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Svenja Stadler
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Frage von Martin K. •

Frage an Svenja Stadler von Martin K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Warum nimmt die deutsche Regierung die Kritik der gesamten internationalen Wirtschaftswissenschaft und der internationalen Weltpresse nicht zur Kenntnis?

Deutschland drängt schon seit Jahren mit Export-Überschüssen und Lohndumping seine europäischen Haupthandelspartner gewaltsam in eine Defizit-Position und somit in die Pleite. Dabei war Deutschland sogar das Land, welches den Maastricht-Vertrag am wenigsten eingehalten hat.

Heiner Flassbeck gilt zumindest im deutschsprachigen Raum als der Hauptvertreter dieser internationalen Kritik, über die in allen ökonomischen Schulen weltweit einheitlicher Konsens besteht. Egal ob neoliberal oder keynesianisch.

Auch alle Wirtschaftsnobelpreisträger sind sich in dieser Hinsicht einig und betonen, dass Deutschland seine Export-Überschüsse abbauen muss um die Euro-Krise zu lösen.

Genau so wie die Chinesen ihre Export-Überschüsse nach und nach abgebaut haben um die USA aus ihre Defizit-Position zu befreien. Hierbei bekommt Flassbeck besonders viel Unterstützung von amerikanischer Seite, da Amerika sich lange Zeit in der selben Position befunden hat wie Südeuropa jetzt.

Im von mir beigefügten Video (56:10) erklärt Heiner Flassbeck die Saldenmechanik, welche von deutschen Ökonomen besonders in Bezug auf die Euro-Krise vollständig ignoriert wird.

Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=lbmH8HfeVSA
https://www.welt.de/wirtschaft/article131538257/Nobelpreistraeger-rechnen-mit-Merkel-ab.html
https://www.welt.de/wirtschaft/article163530452/China-verhandelt-ueber-Senkung-der-Handelsueberschuesse.html

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kieler,

vielen Dank für Ihre Frage aus der ich nicht zuletzt ein Interesse an einem solidarischen Europa erkenne.

Ihre Eingangsthese, dass Deutschland die Kritik nicht ernst nehme, möchte ich nicht so stehen lassen. Sie belegen sie mit einem Artikel aus dem Jahr 2014, den ich in diesem Punkt für nicht mehr aktuell halte.

Dass die Bundesregierung sich zuletzt durchaus offen für eine Diskussion über die Überschüsse in der Leistungsbilanz zeigte, können Sie u.a. in der Welt vom 23.5. 2017 nachlesen. Darin heißt es, dass Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries eine Halbierung des aktuellen Überschusses auf vier Prozent anstrebe. Dabei wird auch die Empfehlung diverser Kritiker des Außenhandelsüberschusses, die Inlandsinvestitionen zu fördern und die Binnennachfrage zu stärken, aufgegriffen. Letztere hat sich bereits in der jüngsten Zeit zu einer Stütze der deutschen Konjunktur etabliert. Das verdanken wir einer Rekordbeschäftigung und deutlichen Reallohnsteigerungen. Die Stärkung der Kaufkraft zur Steigerung der Binnennachfrage ist ein wesentliches sozialdemokratisches Anliegen, dem wir auch im Regierungsprogramm mit zahlreichen Vorhaben Nachdruck verleihen. Um das Entwicklungsgefälle und die Leistungsbilanzdifferenzen zwischen den einzelnen Mitgliedern der Europäischen Union auszugleichen, muss aber auch an weiteren Stellschrauben gedreht werden. Anderen Volkswirtschaften die Chance zu geben, sich zu reformieren und wettbewerbsfähiger zu werden, halte ich für unverzichtbar. Als wesentliches Instrument hierfür sehe ich die Kohäsionspolitik der EU. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypris hat sich erst Freitag mit folgenden Worten dazu bekannt, der Kohäsionspolitik weiterhin eine bedeutende Rolle zukommen zu lassen: „Die Kohäsionspolitik der EU ist Ausdruck gelebter Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und wirkt durch zahlreiche Projekte in allen Mitgliedstaaten und Regionen direkt vor Ort. Gerade in Zeiten zunehmender Europa-Skepsis ist die Kohäsionspolitik ein wichtiges Mittel für den Zusammenhalt Europas. Bund und Länder sprechen sich deshalb dafür aus, dass der Kohäsionspolitik als wichtigster Investitionspolitik der EU auch künftig eine besondere Rolle zukommen muss.“ (Pressemitteilung vom 23.06.2017 des BMWI anlässlich des bevorstehenden Kohäsionsforums in Brüssel in der 26. Kalenderwoche)

Mit freundlichen Grüßen
Svenja Stadler

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