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Frage von Sieglinde M. •

Frage an Swen Schulz von Sieglinde M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schulz,
als Politologe ist Ihnen der weitreichende Einfluß der EU-Richtlinien sicher bekannt.
Seit dem 22.05.09 ist es keinem "Nichtkunden" einer Bank in Deutschland (EU?) mehr möglich eine Bareinzahlung an der Kasse einer Bank vorzunehmen, auch dann nicht, wenn der Begünstigte Kunde dieser Bank ist. Als Grund wird eine neue EU-Richtlinie gegen Geldwäsche von den Geldinstituten genannt.
1.
Ist Ihnen bekannt, dass allein in Berlin mehrere tausend Menschen ohne eigenes Konto leben und somit niemandes Kunde sind, also auch keine Hausbank haben? Sie sind nicht mehr in der Lage ihre Miete oder andere Verpflichtungen zu bezahlen, da ihnen keine bank ihr Geld abnimmt. Und nicht jeder kann wirklich seine Miete nach Bayern "bringen"!
3.
Was werden Sie unternehmen, um diesen Menschen zu helfen?

mfg Müller

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihre Frage.

Eine EU-Richtlinie, wonach es für Dritte nicht mehr möglich ist, bei einer Bank eine Bareinzahlung vorzunehmen, ist mir nicht bekannt. Sollte tatsächlich von Bankinstituten die EG-Geldwäscherichtlinien als Grund dafür genannt werden, dass Bareinzahlungen nicht mehr angenommen werden können, so ist dies nicht korrekt.

Am 19. Juni 2009 hat der Deutsche Bundestag das Geldwäschebekämpfungsänderungsgesetz beschlossen. Hiermit wurden zwei EG-Richtlinien umgesetzt. Durch die Neufassung des Geldwäschegesetzes werden die zur Bekämpfung der Geldwäsche entwickelten Instrumente wie Identifikation von Kunden, Dokumentation von Geschäftsvorgängen oder unternehmsinterne Sicherungsmaßnahmen zur Geldwäscheprävention auch auf die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ausgedehnt.

Durch die Änderungen wurden die Sorgfaltspflichten ausdifferenziert. Bezogen auf Bareinzahlungen bedeutet dies, dass ein besonderer Aufwand bei der Bearbeitung derartiger Überweisungen dann vorgenommen werden muss, wenn es sich um einen Wert von 15.000 EURO oder mehr handelt. Herkömmlich werden bei Bareinzahlungen Gebühren erhoben. Falls Banken keine Bareinzahlungen vornehmen, dann mag dies deren Geschäftspolitik sein, ist aber nicht auf den Gesetzgeber zu schieben.

Ein Girokonto ist heutzutage die Vorraussetzung für die Teilnahme am modernen Wirtschaftsleben. Aus diesem Grund ist es das Ziel der SPD-Fraktion, allen Bürgerinnen und Bürgern den Besitz eines Girokontos und damit den Zugang zu bargeldlosem Zahlungsverkehr zu ermöglichen.

Bereits 1995 haben die im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammengeschlossenen Spitzenverbände der Kreditwirtschaft eine Empfehlung zum "Girokonto für jedermann" beschlossen. Mit dieser Empfehlung werden die Kreditinstitute dazu angehalten, jedem Bürger ein Girokonto zur Verfügung zu stellen, um damit die Möglichkeit zur Entgegennahme von Gutschriften, zu Barein- und auszahlungen sowie zur Teilnahme am Überweisungs- bzw. Zahlungsverkehr zu erhalten. Trotzdem sich die Situation besserte, kam es immer noch zu einer Vielzahl von Ablehnungen einer Kontoeröffnung oder Kontokündigung. Dementsprechend wurde auf Anregung der Bundesregierung die Empfehlung erweitert. Es wurden Stellen zur Schlichtung eingerichtet, an die sich die Kunden wenden können, sofern sie sich ungerecht behandelt fühlten. Auch hierdurch verbesserte sich die Situation.
Durch diese Maßnahmen konnten laut einer letzten Erhebung bis Ende 2007 über 2 Millionen Menschen (davon 45 517 bei der Berliner Sparkasse) ein Konto eröffnen.

Darüber hinaus hat der Deutschen Bundestag die Bundesregierung beauftragt, über die Umsetzung der Empfehlung regelmäßig zu berichten. Seitdem legt die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht vor, der als Grundlage zur Überprüfung dient, ob in diesem Bereich eine gesetzliche Regelung notwendig ist.

Leider bestehen bei der Umsetzung dieser Regelungen immer noch erhebliche Mängel, da nach wie vor die Einrichtung eines Girokontos für jedermann in großem Unfang verweigert wird beziehungsweise keine umfassende Begründung für Kündigungen von Girokonten von den Banken vorgelegt werden.

Aufgrund dieser Zustände besteht für die Bundesregierung ein Bedarf an verbindlichen Regelungen, die die Kreditinstitute zur Einhaltung der Vereinbarungen verpflichten. So kommt auch die Bundesregierung in ihrem letzten Bericht vom Dezember 2008 zu dem Schluss, dass die unverbindliche Empfehlung zu einer rechtlich verbindlichen Selbstverpflichtung der Kreditinstitute weiter entwickelt werden sollte. Zudem ist laut des Berichtes eine gesetzliche Regelung möglich.

Im Bereich des Kontopfändungsschutzes konnte zwischenzeitlich eine gesetzliche Regelung geschaffen werden. Bereits im September 2007 hatte das Bundesministerium der Justiz einen Gesetzentwurf vorgelegt, der im Rahmen der Beratungen noch Verbesserungen erfahren hat und im April 2009 im Deutschen Bundestag beschlossen wurde.

Mit dem Gesetzesentwurf wird ein effektiver Schutz vor Kontopfändung geschaffen, um dem Kontoinhaber die Geldmittel, die er zur Bestreitung seines existenziellen Lebensbedarfs benötigt, zu sichern. Mit dem so genannten Pfändungsschutzkonto (P-Konto) erhält der Kontoinhaber in Höhe seines Pfändungsfreibetrages (985,15 Euro bei Ledigen) einen Pfändungsschutz. Das bedeutet, dass aus diesem Betrag Überweisungen, Lastschriften, Barabhebungen, Daueraufträge et cetera getätigt werden können.

Ich denke, dass diese Regelung eine wichtige Maßnahme ist, um Bürgerinnen und Bürger davor zu schützen, in einer finanziellen Notlage ihr Konto zu verlieren.

In Bezug auf das Girokonto für jedermann kann ich derzeit nur jedem Betroffenen die Empfehlung geben, sich an die zuständigen Beschwerdestellen zu wenden.
Nichtsdestotrotz sollte den Empfehlungen des letzten Berichtes der Bundesregierung gefolgt werden. Wenn es mit der unverbindlichen Empfehlung nicht funktioniert, dann muss die Möglichkeit zu einer rechtlich verbindlichen Selbstverpflichtung der Kreditinstitute geschaffen werden.

Falls Sie weiteren Gesprächsbedarf haben, können Sie gerne zu einem persönlichen Gespräch in meine Bürgersprechstunde in meinem Bürgerbüro in der Bismarckstr. 61 in Spandau kommen. Einen Termin können Sie unter der Telefonnummer 030/ 36 75 70 90 vereinbaren.

Darüber hinaus erreichen Sie mich direkt unter

Swen Schulz, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
oder per E-Mail unter
swen.schulz@bundestag.de

Mit den besten Grüßen

Swen Schulz, MdB