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Sönke Rix
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Frage von Hannes G. •

Frage an Sönke Rix von Hannes G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Rix

Gegen das "Internet-Sperren-Gesetz" gab es im Internet eine Petition in der sich über 130.000 Menschen gegen das Gesetz ausgesprochen haben. Ich habe mich länger mit den Argumenten der Gegner und Befürworter beschäftigt und bin zu der Überzeugung gekommen, dass man dieses Gesetz objektiv nur ablehnen kann, da es zu einseitig auf Symbolpolitik setzt und mit sehr unprofessionellen und teilweise sogar zweifelhaften Argumenten begründet wurde. Die Nachbesserungen, die jetzt noch angefügt wurden sind aus meiner Sicht eher ein Feigenblatt als eine Verbesserung, die auf die Kritik eingeht, da am grundsätzlichen Prozedere nichts geändert wurde.

WIe begründen sie ihr Abstimmungsverhalten zu diesem Gesetz?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Georg,

beim Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen sind eine Reihe von Positionen betroffen, die ich vor meiner Zustimmung gegeneinander abzuwägen hatte. Einerseits greifen wir in die Freiheit des Internets ein, andererseits gilt es, der Kinderpornografie einen Riegel vorzuschieben. Wir wollen, dass niemand mehr auch nur "zufällig" auf eine Seite mit Kinderpornografie kommt, wir wollen aber auch niemanden kriminalisieren, der wirklich zufällig - durch einen Link in einer Spam-Mail - auf so eine Seite geraten ist.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jeder Form von Gewalt steht hier gegen das Interesse der Internet-Nutzer, jede Art von Zensur zu unterbinden.

Ich habe den Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vor einiger Zeit dazu vorgelegt hat, darum sehr kritisch gesehen. Einem hohen Maß an Grundrechtseingriffen und staatlichen Überwachungsmechanismen standen anfangs nur bescheidene Verbesserungen beim Opferschutz gegenüber. Ich bin froh, dass wir auf dem SPD-Bundesparteitag einen Beschluss herbeigeführt haben, wie aus unserer Sicht ein Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen aussehen soll. In den Verhandlungen mit den Unionsfraktionen haben wir uns in vielen Punkten durchgesetzt:

. Löschen vor Sperren
Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, so weit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben. Dies wäre zum Beispiel bei Seiten, die auf einem ausländischen Server liegen.

. Verhinderung einer willkürlichen Sperrliste
Das gesamte Verfahren um die Sperrliste wird deutlich transparenter. Ein Gremium beim Bundesdatenschutzbeauftragten kontrolliert die BKA-Liste. Betroffene Anbieter von gesperrten Seiten können die Sperrung gerichtlich nachprüfen lassen.

. Datenschutz:
Die Daten von Internetnutzern, die auf die Seite mit der Stoppmeldung surfen, werden nicht mehr für die Strafverfolgung verwendet. Sie werden auch nicht bei den Internetprovidern gespeichert. Damit fällt die Kriminalisierung unbedarfter Internetnutzer weg.

. Und schließlich:
Das Gesetz ist bis zum 31.12.2012 befristet und tritt dann automatisch außer Kraft. Die sich anschließende Evaluation muss dann zeigen, ob sich das Gesetz bewährt hat und gegebenenfalls verlängert wird.

Ich weiß natürlich, dass dieses Gesetz nur ein kleiner Baustein in einem Kampf ist, der an vielen Fronten geführt werden muss. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Bekämpfung von Kinderpornografie rechtspolitisch UND sozialpolitisch weitergeht. Wir brauchen zum Beispiel eine Erhöhnung der Mittel für therapeutische Angebote und einer Stärkung von Selbsthilfeangeboten an die Betroffenen. Denn neben einer Straftat ist Pädophilie auch immer eine Krankheit. Und die heilt man nicht durch Geldstrafe oder Gefängnis.

Neben Ihrem Brief habe ich viele Zusendungen erhalten, die sich grundsätzlich gegen jede Regelung zur Zugangserschwerung von Kinderpornoseiten im Internet ausgesprochen haben. Keines der vorgebrachten Argumente hat mich letztlich überzeugt. Nach meiner Auffassung sollte das Internet ein Medium sein, in dem jeder seine Meinung frei äußern kann. Finden hier Einschränkungen statt, darf man berechtigterweise von Zensur sprechen. Kinderpornos sind in meinen Augen aber keine Meinungsäußerung. Wer den Zugang zu Kinderpornos erschwert, übt keine Zensur aus. Der Verweis auf das Grundgesetz läuft hier ins Leere. Es gibt nämlich auch kein Grundrecht auf Kinderpornografie.

Häufig wurde in den Schreiben die Befürchtung geäußert, hier werde anderen Einschränkungen im Internet der Weg geebnet. Diesen Vorwurf halte ich für unberechtigt, denn die Entscheidung über weitere Einschränkungen, trifft immer noch der Gesetzgeber.

Es gibt in der realen Welt eine Vielzahl von Regelungen, die die "Freiheit" einschränken. Kinderpornografie ist in der offline-Welt verboten, ebenso die Verbreitung von gewaltverherrlichenden, rassistischen oder fremdenfeindlichen Veröffentlichungen. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, in diesem Zusammenhang von Zensur zu sprechen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Freie Kommunikation und die Verbreitung von (in der realen Welt) strafbewehrten Inhalten sind zwei verschiedene paar Schuhe.

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, Ihre bisherige Argumentation zu überdenken, zumindest aber anzuerkennen, aus welchen Motiven heraus ich dem Gesetz zugestimmt habe.

Ich habe jedenfalls die Pro- und Contra-Argumente fair gegenübergestellt und abgewogen, um am Ende zu einer verantwortlichen Entscheidung zu kommen.

Dabei sind natürlich auch die Argumente und Informationen, die wir Parlamentarier von Ihnen erhalten haben, in die parlamentarischen Beratungen eingeflossen. Auch die in der E-Petition geäußerte Kritik in Bezug auf eine fehlende Kontrolle der Sperrlisten und ein intransparentes Verfahren wurde aufgegriffen.

Der öffentliche Druck der Internet-Community ist also keinesfalls wirkungslos geblieben, sondern hat die allgemeine Sensibilität für diese Thema erhöht und zu Änderungen geführt.

Mit freundlichen Grüßen
Sönke Rix

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