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Stephan Kühn
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Frage von Maria P. •

Frage an Stephan Kühn von Maria P. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Kühn,

wie ich der Internetseiten "LobbyPlag" und "netzpolitik.org", sowie dem "gutjahrs blog" entnommen habe, wird zur Zeit im Europäischen Parlament an einer sogenannte Datenschutzreform gearbeitet: "General Data Protection Regulation (GDPR)".

Wie ich den oben genannten Quellen entnommen habe, nehmen scheinbar verschiedene Unternehmen und Interessenverbände dabei großen Einfluss auf die Ausgestaltung der Gesetzestexte. Genauer, Textvorlagen werden von MitarbeiterInnen dieser Unternehmen und Interessenverbänden verfasst und scheinbar in unterschiedlichem Umfang von einigen Abgeordneten in deren Gesetzestextvorschläge übernommen. Schließlich werden die Vorschläge dann zur Abstimmung im Parlament eingereicht.

In diesem Zusammenhang habe ich folgende Fragen an Sie:

1. Wie stehen Sie zum Thema "Einflussnahme auf die Politik durch LobbyvertretterInnen"?

2. Wie ist Ihre Position bzgl. der oben genannten Datenschutzreform?

3. Wie verteidigen Sie mein Grundrecht auf Datenschutz?

Vielen Dank für Ihre Mühe.

Mit freundlichen Grüßen,

M. Parnitzke

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau/Herr Parnitzke,

vielen Dank für Ihre Email vom 21. Februar zum Thema Datenschutz. Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:

1. Wie stehen Sie zum Thema "Einflussnahme auf die Politik durch LobbyvertretterInnen"?
Die Einflussnahme, die bei der EU-Datenschutzreform, ein ganz neues Ausmaß angenommen hat, sehe ich sehr kitisch. Sicherlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn große Firmen ihre Interessen in Brüssel vorbringen. Dies muss aber transparent erfolgen. Denn die Grundlage für eine hohe Legitimation politischer Entscheidungen sowie die Glaubwürdigkeit von PolitikerInnen ist die Nachvollziehbarkeit politischer Abläufe.
Die EU-Datenschutzreform ist ein gutes Beispie dafür, dass dies leider nicht immer der Fall ist. Als Grüne setzen wir uns seit Jahren für mehr Transparenz auf Landes-, Bundes- und der europäischen Ebene ein. Auf Bundesebene hat die Grüne Bundestagsfraktion in dieser Legislatur etliche Anträge zu diesem Thema vorgelegt. Erst vor wenigen Tagen haben wir eine große Transparenzinitiative gestartet. Weitere Informationen finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/themen/innenpolitik/wir-wollen-es-wissen-raus-aus-den-hinterzimmern/konkrete-forderungen-fuer-transparenz_ID_4387480.html

2. Wie ist Ihre Position bzgl. der oben genannten Datenschutzreform?
Grundsätzlich begrüße ich die EU-Datenschutzreform, denn eine solch grundlegende Reform ist überfällig. Vor Kurzem hat Jan Philipp Albrecht MdEP als grüner Berichterstatter des Europäischen Parlaments seine Verbesserungsvorschläge für den Reformentwurf der EU-Kommission zum europäischen Datenschutz vorgelegt. So wurde der Entwurf der EU-Kommission für eine Reform des EU-Datenschutzes an zentralen Stellen weiter verbessert. Ein Ende der Datenwillkür durch global agierende Internetkonzerne rückt damit in greifbare Nähe. Die Handlungsfreiheit der Internetnutzer würde durch die Reform deutlich gestärkt. Fragwürdige Regelungsansätze wie die sogenannten delegierten Rechtsakte sind durch die Vorschläge eingedämmt. Die Selbstermächtigung der EU-Kommission zum Oberschiedsrichter in Sachen Datenschutz wurde zugunsten der unabhängigen Aufsichtsbehörden verändert. Und die Einwilligung der Betroffenen rückt als zentrale Rechtfertigung für den Umgang mit persönlichen Daten wieder in den Mittelpunkt.

Auf www.gruen-digital.de finden Sie dazu zahlreiche Artikel. Des Weiteren berichten Grüne NetzpolitikerInnen immer wieder über den aktuellen Stand des Reformvorhabens. Hier ( http://gruen-digital.de/tag/eu/ ) finden Sie eine Übersicht unserer bisherigen Aktivitäten zur EU-Datenschutzreform – u.a. auch den vorgelegten Grünen Bundestagsantrag.

Datenschutz bedeutet auch im Bereich der Privatwirtschaft Grundrechtsschutz. Ebenso gilt aber auch: Je höher das Schutzniveau für die BürgerInnen, umso höher das Vertrauen in die IT und die Unternehmen. Im Trilog mit Kommission und Rat gilt es nun, dem Druck derjenigen Verbände standzuhalten, die eine solche nachhaltige Entwicklung der Informationsgesellschaft ablehnen.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat den Reformprozess völlig verschlafen. Seit ihrem Erwachen entfaltet sie einen trotzigen, einseitig auf Unternehmensinteressen schielenden Widerstand gegen die ansonsten einhellig begrüßte Modernisierungsinitiative. Die Bundesregierung muss sich endlich in den Verhandlungen zu einer konstruktiven Rolle an der Seite der BürgerInnen für den Datenschutz einfinden.

3. Wie verteidigen Sie mein Grundrecht auf Datenschutz?
Wir Grünen sind die Bürgerrechtspartei. Das haben wir in dieser Legislatur durch die Vorlage zahlreicher Initiativen aus diesem Bereich unter Beweis gestellt.
Seit über einem Jahrzehnt erleben wir den Abbau, die Aufweichung und Relativierung von Grundrechtsstandards. Uns reicht es deshalb nicht aus, nur den Erhalt der Bürgerrechte zu fordern. Wir wollen unsere Bürgerrechte wieder stärken. Bürgerrechtsfeindliche Gruselstücke wie die anlasslose Vorratsdatenspeicherung oder die heimliche Online-Durchsuchung von Computern haben in einer freien, rechtsstaatlichen Gesellschaft keinen Platz. Die informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf öffentliche Informationen – die Informationsfreiheit – stehen für uns Grüne im Mittelpunkt unserer Arbeit für eine lebenswerte digitale Gesellschaft. Der Datenschutz ist nicht überholt – in einer digitalisierten Gesellschaft ist er Grundvoraussetzung für Akzeptanz der neuen Techniken. Der effektive Schutz und die gesetzliche Absicherung pseudonymer und anonymer Kommunikation erfüllt eine Schlüsselrolle für die Privatheit im Internetzeitalter. Ebenso grundlegend ist der präventiv wirkende, gesetzlich verpflichtende Datenschutz durch Technik (Privacy by Design) sowie der Schutz vor ungewollter Profilbildung und automatisierter Bewertung(Scoring) von Daten. Das gilt gegenüber dem Staat wie gegenüber Unternehmen und anderen privaten Stellen. Deshalb unterstützen wir die erwähnte Reform des Europäischen Datenschutzrechts, die unter anderem den Datenschutz gegenüber Unternehmen aus Drittstaaten stärkt und die Durchsetzungsbefugnisse für die Datenschutzbehörden erhöht. Damit wird auch der Grundrechts- und Verbraucherschutz gegenüber Anbietern Sozialer Netzwerke verbessert.

Eine Übersicht der Grünen parlamentarischen Arbeit in diesem Gebiet seit Anfang der Legislatur finden Sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/suche_ID_2000103.html?tx_solr%5Bq%5D=Datenschutz&tx_solr%5Bfilter%5D%5B0%5D=datum%253A20090801000000-20130306235959 .

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn