Susanne Melior
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Frage von Heike A. •

Frage an Susanne Melior von Heike A. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Melior,

in Bezug auf CETA argumentieren Sie, dass Sie das Vorsorgeprinzip im Abkommen als gewahrt ansehen. Das wundert mich, und ich würde gerne genauer erfahren, was Sie so sicher macht.

Der Hintergrund:
a) Schon im August 2016 habe ich Minister Gabriel in einer Presskonferenz wegen der unklaren Verankerung des Vorsorgeprinzips im CETA gefragt. Herr Gabriel antwortete: Dazu gebe es "mehrere Stellen im Vertragstext", und auch schon "gleich am Anfang in der Präambel". Ich habe die Präambel und weitere Textteile nachgelesen und musste leider feststellen, dass dort nichts stand.
b) Dann habe ich eine Anfrage an das BMWI gestellt und um konkrete Informationen gebeten. Das BMWI hat sich nicht in der Lage gesehen, mir eine Stelle zu nennen, wo das Vorsorgeprinzip genannt ist.
c) Im CETA-Text habe ich zwar Hinweise auf bestehende internationale Verträge gefunden - von denen behandelt aber keiner das Vorsorgeprinzip. Das ist also nicht der Grund für Ihre Sicherheit, oder?
d) Die Stellungnahme von ENVI erwähnt Beispiele, in denen auf Wunsch von Kanada Umweltvorschriften geschwächt wurden (wie z.B. bei der Qualität von Kraftstoffen, weil Kanada die Ausfuhr von schmutzigen Teersanden nach Europa ermöglichen will). Das lässt eher vermuten, dass zu vorsorglichen Schutzmaßnahmen wenig Bereitschaft besteht.

Wo sehen Sie also konkret die Garantien für die Wahrung des Vorsorgeprinzips?
Was ist, wenn neue Risiken auftauchen und man in Europa Gefahr befürchtet? Was ist, wenn aus Gründen des vorsorglichen Verbraucherschutzes neue Regeln festgesetzt sollen (z.B. für Pestizide, oder wenn aus Klimaschutzgründen die Verwendung von Kraftstoff aus Teersanden verboten werden müsste)?

Und zuletzt: Betrachten Sie das Vorsorgeprinzip als essenzielle Errungenschaft für den Verbraucher- und Umweltschutz in Europa, oder eher nicht?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort. Freundliche Grüße,
H. A.

Susanne Melior
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau A.,

am 15. Februar 2017 hat das Europäische Parlament über CETA – das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada – abgestimmt. Ich habe nach Abwägung aller Argumente am Ende für das Abkommen gestimmt. Ich möchte Ihnen kurz erläutern, warum ich mich – gerade weil das mir persönlich sehr wichtige Vorsorgeprinzip gewahrt bleibt - für eine Zustimmung entschieden habe.

Das Vorsorgeprinzip bleibt beim EU-Verbraucherschutz trotz unterschiedlicher Ansätze zwischen Kanada und der EU unangetastet und gilt auch für zukünftige Regelungen. Dies ist im Vertragstext und in den Zusatzdokumenten festgelegt. Bereits in der Präambel des gemeinsamen Auslegungsinstruments wird darauf hingewiesen, dass das Vorsorgeprinzip auch im Falle von CETA gilt. So wird in Punkt d) ausgeführt: „Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten und Kanada bekräftigen ihre Verpflichtungen im Hinblick auf die Vorsorge, die sie im Rahmen internationaler Übereinkommen eingegangen sind.“ Das gemeinsame Auslegungsinstrument ist eine Erklärung, die die EU und Kanada am 30.10.2016 auf dem EU-Kanada-Gipfel abgegeben haben. Im Sinne von Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge ist das gemeinsame Auslegungsinstrument ein gemeinsamer Rechtsakt der Vertragspartner. Nach 30.1 des CETA-Vertrages ist es ein Bestandteil des Abkommens und für alle Vertragspartner bindend und muss bei der Interpretation von CETA berücksichtigt werden.

Weiterhin ist das Vorsorgeprinzip in den 38 Zusatzerklärungen von Rat, Kommission und einzelnen Mitgliedsstaaten in der Erklärung 7 „Erklärung der Kommission zum Schutz des Vorsorgegrundsatzes im CETA“, Erklärung 26 „Erklärung der Kommission über die Fortführung des Verbots von Stoffen mit hormonaler Wirkung zur Wachstumsförderung bei Nutztieren (wie hormonbehandeltes Rindfleisch)“ und in Erklärung 30 „Erklärung der Kommission zur Weiterführung der EU-Rechtsvorschriften über genetisch veränderte Erzeugnisse in Bezug auf Lebens- und Futtermittel sowie den Anbau“ verankert. Auch die 38 Zusatzerklärungen sind für die Vertragspartner bindend und dienen als Interpretationshilfen bei der Auslegung des Vertragstextes, zum Beispiel im Rahmen von Klageverfahren.

CETA legt klare Regeln zur Durchsetzung von Verbraucherschutz- und Umweltstandards fest. So sieht es ausdrücklich eine Ausnahme von Art. 20 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) vor, der handelsbeschränkende Maßnahmen für die Schutzziele menschlichen Lebens, Gesundheit, Umwelt, Tiere und Pflanzen erlaubt. Die EU wird ihre geltenden Rechtsvorschriften auch im Falle von CETA keinesfalls ändern oder ihre Rechtsposition aufgeben. Das Vorsorgeprinzip ist im EU-Primärrecht (Art. 191 AEUV) verankert. Es kann durch einen völkerrechtlichen Vertrag wie CETA nicht abgeschafft oder eingeschränkt werden.

Das CETA-Abkommen beinhaltet – auch dank des Drucks vieler Bürgerinnen und Bürger in Europa und Kanada – im Vergleich zu allen bisherigen Handelsabkommen in zahlreichen Bereichen verbesserte Regeln und Standards. Deshalb habe ich dem Freihandelsabkommen mit Kanada zugestimmt.

Die Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten, den Wortlaut des CETA-Abkommens und weitere Dokumente finden Sie auf meiner Homepage http://www.susanne-melior.de/europaeisches-parlament/informationen-zu-ceta-und-ttip.html .

Ihre Susanne Melior