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Stefan Liebich
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Frage von Jan N. •

Frage an Stefan Liebich von Jan N. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Liebich,

in der Öffentlichkeit wird nur sehr wenig über die Target-2 Salden der Bundesbank gesprochen, die aber Forderungen gegenüber anderen europäischen Notenbanken sind. Somit schulden diese Deutschland mittlerweile fast 800Mrd. Euro. ( https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/TARGET2/TARGET2_Saldo/target2_saldo.html )
Wann und wie wird diese gigantische Summe ausgeglichen und womit ist eine Zahlung der Schulder garantiert und wieso wird nichts dagegegen getan, dass der Betrag immer weiter ansteigt?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Neumann,

Das im Euroraum eingeführte Verfahren TARGET-2 dient dem Zahlungsverkehr bei großen Summen zwischen Geschäftsbanken, den nationalen Zentralbanken sowie der Europäischen Zentralbank (EZB). Beim grenzüberschreitenden Geldverkehr zwischen zwei Geschäftsbanken wird über TARGET-2 die jeweilige nationale Zentralbank involviert, und die Summe des jeweiligen Geschäftsvorgangs entsprechend der einen Zentralbank als Forderung und der anderen Zentralbank als Verpflichtung in die Bücher geschrieben. Um 24 Uhr eines jeden Tages werden dann diese Salden der nationalen Zentralbanken an die Europäische Zentralbank übertragen, die gegenseitigen Forderungen bzw. Verpflichtungen der Geschäftsbanken bzw. der nationalen Zentralbanken unter einander erlöschen. Für die Deutsche Bundesbank als nationale Zentralbank schlug im Rahmen von Target-2 Ende Januar eine Forderung von 796 Milliarden Euro gegenüber der EZB zu Buche, ein absoluter Rekordwert seit der Einführung des Euro 1999 als Buchungsgeld. Da Soll und Haben bei der EZB im Ergebnis immer Null sein muss, stehen zwangsläufig andere nationale Zentralbanken Europas mit dieser enormen Summe im Saldo. Allein die Verpflichtungen der nationalen Zentralbanken Spaniens und Italiens bei der EZB betragen zusammen über 640 Milliarden Euro.

Ihre Behauptung, Herr Neumann, die Bundesbank habe Forderungen von knapp 800 Milliarden Euro an andere europäische Zentralbanken ist vor diesem Hintergrund so nicht richtig. Die Forderungen bestehen gegenüber der EZB, die dafür als Einzige (!) auch gerade steht, das ist der Kern von TARGET-2. Auch wenn in der EZB gern damit argumentiert wird, dass dieses Ungleichgewicht keine so große Rolle spielen würde, weil im gesamten Euroraum die diesbezüglichen Salden faktisch immer ausgeglichen sind, ist das Abbild dieser Diskrepanzen ein klarer Indikator für das enorme und zugleich weiter stark wachsende Ungleichgewicht im europäischen Wirtschaftsraum. Es dürfte naiv sein zu erwarten, dass die angewachsenen Forderungen jemals in ihrer Gesamtheit beglichen werden können. Eine Linderung des Ungleichgewichts tritt nur dann ein, wenn sich die Geldflüsse innerhalb des Euroraums deutlich umorientieren, weg von Deutschland und hin nach Spanien, Italien oder Portugal. Das aber erscheint derzeit wenig wahrscheinlich.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Liebich