Stephanie Erben
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Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Daniel G. •

Frage an Stephanie Erben von Daniel G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Erben,

der Jurist Dr. Gysi MdB hat am 22.01.2010 gegenüber der Fragestellerin Jacob geäußert, eine klare Aussage zur umstrittenen Frage der Schweigepflichtentbindung für Drittgeheimnisse im Sinne des Gesetzes (§ 203 StGB) sei ihm nicht möglich. Er gehe aber davon aus, dass Drittgeheimnisse geschützt werden müssten und tue das auch.

Meine Fragen:
1. Werden Sie sich im Bundestag für eine Klärung der Drittgeheimniskontroverse einsetzen, damit endlich Rechtsklarheit VOR einer eventuellen TAT geschaffen wird?
2. Für welche Variante macht sich Ihre Partei die Grünen und für welche machen Sie sich persönlich stark?
3. Soll der "Anvertrauende" allein befugt sein, den Schweigepflichtigen von dessen Schweigepflicht gegenüber dem Dritten zu entbinden?

Mit freundlichem Gruß

Stephanie Erben
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Fragen die ich Ihnen gern beantworten möchte. Da der Sachverhalt möglicherweise nicht allen so klar ist, wie Ihnen, hier vorab noch ein paar Erläuterungen:

Der Schutz von Berufsgeheimnisträgern bzw. der ihnen anvertrauten Daten wurde 2017 im Rahmen des von der Bundesregierung eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen" im Deutschen Bundestag diskutiert. Der Gesetzentwurf wurde am 29.06.2017 im Bundestag abschließend beraten, davor gab es dazu eine Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses am 15. Mai 2017.

Inhalt des Gesetzentwurfes:
Der Gesetzentwurf regelt den Schutz von Berufsgeheimnissen neu und bezieht sich u.a. auf Regelungen im StGB (§ 203), in der StPO (§ 53a) und im Berufsrecht der Berufsgeheimnisträger (z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer). Es wird in § 203 StGB neu geregelt, unter welchen Voraussetzungen das Offenbaren von Berufsgeheimnissen strafbar sein soll. In § 203 Abs. 3 StGB wird eine Einschränkung der Strafbarkeit schweigepflichtiger Personen (Erlaubnistatbestand) geschaffen, § 203 Abs. 4 S. 1 StGB regelt die Strafbarkeit mitwirkender Personen und § 203 Abs. 4 S. 2 StGB regelt die Strafbarkeit von Berufsgeheimnisträgern bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten bei Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung. Der Begriff der an der Berufsausübung „mitwirkenden Personen“ wird normübergreifend neu eingeführt und bezieht künftig nicht nur Berufshelfer/Gehilfen, sondern auch in Anspruch genommene externe Dienstleister etc. in den Berufsgeheimnisschutz mit ein. Im jeweiligen Berufsrecht werden ergänzend entsprechende Befugnisnormen bzw. Sorgfaltspflichten v.a. bei Einschaltung externer Dienstleister normiert.
Mit einem nachträglichen Änderungsantrag der KOA wurde v.a. korrespondierend mit den Änderungen im StGB und im Berufsrecht der § 53a StPO (Zeugnisverweigerungsrechte mitwirkender Personen) neu geregelt.

Zu Ihren konkreten Fragen:
1. Werden Sie sich im Bundestag für eine Klärung der Drittgeheimniskontroverse einsetzen, damit endlich Rechtsklarheit VOR einer eventuellen TAT geschaffen wird?
--> Ja, das haben wir GRÜNE und das werden wir auch weiterhin tun. Ganz oben muss dabei jedoch die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen und die Wahrung der Rechte und Interessen von Berufsgeheimnisträgern und Mandanten/Klienten stehen.

2. Für welche Variante macht sich Ihre Partei die Grünen und für welche machen Sie sich persönlich stark?
--> Grundsätzlich ist die Neuregelung des Berufsgeheimnisträgerschutzes zwar zu begrüßen. Durch die zunehmende Notwendigkeit der Einschaltung externer Dienstleister bei der Berufsausübung herrschte bislang eine Rechtsunsicherheit, der nun mit dem Gesetzentwurf begegnet werden soll. Durch den Änderungsantrag werden nun auch die Zeugnisverweigerungsrechte mitgeregelt, was ebenso notwendig ist. Jedoch gibt es gewichtige Kritikpunkte, die einer Zustimmung zum Gesetzentwurf entgegenstehen. Zum einen besteht bei der Beauftragung von Dienstleistern und gerade bei mehrstufigen Auftragsverhältnissen ein nicht unerhebliches Strafbarkeitsrisiko für die Berufsgeheimnisträger bzw. eine Unklarheit in Bezug auf Umfang und Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten. Hier wäre eine Lösung über das Ordnungswidrigkeitenrecht vorzugswürdig gewesen.
Zudem kritisiert der Bundesrat zu Recht, dass die vorgesehenen Regelungen eine weitere Schwächung der Geheimschutzbelange der Mandanten mit sich bringen. Dadurch, dass alle Anwälte auch gerade im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung auf die Inanspruchnahme externer Dienstleister angewiesen sind, wird ihnen – um ihre Haftung sicher auszuschließen – letztlich nicht viel anderes übrig bleiben, als von ihren Mandanten eine diesbezügliche Einwilligung einzuholen. Mandanten wiederum haben dann mangels Alternativen faktisch gar keine andere Wahl, als zuzustimmen, dass ihre Daten beim Anwalt in einer Cloud gespeichert oder auf sonstige Art externen Dienstleistern zugänglich gemacht werden. So werden neue Grauzonen geschaffen und die Lage für Berufsgeheimnisträger und Mandanten zum Teil eher komplizierter als einfacher und transparenter gestaltet.

3. Soll der "Anvertrauende" allein befugt sein, den Schweigepflichtigen von dessen Schweigepflicht gegenüber dem Dritten zu entbinden?
--> Ja, das ist die sicherste Variante. Zwar soll nach künftiger Rechtslage jedoch bspw. AnwältInnen die Möglichkeit eingeräumt werden, auch ohne die ausdrückliche Einwilligung der MandantInnen im Rahmen ihrer Berufsausübung externe Dienstleister zu beauftragen und ihnen dabei, soweit dies für die Inanspruchnahme der Dienstleistung erforderlich ist und sofern in diesem Zusammenhang bestimmte Berufspflichten eingehalten werden, den Zugang zu Tatsachen zu eröffnen, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen (S. 33f des Gesetzentwurfes). Der neugefasste § 43e BRAO soll als entsprechende berufsrechtliche Befugnisnorm dienen. Um seine Haftung sicher auszuschließen, bleibt für den Berufsgeheimnisträger jedoch die Einwilligungslösung die sicherste Alternative (was wir GRÜNE nicht unproblematisch sehen, siehe Antwort auf Frage 2).

Katja Keul, die Grüne rechtspolitische Sprecherin & Parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag, hat dazu gesprochen. Ihre Reden können Sie hier nachhören:
1. Lesung: http://katja-keul.de/userspace/NS/katja_keul/Dokumente_2017_1/170427_Berufsgeheimnistraeger.pdf
2./3. Lesung: http://katja-keul.de/userspace/NS/katja_keul/Dokumente_2017_1/290617_Berufsgeheimnistraeger.pdf

In der Hoffnung, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und auf Ihre (Zweit-)Stimme zur kommenden Bundestagswahl grüßt Sie
Stephanie Erben