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Frage von Roland F. •

Frage an Stefan Rebmann von Roland F. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Rebmann,

zu meinem Entsetzen musste ich in der Welt online vom 17.9. in dem Artikel "der Rettungsschirm überfordert Deutschlands Kraft" einen Satz lesen, der mich daran zweifeln lässt, das Abgeordnete des Bundestages noch die Interessen des Deutschen Volkes vertreten.

Der Satz lautet wörtlich:
"Der Rettungsschirm ESM wird von Deutschland unbegrenzt und ohne Vetorecht Geld fordern können. Das lässt die deutsche Finanz-Statik einstürzen.

Nun meine Fragen: Wie ist es möglich, das die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands in die Hände von sogen. Gouverneuren gelegt wird, die nichts und niemandem rechenschaftspflichtig sind, die sich vor keinem Gericht verantworten müssen und die Deutschland unbegrenzt Geld abverlangen können?

Nun zu meiner zweiten und letzten Frage:

Wie ist Ihr Abstimmungsverhalten im Bundestag in dieser Angelegenheit?

Für Ihre Mühe danke ich Ihnen sehr,

Roland Fath

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Fath,

vielen Dank für Ihre Fragen zur gegenwärtigen Diskussion um die Krise der Eurozone.

Ihre Sorge verstehe ich gut. Der Schlingerkurs der Bundesregierung, die Positionen von Bundeskanzlerin Merkel – die sie meist nach kurzer Zeit wieder aufgibt –, die Kakophonie zwischen FDP, CSU und in den Koalitionsfraktionen, verunsichern nicht nur die Bevölkerung, sondern auch Deutschlands Partner in Europa und der Welt. Gefordert ist jetzt ist eine starke Regierung, die sich mit einem umfassenden Gesamtkonzept an der Lösung der Eurokrise beteiligt. Um die derzeitigen Probleme zu meistern, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Europa. Nur mit einer starken EU wird Deutschland in einer globalisierten Welt auch in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen. Wir sollten uns deshalb hüten, auf populistische Angstkampagnen hereinzufallen, wo Sachverstand und eine nüchterne Betrachtung der Lage gefragt sind.

Die Stabilität der Eurozone liegt im deutschen Interesse, weil ein Zusammenbruch unsere Wirtschaft immens schwächen würde. Deutschland ist nicht nur der größte Nettozahler, sondern auch der größte Profiteur der EU: 40 % der deutschen Exporte gehen in die Eurozone, 60 % sogar in die EU, die deutsche Wirtschaft spart durch den stabilen Euro jährlich 10 Milliarden Euro, da Kurssicherungsgeschäfte weggefallen sind. Seit 2002 sind in der Eurozone 16 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. Allein in den letzten beiden Jahren hat Deutschland durch die Mitgliedschaft in der Eurozone einen Wachstumsvorteil zwischen 2 bis 2,5 Prozentpunkten realisiert. Insgesamt gilt also das Motto: Uns wird es nur solange gut gehen, wie es auch den anderen in Europa gut geht.

Ich bin deshalb grundsätzlich für die europäischen Rettungsschirme. Sie sind Ausdruck der innereuropäischen Solidarität. Diese Solidarität ist natürlich keine Einbahnstraße. Die von der Refinanzierungskrise betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung für den Abbau ihrer Verschuldung gerecht werden. Wir werden uns auch weiterhin für eine Wachstumsstrategie stark machen, denn ohne wirtschaftliches Wachstum in den Krisenstaaten kann die notwendige Konsolidierung ihrer Haushalte nicht gelingen. Wir Sozialdemokraten fordern aber auch von den Finanzmärkten und den Banken einen deutlichen Beitrag zur Bewältigung der Krise. Deshalb sind wir seit langem für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung von Spekulationen. Hierdurch lassen sich auch zusätzliche Mittel für Investitionen generieren. Eine wirksame Banken- und Finanzmarktregulierung ist zwingend. Risiko und Haftung müssen für Finanzmarktakteure wieder zusammenfallen. Als Gegengewicht zu den angelsächsischen Ratingagenturen, die mit ihren Urteilen über die Zukunft von Staaten entscheiden, bedarf es einer Europäischen Ratingagentur, die die Bonität von Ländern bewertet.

Zurzeit wird der bis 2013 befristete Rettungsschirm EFSF im Deutschen Bundestag beraten. Hierbei ist entscheidend, dass die europäischen Maßnahmen funktionieren und die Beteiligung des Deutschen Bundestags gesichert ist. Der erste zeitweilige Rettungsschirm wurde im Juni 2010 beschlossen. Nach dem dazugehörigen Begleitgesetz (StabMechG) musste sich die Bundesregierung bislang nur um Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss bemühen. Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. September 2011 in seinem Urteil die Hilfe für Griechenland und den zeitweiligen Rettungsschirm EFSF für zulässig erklärt, jedoch Auflagen zur Beteiligung des Deutschen Bundestages gemacht. Diese Änderungen werden im StabMechG geregelt, das sich noch in den parlamentarischen Beratungen befindet. Wenn einem Staat Hilfen gewährt werden sollen, wird das Parlament aktiv zustimmen müssen. Es wird also keine Aushöhlung des Budgetrechts des Bundestages geben.

Die parlamentarischen Beratungen zum dauerhaften Rettungsschirm - dem Europäischen Stabilitätsmechanismus - haben noch nicht begonnen. Denn auf europäischer Ebene wird neu verhandelt. Die Zustimmung der SPD zum dauerhaften Rettungsschirm (ESM-Vertrag) hängt von der Vorlage ab, die dem Deutschen Bundestag übermittelt wird. An diesen Beratungen wird sich die SPD-Bundestagsfraktion konstruktiv beteiligen.

In der Hoffnung, dass ich Ihnen damit meine bzw. unsere Position erläutern konnte, hoffe ich auf Ihr Vertrauen,

Stefan Rebmann