Portrait von Sven-Christian Kindler
Sven-Christian Kindler
Bündnis 90/Die Grünen
73 %
27 / 37 Fragen beantwortet
Frage von Tim G. •

Frage an Sven-Christian Kindler von Tim G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kindler,

Sie bewerben sich in meinem Wahlkreis um ein Direktmandat. Ich bin geneigt, meine Erststimme unabhängig von Vorlieben für eine bestimmte Partei zu vergeben, und hätte deshalb ein paar Fragen. Mich interessiert, wie Sie zu bestimmten Themen stehen, die mir besonders am Herzen liegen. Mich interessiert nicht, was das Parteiprogramm sagt.

Was halten Sie davon, dass vor dem Nachzug von ausländischen Ehegatten der Nachweis von Deutsch-Kenntnissen verlangt wird?

Über welche Kontakte zu Migrantenorganisationen im Wahlkreis verfügen Sie und wie oft haben Sie in den vergangen Monaten Gespräche mit diesen geführt?

Welche Verbesserungsvorschläge hätten Sie für das Informationsfreiheitsgesetz?
Welche Kontakte haben Sie zu Organisationen wie Transparency International, netzwerk recherche, Deutsche Gesellschaft für die Informationsfreiheit oder ähnlichen und wie stehen Sie zu den von diesen Organisationen vertretenen Positionen?

Wie würden Sie ein Auskunftsrecht für Journalisten gegenüber Behörden des Bundes gestalten und haben Sie darüber eventuell schon mal Gespräche mit einer Journalistenorganisation geführt?

Streben Sie neben dem Mandat für den Deutschen Bundestag andere Ämter etwa in einer künftigen Regierung an oder werden Sie sich ganz auf die Mandatsausübung konzentrieren?

In welchem Ausschuss des Deutschen Bundestages wären Sie nach der Wahl gern Mitglied?

Auf welche Weise werden Sie nach der Wahl den Bürgerinnen und Bürgern Ihres Wahlkreises für Gespräche zur Verfügung stehen und in welchem zeitlichen Umfang? Werden Sie Sprechstunden anbieten und wie viele Stunden pro Woche außerhalb der Sitzungswochen wollen Sie dafür aufwenden?

In jedem Fall danke ich Ihnen dafür, dass Sie sich für unseren Wahlkreis als Kandidatin zu Verfügung gestellt haben und die damit verbundenen Mühen auch zur Beantwortung derartiger Fragen auf sich nehmen.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Herr Gerber,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen hiermit gerne beantworte:

Was halten Sie davon, dass vor dem Nachzug von ausländischen Ehegatten der Nachweis von Deutsch-Kenntnissen verlangt wird?

Ich bin dafür, die Spracherfordernisse für alle nachziehenden Ehegatten aufzuheben und den Ehegattennachzug insgesamt zu erleichtern. Dazu hat meine Fraktion auch 2010 einen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht. Das Spracherfordernis verstößt nicht nur gegen das Grundrecht auf familiäres Zusammenleben, sondern auch gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Grundgesetz. Denn nicht alle nachziehenden Ehegatten müssen Deutschkenntnisse nachweisen. Ausgenommen von der Regelung sind etwa die Ehegatten von UnionsbürgerInnen sowie die Ehegatten von Hochqualifizierten, Selbstständigen und in der Forschung Tätigen. Auch Staatsangehörige aus Ländern, mit denen Deutschland enge wirtschaftliche Beziehungen pflegt, müssen Deutschkenntnisse nicht nachweisen. Sprachen lernt man am besten dort, wo sie gesprochen werden. Der Spracherwerb in Deutschland ist viel leichter, schneller, günstiger und weniger belastend für die Betroffenen.

Über welche Kontakte zu Migrantenorganisationen im Wahlkreis verfügen Sie und wie oft haben Sie in den vergangen Monaten Gespräche mit diesen geführt?

Ich habe einen sehr guten Draht zu Kargah e.V., deren Arbeit ich sehr schätze. Zu der nächsten politischen Bildungsfahrt nach Berlin, die ich zweimal im Jahr von meinem Wahlkreis aus anbiete, habe ich 16 TeilnehmerInnen von Kargah eingeladen. Im Januar habe ich gemeinsam mit der Deutsch-Türkischen Gemeinde in Hannover einen Kinoabend im Apollo-Kino Hannover durchgeführt und dazu Claudia Roth eingeladen. Im August plane ich eine Veranstaltung zu den Auswirkungen der Eurokrise in Spanien im Ahberg-Viertel in Hannover, die sich hauptsächlich an die spanische Community wendet. Im letzten Jahr habe ich Veranstaltung zur Situation in Griechenland in der Ouzerie mit vielen in Hannover lebenden Griechen durchgeführt.

Als Vize-Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Deutschland pflege ich zudem natürlich einen guten Draht zu vielen hier lebenden Israelis, mit denen ich bereits einige Veranstaltungen organisiert habe und im ständigen Austausch stehe.

Welche Verbesserungsvorschläge hätten Sie für das Informationsfreiheitsgesetz?

Die Informationserteilung muss von der Ausnahme zur Regel werden. Dafür brauchen wir eine Reform der Ausnahmevorschriften des Informationsfreiheitgesetzes (IFG), auf deren Grundlage Informationen verweigert werden können. Berechtigte Interessen Dritter oder der Allgemeinheit, wie etwa der Datenschutz und die Sicherheit, müssen dabei gewahrt bleiben. Es muss aber Regelungen geben, mit denen die Bedeutung des Rechts auf Informationsfreiheit zum Beispiel gegenüber Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abgewogen werden kann. Die derzeitige Praxis, nach der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als Vorwand für Geheimhaltung ungeprüft vorgeschoben und absolut geschützt werden, muss beendet werden.

Um Open Data in Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen, müssen sämtliche Behörden in einem neuen IFG verpflichtet werden, der Öffentlichkeit von sich aus, proaktiv amtliche Dokumente und verständlich aufbereitete Informationen auf einem zentralen Informationsportal im Internet zur Verfügung zu stellen. Zu solchen Open Data - Verpflichtungen gehört die Errichtung eines echten und praktikablen Dokumentenregisters im Internet, das das Auffinden relevanter Informationen für die Bürgerinnen und Bürger erst möglich macht.

Welche Kontakte haben Sie zu Organisationen wie Transparency International, netzwerk recherche, Deutsche Gesellschaft für die Informationsfreiheit oder ähnlichen und wie stehen Sie zu den von diesen Organisationen vertretenen Positionen?

Auf einer meiner letzten Berlinfahrten habe ich für die TeilnehmerInnen zusätzlich zum Standardprogramm einen lobbykritischen Stadtrundgang von „Lobby Control“ angeboten. Grundsätzlich teile ich das Anliegen und die Positionen der Organisationen, die sich für mehr Transparenz und gegen Korruption einsetzen, da die Anti-Korruptionsbemühungen des Bundestages leider weit hinter die internationalen Maßstäbe zurückfallen. Das liegt vor allem daran, dass sich die schwarz-gelbe Bundesregierung leider weigert, die internationale Konvention zur Korruptionsbekämpfung umzusetzen und die Abgeordnetenbestechung endlich ins Strafgesetzbuch zu schreiben.

Als Bürgerrechtspartei kämpfen wir seit Jahren für mehr Transparenz in der Politik und wir haben wiederholt Anträge dazu in den Bundestag eingereicht, die leider von Schwarz-Gelb abgelehnt wurden. Um mehr Vertrauen in die Funktionsfähigkeit unserer demokratischen Strukturen zu schaffen, brauchen wir transparentere Parlamente. Die Menschen müssen nachvollziehen können, welchen Einfluss Verbände und Unternehmen auf die von ihnen gewählte Volksvertretung nehmen. Um die Wege der Beeinflussung parlamentarischer Entscheidungen offen zu legen und zu kontrollieren, brauchen wir ein verpflichtendes LobbyistInnenregister. Für den Wechsel von ehemaligen Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft fordern wir eine Karenzzeit, die weitestgehend sicherstellt, dass Unternehmen ehemalige PolitikerInnen nicht für frühere, unlautere Einflussnahmen belohnen. Wir wollen zudem die Bestechung von Abgeordneten konsequenter unter Strafe stellen und setzen uns dafür ein, dass alle PolitikerInnen ihre Nebeneinkünfte in exakter Höhe offenlegen müssen, um die tatsächlich stattfindende Einflussnahme und die bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse abzuleiten.

Auch ist eine größere Transparenz in der Parteienfinanzierung notwendig. Das Parteiengesetz ruft nach grundlegenden Reformen. Skandale bei der Parteienfinanzierung schaden der Demokratie, weshalb Unternehmensspenden an Parteien verboten und jährliche Höchstsummen festgesetzt werden müssten, die ein Mensch pro Jahr an eine Partei spenden darf. Auch die Veröffentlichungsgrenzen für Parteispenden müssten abgesenkt werden, um den Bürgerinnen und Bürgern zeitnah die Möglichkeit zu geben, mögliche Verstrickungen zu erkennen. Und diese Regeln müssen selbstverständlich auch für das Parteisponsoring gelten, da es in diesem Feld bislang keine Transparenz gibt.

Wie würden Sie ein Auskunftsrecht für Journalisten gegenüber Behörden des Bundes gestalten und haben Sie darüber eventuell schon mal Gespräche mit einer Journalistenorganisation geführt?

Wir alle sind auf Informationen der Medien angewiesen: Ein umfassend recherchierter Zeitungsartikel oder Rundfunkbeitrag, der über die Hintergründe öffentlicher Belange informiert, ist elementar für die öffentliche Meinungsbildung – auch und gerade, wenn die Recherche unliebsame Fragen mit sich bringen mag. Die vielen Gerichtsverfahren, die Journalistinnen und Journalisten in der Vergangenheit führen mussten, um ihr Recht durchzusetzen, zeigen: Nur zu gerne wird hier gemauert. JournalistInnen dürfen daher nicht dem Wohl und Wehe einer Behörde oder eines Beamten ausgeliefert sein. Für sie ist es unerlässlich, auf Grundlage eines Gesetzes auf umfassende Auskunft pochen zu können. Oder anders gesagt: JournalistInnen müssen nerven dürfen. Nur so ist gesichert, dass Medien Bürgerinnen und Bürger informieren und aufklären und ihre verfassungsrechtlich zugewiesene Aufgabe wahrnehmen können. Die Pressegesetze der Länder haben also eine wichtige und praxisrelevante Funktion. Sie geben den Medien ein Auskunftsrecht an die Hand, welches nur in ganz besonderen Ausnahmefällen verweigert werden darf.

Bisher ist noch keine Journalistenorganisation mit einem Gesprächswunsch an mich herangetreten, wohl auch, weil ich im Bundestag schwerpunktmäßig andere Themenbereiche betreue.

Streben Sie neben dem Mandat für den Deutschen Bundestag andere Ämter etwa in einer künftigen Regierung an oder werden Sie sich ganz auf die Mandatsausübung konzentrieren?

Ich strebe neben meinem Mandat keine Ämter in einer künftigen Regierung an und werde mich schwerpunktmäßig auf meine Mandatsausübung konzentrieren. Daneben werde ich mein ehrenamtliches Engagement als Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft weiter betreiben.

In welchem Ausschuss des Deutschen Bundestages wären Sie nach der Wahl gern Mitglied?

Ich würde gerne weiterhin Mitglied des Haushaltsausschusses sein.

Auf welche Weise werden Sie nach der Wahl den Bürgerinnen und Bürgern Ihres Wahlkreises für Gespräche zur Verfügung stehen und in welchem zeitlichen Umfang? Werden Sie Sprechstunden anbieten und wie viele Stunden pro Woche außerhalb der Sitzungswochen wollen Sie dafür aufwenden?

Die Erfahrungen in der letzten Legislaturperiode haben leider gezeigt, dass allgemeine BürgerInnensprechstunden nicht angenommen werden. Stattdessen vereinbare ich mit interessierten BürgerInnen individuelle Gesprächstermine, wenn sie Bedarf hierfür anmelden. Insgesamt wende ich in den sitzungsfreien Wochen mehr als 40 Stunden Zeit auf für Informationsveranstaltungen, BürgerInnengespräche, Besuch von Einrichtungen, Unternehmen, Verbänden etc., um einen direkten Draht im Wahlkreis zur Bundespolitik herzustellen.

Freundliche Grüße

Sven-Christian Kindler

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