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Steffen-Claudio Lemme
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Frage von Carsten T. •

Frage an Steffen-Claudio Lemme von Carsten T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lemme,

mit großer Besorgnis sehe ich die Entwicklung bei dem neuen "Beitragsservice" der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wie stellen Sie sich dazu? Hier die einzelnen Kritikpunkte:

1. Der neue Beitrag wird ja jetzt auf Haushalte erhoben, ungeachtet dessen, ob es sich dabei um einen Rentner am Existenzminimum oder um eine Luxusvilla handelt.

2. Zwar gibt es eine Härtefall-Regelung, der aber nur sehr bedingt Folge geleistet wird. Inzwischen wurden Fälle bekannt, daß sogar Hartz-4-Empfänger bezahlen sollen. Und zwar dann, wenn diese keine zusätzlichen Sozialleistungen beantragt haben. Tun sie dies aber, so wird jede zusätzliche Leistung erst mal mit dem Beitrag verrechnet. - Studenten, die Bafög beziehen, müssen trotzdem bezahlen, wenn der diesbezügliche Bescheid zu spät erstellt wird.

3. Bürger, die keinerlei Leistungen der Sender abfordern, sollen im Rahmen dieser "Demokratie-Abgabe" dennoch bezahlen. Mein Verständnis für Demokratie ist ein anderes.

4. Wenn ich mir anschaue, wofür diese immensen Gelder - die Rede ist von mindestens 7,5 Milliarden - verwendet werden, stellt sich mir doch die Frage, ob hier von einer "Grundversorgung" gesprochen werden kann. Gehört zu einer solchen Grundversorgung der Ankauf extrem teurer Fußballübertragungsrechte? Oder die Finanzierung völlig überzogener Moderatoren- und Intendantengehälter? Oder die Berentung der Mitarbeiter in Höhe von € 1.500,00 - zusätzlich zur gesetzlichen Rente? Nur drei Beispiele von vielen anderen.

5. Der gesetzlich verankerte Bildungsauftrag führt nur noch ein Nischendasein.

6. Mit am schlimmsten finde ich das Einsammeln der privaten Daten bei den Meldämtern. Hier wird eine parallele Meldedatei aufgebaut. Ja, parlamentarisch abgesegnet, das macht die Sache aber nicht besser.

Mich interessiert Ihre persönliche Meinung dazu. Die offiziellen Verlautbarungen kenne ich alle, benötige also keine weiteren Textbausteine.

Mit freundlichem Gruß

Carsten Thonig.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Thonig,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Rundfunkbeitrag. Gern möchte ich Ihnen, nach Rücksprache mit der Arbeitsgruppe Kultur und Medien in der SPD-Bundestagsfraktion antworten.

Sie beziehen sich zum Einen auf den Rundfunkbeitrag, der ab dem 1. Januar 2013 das bisherige Gebührensystem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgelöst hat. Hierauf hatten sich zuvor alle Bundesländer in einem Staatsvertrag verständigt, da Rundfunkangelegenheiten Ländersache sind. Statt der bisherigen gerätebezogenen Abgabe (etwa für Fernseher, Radio, Autoradio) gibt es nun einen pauschalen Beitrag je Haushalt oder Betriebsstätte. Dieser ist bei Haushalten im Regelfall identisch mit dem bisherigen Beitrag von 17,98 Euro/Monat. Für die allermeisten Menschen in Deutschland ändert sich also nichts.

Durch den neuen Rundfunkbeitrag soll einerseits die langfristige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichergestellt werden. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die öffentliche Akzeptanz zu erhöhen, indem oftmals kritisierte Gerätekontrollen entfallen und ein System etabliert wird, das von allen solidarisch getragen wird. Der Vorteil ist, dass der Besitz von Empfangsgeräten nicht mehr von der GEZ überprüft werden muss. Viele Menschen haben diese bisherigen Kontrollen in ihrer Wohnung als unangenehm empfunden. Einige haben sich durch Falschangaben oder Verweigerung der Überprüfung der finanziellen Verantwortung entzogen. Gegen das „Schwarzsehen“ hat die GEZ öffentliche Kampagnen durchgeführt.

Wenn nun alle Wohnungen und Betriebsstätten einen Beitrag entrichten müssen, wird das Gebührensystem einfacher. Mittelfristig werden Kosten gespart, da Geräteerfassung, Kontrollen und Personal entfallen. Zudem lassen sich in Zeiten von Computern, Smartphones und Tablets kaum noch einzelne Empfangsgeräte sauber definieren. Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob und in welchem Umfang auf solchen Geräten die Angebote abgerufen werden und deshalb das heimische Fernsehgerät entfällt. Somit ist es zeitgemäß, wenn nicht einzelne Geräte, sondern ganz allgemein die Möglichkeiten zum Empfang mit einer Abgabe belegt werden. Ebenso entfällt die Klärung komplizierter Eigentums- und Nutzungsverhältnisse, etwa in Wohngemeinschaften, nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder Familien mit erwachsenen Kindern.

Das neue System ist, in Gänze betrachtet, gerechter. Unabhängiger und hochwertiger Rundfunk für unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben funktioniert nur als Solidargemeinschaft, an der sich alle beteiligen. Auch die Wirtschaft bleibt dabei einbezogen, wobei große Unternehmen mit vielen Angestellten einen höheren Beitrag als kleine zahlen.

Kritik haben, wie Sie es auch darlegen, vor allem die Veränderungen bei den Befreiungsregelungen erfahren. Jedoch bleiben eine Reihe von Befreiungs- oder Ermäßigungsmöglichkeiten bestehen: Für hochgradig schwerbehinderte Menschen mit dem Ausweiskennzeichen RF ist eine Reduzierung des Beitrags auf ein Drittel vorgesehen. Taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe bleiben natürlich weiterhin befreit.

Für die SPD war es zudem bei den Verhandlungen der Ländervertreter von besonderer Bedeutung, dass vor allem die einkommensabhängigen Ausnahmeregelungen unverändert bleiben. Wer Sozialleistungen erhält, soll nicht mit Rundfunkgebühren belastet werden. Wer zum Beispiel Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BAföG erhält, kann mit dem Nachweis der betreffenden Behörde die Befreiung vom Rundfunkbeitrag beantragen. Die jeweilige Rundfunkanstalt soll dadurch von einer eigenen Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Rundfunkteilnehmers entlastet werden. Mit der Gewährung dieser Leistung wird gleichsam als Paket auch über die Befreiung vom Rundfunkbeitrag entschieden. Eine generelle Befreiung vom Rundfunkbeitrag für Studenten, losgelöst von deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen würde dem Prinzip der Solidargemeinschaft zu wider laufen.

Für bestimmte „Härtefälle“, etwa bei einem vergleichbar geringen Einkommen, sind zusätzliche Befreiungsmöglichkeiten durch die Rundfunkanstalten vorgesehen. Wer z.B. keine der o.g. Sozialleistungen erhält, weil seine Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze überschreiten, kann eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als besonderer Härtefall nach § 4 Abs. 6 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag beantragen.

Alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und auch die Wirtschaft profitieren direkt oder indirekt vom Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und einer pluralen Medienordnung. Diese besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach herausgestellt. Gerade im internationalen Vergleich kann man feststellen, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einen ganz wesentlichen Beitrag für Qualitätsjournalismus, pluralistische Meinungsbildung sowie Vielfalt und damit für unser demokratisches Gemeinwesen leisten – und zwar im Hörfunk, im Fernsehen und im Onlinebereich. Diese Form von Informations- und Unterhaltungsqualität gilt es zu bewahren und, wo nötig, zu verbessern. Gerade der neue Rundfunkbeitrag sollte dabei die Sendeanstalten noch mehr in die Pflicht nehmen, effizient mit den Geldern umzugehen, Verwaltungsstrukturen zu verschlanken und die Qualität und Akzeptanz der Angebote zu erhöhen.

Die Speicherung privater Daten bei den Meldeämtern unterliegen den strengen Regelungen der Datenschutzbestimmungen. Die personenbezogenen Daten, die ausschließlich der Erhebung der Beiträge dienen, werden nicht dauerhaft gespeichert und selbstverständlich nicht an Dritte weitergegeben. Nähere Infos dazu erhalten Sie unter:
http://www.rundfunkbeitrag.de/ueber_uns/datenschutz_merkblatt/

Es gibt immer wieder Vorbehalte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem. Ich kann diese nicht nachvollziehen, da ich der Meinung bin, dass die Erhaltung des öffentlich-rechtlichen Systems Voraussetzung für eine demokratische Öffentlichkeit ist. Über Programminhalte, Schwerpunktsetzungen und Einsparungen kann man sich meines Erachtens streiten, nicht jedoch über das System an sich.

Mit freundlichen Grüßen
Steffen-Claudio Lemme, MdB