Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Joachim K. •

Frage an Tabea Rößner von Joachim K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo, Frau Rößner!

Ich habe bezüglich des GG 3Fragen:

Im GG heißt es, daß wir Trennung von Staat und Kirche haben!

1. Frage: Warum werden verfassungswidriger Weise Steuergelder an die Kirchen gezahlt (Bischofs-Gehälter etc.)?

2. Frage: Warum sind bis heute, die meisten Feiertage in der BRD "kirchliche" Feiertage (Ausnahme: 1.Mai und 3. Oktober)? Es gäbe noch z. B. den Tag des Baumes, den Tag für die Umwelt oder Demokratie, Frühlingsanfang etc.?

3. Frage: Wann gedenkt der deutsche Bundestag (alle Fraktionen) die verfassungsmäßige Ordnung herzustellen?

4. Frage: Ist es verfassungsgemäß, wenn eine konfessionelle Partei im Bundestag vertreten ist?

Für eine rasche Antwort schon heute besten Dank!

Mit demokratischen Gruß

Joachim Kesseler

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Guten Tag Herr Kesseler,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Trennung von Staat und Kirche und zu den Zahlungen an die Kirchen aus Steuermitteln.

Die Trennung von Kirche und Staat ist für mich, wie auch für meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ein wichtiger Grundsatz. Daher habe ich auch die Einladung an den Papst, vor dem Deutschen Bundestag zu reden, sehr kritisch gesehen. Meine Erklärung dazu aus dem September 2011 können Sie hier nachlesen: http://www.tabea-roessner.de/start/aktuelles/artikel/805e2e00d0/-cb36cc8727.html .

Über Staatsleistungen und die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat besteht allerdings eine finanzielle Verflechtung zwischen Staat und Kirche. Dies hat historische Gründe. Außerdem übernimmt die Kirche staatliche Aufgaben in der Ausbildung, der Wohlfahrtspflege oder in der Kinderbetreuung. Derzeit hat es wohl keinen besonderen Mehrwert für den Staat, die Staatsleistungen abzulösen. Von den großen Fraktionen sind aktuell keine parlamentarischen Initiativen auf dem Weg, die die Verflechtungen zwischen Staat und Kirche aufheben sollen.

Sowohl die Staatsleistungen als auch die Einziehung der Kirchensteuer sind in der Zuständigkeit der Bundesländer. Der Bund leistet keine Zahlungen. Zuständig und damit auch Ansprechpartner sind die jeweiligen Landesparlamente. Bei den sogenannten Staatsleistungen handelt es sich um Leistungen, die die Bundesländer an die jeweilige Gemeinschaft richten als Ausgleich für die Verstaatlichung von Kirchengut, die vor allem im Zuge der Reformation und der Französischen Revolution stattgefunden hat. Rechtsgrundlage dieser Zahlungen ist Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung, der über Art. 140 Grundgesetz Bestandteil des gültigen Verfassungsrechts ist. Die jeweiligen Länder haben mit den christlichen Kirchen Staat-Kirchen-Verträge abgeschlossen. Die Zahlung der Staatsleistungen ist daher eindeutig nicht verfassungswidrig. Trotz des Ablösungsauftrags des Art. 138 Abs. 1 WRV ist der Bundestag nicht verpflichtet, die Grundsätze der Ablösung gesetzlich zu fixieren. Nach Auffassung der Bundesinnenministeriums würde eine solche Ablösung im Übrigen zu erheblichen volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten führen, weil sich die Höhe der dann einmalig zu leistenden Ablösung in jedem Bundesland auf hohe Milliardenbeträge summieren würde.

Eine Minderung der Staatsleistungen um pauschal 10 Prozent, wie sie diskutiert wird, ist wohl nicht besonders ergiebig. Rheinland-Pfalz beispielsweise zahlt den christlichen Kirchen laut Haushaltsplan 2009/10 circa 50 Millionen Euro jährlich, damit betrüge die Einsparung 5 Millionen.

Die meisten Feiertage sind religiöse Feiertage, da die christliche Religionsausübung historisch in unserer Gesellschaft verankert ist. Der Staat ermöglicht mit den Feiertagen Gläubigen die Gelegenheit, ihre Religion auszuüben. Die Religionsfreiheit, die der Staat garantiert, ist aktiv gedacht. Der Staat muss also die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Religion ausgeübt werden kann. Auch der Sonntag ist ein traditionell religiöser Feiertag. Bei strikter Anwendung des Prinzips, nach dem Religion Privatsache ist, müssten wir auch den Sonntag aufgeben. Das kann in keinem Interesse sein.

Die CDU hat das "Christliche" zwar in ihrem Namen stehen, sie schließt dadurch jedoch formal keine andersgläubigen oder nicht religiös ausgerichteten Menschen aus. Mir persönlich ist die Bezeichnung dieser derzeit größten Partei befremdlich, der Name begründet aber keine Verfassungsfeindlichkeit. Mir widerstrebt, eine Partei nach religiösen Gesichtspunkten zu beurteilen. In ihrem Namen ist genau der Widerspruch zwischen "christlich" und "demokratisch" offensichtlich, der sich auch in den Strukturen zeigt.

Wichtig ist mir, dass im Sinne der Religionsfreiheit auch den anderen Religionen die Ausübung ihrer Religion ermöglicht wird. So muss islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache an staatlichen Schulen genau die gleiche Berechtigung haben wie christlicher - auch wenn mir ein allgemeiner Ethikunterricht persönlich lieber wäre. Weltanschauliche Neutralität muss nicht bedeuten, die Religion aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.

Problematisch bei der Verknüpfung von Staat und Kirche ist, dass der Staat über die Kirche eine Weltanschauung stützt, die nicht mehr einer demokratisch abgesicherten, aufgeklärten Weltanschauung entspricht. Die Kirche sollte unbedingt die Diskriminierung jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihrer Verbände wie der Caritas beenden, die nicht nach den Ehe- und Sexualvorschriften der Kirche leben. Auch das Arbeitsrecht der kirchlichen Wohlfahrtsverbände ist reformbedürftig.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Antworten weiterhelfen konnte.

Herzliche Grüße

Tabea Rößner, MdB

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