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Stephan Kühn
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Frage von Anton K. •

Frage an Stephan Kühn von Anton K. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Kühn ich habe ein paar Fragen an sie.
In ihrer Rede zur Verbesserung des ÖPNV reden sie, davon das sie die Papierfahrkarten abschaffen wollen. Wie soll ich dann Bahn fahren ohne Mobilgerät?
Sie möchten eine Milliarde Euro in den Nahverkehr investieren. Wo soll dieses Geld herkommen?
Was halten Sie vom kostenlosen ÖPNV?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kuchling,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen sehr gerne beantworte. Bereits Anfang 2017 kündigte Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) für 2019 die flächendeckende Einführung digitaler Fahrkarten an. Allerdings ist hiermit nicht gemeint, dass ein Papierfahrschein gänzlich abgeschafft werden soll. Fahrgäste sollen mit einem elektronischen Ticket im Scheckkartenformat oder mit einer Handy-App Bus und Bahn fahren können – so, wie das in Berlin beispielsweise schon möglich ist – ohne dass sie einen neuen Fahrschein kaufen müssen. In einer mehr und mehr digitalen Welt, ist es für die Verkehrsunternehmen und die Kunden wünschenswert, wenn man auch Alternativen zum Papierfahrschein schafft, sodass es beispielsweise möglich wird mit einer Scheckkarte eines Nahverkehrsunternehmens nicht nur Bahn zu fahren, sondern auch ein Leihfahrrad auszuleihen.

Nicht allein der Preis entscheidet, ob öffentliche Verkehrsmittel öfter in Anspruch genommen werden. Bus und Bahn zu nutzen erscheint für viele Fahrgäste immer noch unübersichtlich und kompliziert. Neben dem „Studium“ des Fahrplans gilt es, sich durch den dichten Tarifdschungel zu kämpfen. Insgesamt 66 Verkehrsverbünde und über 130 Tarifgebiete gibt es in Deutschland. Eine absurde Kleinstaaterei aus unterschiedlichen Tarifen und Beförderungsbestimmungen. Bus- und Bahnfahren muss für die Fahrgäste schlicht einfacher werden. Einsteigen und losfahren, beim eigenen Auto meist kein Problem. Im öffentlichen Verkehr bisher allenfalls eine Vision aber kein Standard. Ein Ticket für alles muss deshalb her. Unser grüner Vorschlag ist ein MobilPass, der es ermöglicht, sämtliche Angebote des öffentlichen Verkehrs wie auch Car- und Bike-Sharing aus einer Hand zu buchen und zu bezahlen. Die Digitalisierung macht es möglich, bargeldlos ein elektronisches Ticket für verschiedene Verkehrsmittel und über Verbundgrenzen hinweg zu erwerben.

Die Idee, Bus und Bahn kostenlos anzubieten, klingt zunächst verlockend. Doch sind Zweifel angebracht, ob das tatsächlich die Lösung ist. In der estnischen Hauptstadt Tallin ist der ÖPNV kostenlos, die Bürger können Bus und Bahn seit mehreren Jahren fahrscheinlos nutzen. Finanziert wird der Nahverkehr in Tallin aus Steuern. Die Zahl der Autofahrer, die deswegen umgestiegen sind, ist marginal. Dafür werden weniger Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Verkehrswende sieht anders aus. Notwendig ist darum eine Gesamtstrategie, damit der Nahverkehr zum Problemlöser für Luftreinhaltung und Klimaschutz werden kann. Wer den öffentlichen Verkehr stärken will, muss zuerst dafür sorgen, dass Busse und Bahnen im dichteren Takt verkehren und so die heute schon steigende Fahrgastnachfrage befriedigen können. Unsere Städte brauchen dringend mehr Kapazität im Nahverkehr, denn seit Jahren nutzen erfreulicherweise immer mehr Menschen Busse und Bahnen. Dafür müssen wir in neue S-Bahn- und Stadtbahnstrecken, mehr Fahrzeuge und mehr Personal in den Verkehrsbetrieben investieren. Was würde es bringen, wenn der Nahverkehr morgen kostenlos wäre, aber Menschen auf den Bahnsteigen stehenbleiben, weil die Bahnen jetzt schon überfüllt sind? Eine Offensive für den öffentlichen Verkehr braucht deshalb an erster Stelle einen massiven Ausbau für neue leistungsfähige Nahverkehrssysteme in den Städten. Dafür hat der Bund in den letzten 20 Jahre jährlich nur 300 Millionen Euro übrig gehabt. Vom von den CSU-Verkehrsministern oft angekündigten „Investitionshochlauf“ ist in den Kommunen nichts angekommen. Bei der Sanierung der teilweise in die Jahre gekommenen ÖPNV-Infrastruktur hält sich der Bund bisher gänzlich raus. Das muss sich ändern. Neue finanzielle Gestaltungsspielräume könnten entstehend zum Beispiel, wenn nicht länger fossile Kraftstoffe steuerlich begünstigt würden. Unterm Strich wird der Diesel-Kraftstoff für Autos mit rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert. Die heutige Besteuerung von Kraftstoff setzt falsche Marktanreize und blockiert damit dem Umstieg auf emissionsfreie Antriebe. Die Bundesregierung muss zusätzliche Milliarden für den Nahverkehr bereitstellen. Dafür setze ich mich seit Jahren im Bundestag entschlossen ein.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn