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Svenja Stadler
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Frage von Martin H. •

Frage an Svenja Stadler von Martin H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Stadler,

den Ärmsten der Armen weht in diesem Land seit der Reformierung der Sozialgesetzgebung (im Volksmund Agenda 2010) ein kalter Wind entgegen. Dies wurde durch geschmacklose Propaganda von diversen (auch SPD-)Politkern hoffähig gemacht (vgl. bspw. Zitat Franz Müntefering: "Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen". ( http://www.zeit.de/online/2006/20/Schreiner ); Vergleich von Hartz-IV Empfänger mit Parasiten in der Broschüre "Vorrang für die Anständigen - Gegen Missbrauch, „Abzocke“ und Selbstbedienung
im Sozialstaat" mit Vorwort von Wolfgang Clement ( http://www.harald-thome.de/media/files/Gesetzestexte%20SGB%20II%20+%20VO/Gesetzestexte%20SGB%20XII%20+%20VO/Seminare/Clement/Sozialmissbrauch_Bericht_BMWA.pdf )).

Dies äussert sich heute dadurch, das bspw. einer Hartz-IV Empfängerin 0,10 Euro vom zuständigen Jobcenter nicht erstattet werden sollen, und das Jobcenter dafür sogar bis zum Bundessozialgericht klagt. Beschämende Prozesse um Hatz IV gibt es viele. Die Aufzählung würde allerdings den Rahmen sprengen.
(Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jobcenter-streitet-mit-hatz-iv-empfaengerin-um-zehn-cent-a-1071508.html )

Der Bedarf an kostenloser Speisung durch Tafeln und Armut unter der Bevölkerung wächst kontinuierlich.
( http://www.tafel.de/die-tafeln/zahlen-fakten.html ; http://www.welt.de/wirtschaft/article137635705/Die-Wahrheit-ueber-die-Armut-in-Deutschland.html )

Mit dem o. g. Hintergrund durfte ich heute lesen, dass das SPD-geführte Berlin plant, bis zu 10k Flüchtlinge für meherere Jahre in Hotels unterzubringen.
( http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-02/fluechtlinge-berlin-hotels )

Wieso wird bei den Armen aus Deutschland auf Gewalt gespart, und bei der Versorgung von Flüchtlingen ist Geld plötzlich nicht mehr wichtig? Dürfen Obdachlose künftig auch in Hotels übernachten? Entsteht bei Ihnen nicht auch der Eindruck, das im sozialen offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird?

Mit freundlichem Gruß
M. Hansen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hansen,

vielen Dank für Ihren Beitrag, in dem Sie einen Vergleich anstellen zwischen dem staatlichen Umgang mit der Hilfebedürftigkeit von „Armen aus Deutschland“, „Obdachlosen“ und „Flüchtlingen“. Ich setze hier die Anführungszeichen nur, um die Zitierung Ihrer Wortwahl deutlich zu machen, aus der nicht erkenntlich ist, wer für Sie unter all den armen Menschen „in“ Deutschland „aus“ Deutschland ist und wie diese Gruppe und die der „Obdachlosen“ begrifflich von den „Flüchtlingen“ abzugrenzen ist. Gibt es doch bereits langjährig hier lebende gut integrierte Menschen mit Flüchtlingsstatus, die auf (sogenannte) „Hartz-IV“-Leistungen (Leistungen nach SGB II) angewiesen sind, wie auch Flüchtlinge, die nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Und die Flüchtlinge, für die eine Hotelkette dem Berliner Senat überteuerte Plätze angeboten hat, werden deshalb als potentielle „Hotelgäste“ gehandelt, weil sie Obdachlose sind.

Wenn ich Sie aber richtig verstehe, teilen Sie die hilfebedürftigen Menschen in Deutschland ein in jene, die erst vor kurzem – vielleicht in den letzten etwa zwölf Monaten – hierher geflohen sind und all die anderen. Für all die anderen beziehen Sie, wenn auch indirekt, Position und wehren sich gegen eine soziale Kälte, die ihnen entgegenschlägt. Ich finde es gut, dass sie für Benachteiligte Partei ergreifen. Das ist stets auch Anliegen der SPD und deshalb bin ich Sozialdemokratin. Jeder Mensch verdient Respekt, faire Chancen und menschenwürdige Lebensbedingungen.

Deshalb möchte ich auch nicht die eine Gruppe Benachteiligter gegen eine andere sozial schwache Gruppe ausspielen. Aktuell wird zwar sehr viel in Medien und Öffentlichkeit über die notwendigen Versorgungsleistungen für Flüchtlinge berichtet und an unser aller Hilfsbereitschaft appelliert – einfach, weil der unerwartete Anstieg der Flüchtlingszahlen eine akute große Herausforderung darstellt. Das heißt aber mitnichten, dass die Hilfe für die einen auf Kosten der Hilfe für andere geht. Es hat noch niemand weniger „Hartz-VI“ bekommen, weil dieses Geld für Flüchtlinge benötigt würde und es wurde noch niemand aus seiner Wohnung verdrängt, weil Flüchtlinge dort Unterkunft nehmen sollten. Es gibt aber in vielen Orten Deutschlands und gerade auch in Berlin zahlreiche Flüchtlinge, die in notdürftigsten Behausungen einquartiert sind. Turnhallen, Baumärkte und Zelte sind keine menschenwürdige Versorgung. Neu zu schaffender Wohnraum stellt daher jetzt eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand mit höchster Priorität dar und wird allen zu Gute kommen. Doch bevor er fertig sein wird, müssen alle jetzt irgendwie verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten geprüft werden. Dass in den Zeitungen verbreitete Angebot einer internationalen Hotelkette an den Berliner Senat steht allerdings laut Medien aufgrund der weit überzogenen Preisvorstellungen der Anbieter gar nicht mehr zur Debatte.

Mit freundlichen Grüßen

Svenja Stadler

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