, Bau und Erhalt der Bundesautobahnen leisten, wenn dies auch tatsächlich die Absicht der von der Bundesregierung vorgelegten Grundgesetzänderungen in Art. 90 und 143e wäre. Die vorgelegten Entwürfe der Bundesregierung zu den geplanten Grundgesetzänderungen ermöglichen aber eine umfassende Privatisierung des Autobahnnetzes. Dieses Risiko besteht - wenn auch in abgeschwächter Form - trotz der Änderungen der regierungstragenden Fraktionen fort. Die SPD hat zwar mehrere Verbesserungen bei der Bundesfernstraßengesellschaft durchgesetzt (keine Beteiligung Dritter an der Gesellschaft, Gründung als GmbH, Ausschluss von Netz-ÖPP), allerdings sind damit nicht alle Hintertüren für eine Privatisierung geschlossen. Nach alledem haben wir die Grundgesetzänderungen zu Artikel 90 und 143e GG daher abgelehnt.

Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.

Herzliche Grüßen
Tabea Rößner

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