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Stefan Zierke
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Frage von Bernhard B. •

Frage an Stefan Zierke von Bernhard B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Zierke,

ich danke Ihnen für Ihre Antwort und begrüße die Aussage, dass sich die SPD-Bundestagsgruppe für Nachbesserungen des CETA einsetzen will. Da Sie diese Position offensichtlich unterstützen, wäre es natürlich erfreulich gewesen, sie hätten Vorstellungen zum Nachbesserungsbedarf etwas klarer erläutert.

Aus Ihrer Darstellung gewinne ich den Eindruck, dass Sie der Ansicht sind, die Vorschläge der EU-Kommission zum Schiedsgerichtswesen seien ausreichend. Misst man diese jedoch an den Beschlüssen des letzten Bundesparteitages, hege ich Zweifel, ob zentrale Klauseln in Einklang mit rechtsstaatlichen Prinzipien stehen. Inwiefern sehen Sie es als mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar an, wenn z.B.
- Klagerechte vor internationalen Schiedsgerichten ausschließlich ausländischen Investoren eingeräumt werden, anderen Parteien jedoch nicht?
- die rechtlichen Grundlagen, auf die sich Klagen stützen können, über das Gebot der Inländergleichbehandlung hinausgehen, indem sie für Auslandsinvestitionen zusätzliche Schutznormen einführen?

Als unbefriedigend empfand ich Ihre Ausführung zum Nachhaltigkeitskapitel in TTIP. Ich stimme Ihnen zwar zu, dass das Kapitel ehrgeizige Ziele enthält, hätte aber erwartet, dass Sie der Vollständigkeit halber hinzufügen, dass der institutionelle Rahmen, innerhalb dessen die Durchsetzung der Ziele gewährleistet werden kann, von der Kommission erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wird. So erweckt Ihre Antwort den Eindruck, dass Sie mit dem Nachhaltigkeitskapitel in der jetzigen Form vollauf zufrieden sind. Sollten Sie den Einruck korrigieren wollen, würde ich eine Stellungnahme begrüßen.

Ob nun die Regelungen im Nachhaltigkeitskapitel auch in meinem Interesse liegen, wird sich zeigen, wenn die deklarierten Ziele durch einem wirksamen Durchsetzungsmechanismus komplettiert werden, der Arbeitnehmern, Verbrauchern, Bürgern einklagbare Rechte garantiert.

Mit freundlichem Gruß
Bernhard Bielick

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bielick,

ich bedauere sehr, dass Sie meine bisherigen Ausführungen zu den Freihandelsabkommen CETA und TTIP nicht vollends zufrieden gestellt haben. Gerne erläutere ich Ihnen nochmals den jeweiligen Standpunkt der SPD-Bundestagsfraktion.

Der von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström veröffentlichte Vorschlag eines umfangreichen Nachhaltigkeitskapitels im TTIP-Abkommen geht deutlich weiter als alle bisherigen Arbeiten der EU-Kommission. Er markiert zentrale Grundsätze eines fundamentalen Arbeitnehmer- und Umweltschutzes in Handelsverträgen. Wie Sie richtigerweise anmerken ist jedoch genauso wichtig, dass die darin genannten Bestimmungen am Ende des Tages auch durchsetzbar sind. Der sozialdemokratische Europaabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Internationalen Handel im Europäischen Parlament, Bernd Lange MdEP, fordert die Verhandlungsführer daher dazu auf, in einem zweiten Schritt einen Text zu den Durchsetzungsmechanismen des Kapitels zu präsentieren.

Eine besonders intensive und kontroverse Diskussion wurde in den vergangenen Monaten über die Investitionsschutzregelungen in den geplanten Freihandelsabkommen geführt, obwohl Deutschland bisher rund 130 bi-oder multilaterale Investitionsabkommen abgeschlossen hat und in allen EU-Ländern zusammen etwa 1400 solcher Abkommen bestehen. Nicht zu Unrecht, denn tatsächlich hat die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in ihrem heutigen Zustand einige Schwächen.

Erfreulicherweise sind manche der genannten Kritikpunkte in den laufenden TTIP-Verhandlungen längst berücksichtigt. Die Verhandlungsgrundlage der amerikanischen Seite etwa entspricht einem veröffentlichten Modellvertrag, der missbräuchliche Klagen verhindern soll: Gesetze zum Umwelt- oder Verbraucherschutz sind als Grundlage für Klagen explizit ausgeschlossen. Die darin vorgeschlagenen Vorschriften zur Verhandlungsführung verlangen unter anderem auch, dass das Gericht öffentlich tagt, sämtliche Dokumente veröffentlicht und im Verfahren Vertreter der Zivilgesellschaft anhört.

Die mittlerweile seitens der europäischen Verhandlungspartei eingebrachten Vorschläge gehen nochmals erheblich weiter: Erklärtes Ziel ist dabei, die bisherigen privaten Schiedsgerichte durch ein transparentes, demokratischen Grundsätzen entsprechendes neues System zu ersetzen. Es gilt, klare rechtsstaatliche Grundlagen zu schaffen und die bisher privatwirtschaftlich organisierten Schiedsgerichte mittelfristig in öffentlich-rechtliche Institutionen umzuwandeln.

Der nun von der EU-Kommission vorgeschlagene zweistufige öffentliche Gerichtshof für den Investorenschutz würde aus einer ersten Instanz sowie einer Berufungsinstanz bestehen und ähnlich arbeiten wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag oder die Streitschlichtungsorgane der Welthandelsorganisation. Die EU-Kommission regt an, dass die beiden Parteien gemeinsam fünfzehn Richter für die erste Instanz und deren sechs für das Berufungsorgan ernennen. Auf beiden Ebenen würde je ein Drittel der Richter aus der EU, den USA und aus Drittstaaten stammen.

Als Richter berufen werden können dabei nur Personen, die eine entsprechende Befähigung zum Richteramt besitzen, Praxiserfahrungen in diesem Bereich nachweisen können und in vollständiger Unabhängigkeit agieren. Zusätzlich sieht das jetzige Verhandlungsmandat der Kommission ein festes Vergütungssystem der Berufsrichter vor.

Ferner soll sichergestellt werden, dass kein Unternehmen vor einem Schiedsgericht besser gestellt werden kann als vor einem innerstaatlichen Gericht – und die rechtlichen Grundlagen, auf die sich Klagen stützen können, somit nicht über das Gebot der Inländergleichbehandlung hinausgehen. Die Möglichkeit für Unternehmen, solche öffentlich-rechtlichen Schiedsinstitutionen anzurufen, soll dafür klar beschränkt werden. Um die staatliche Handlungsfähigkeit nicht zu beschneiden, soll laut Vorschlag zudem klargestellt werden, dass Staaten auch Maßnahmen ergreifen können, die negative Auswirkungen für Investoren nach sich ziehen, wenn diese zum Schutz eines öffentlichen Gutes notwendig sind – das sogenannte „right to regulate“ wird also explizit festgeschrieben. Zu den schützenswerten Gütern zählen unter anderem das Gesundheitswesen, der Umweltschutz, öffentliche Ordnung und Sicherheit oder etwa der Schutz sozialer Interessen sowie der kulturellen Vielfalt.

Im Ergebnis muss schließlich ein klares Verfahren öffentlicher Gerichtshöfe mit rechtstaatlichen Grundsätzen samt größtmöglicher Transparenz, öffentlicher Kontrolle, Berufungsmöglichkeit und unabhängigen Richtern stehen, das sodann in alle laufenden und künftigen Verhandlungen der EU über Handelsabkommen mit anderen Staaten einfließen kann. Angesichts von weltweit über 3.000 unterschiedlich ausgestalteter Investitionsschutzabkommen bietet sich damit im Rahmen der TTIP-Verhandlungen damit auch die Gelegenheit, im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit hohe westliche Standards als globalen Maßstab zu definieren.

Gerne verweise ich abschließend auf eine von Bernd Lange MdEP erarbeitete Gegenüberstellung der Beschlüsse des SPD-Parteikonvents vom 20. September 2014 und der TTIP-Resolution des Europäischen Parlaments vom 08. Juli 2015:

http://www.bernd-lange.de/imperia/md/content/bezirkhannover/berndlange/2015/gegen__berstellung_spd_konventsbeschluss_-_ep_ttip-resolution.pdf

Ich hoffe, Ihre Fragen nun zu Ihrer vollen Zufriedenheit beantwortet zu haben und verbleibe

mit freundlichem Gruß

Stefan Zierke

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