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Sebastian Hartmann
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Frage von Till S. •

Frage an Sebastian Hartmann von Till S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hartmann,

wie beurteilen Sie den Einfluss von Lobbyisten der Industrie und von Großverdienern im Kontrast zu Bürgerrechtsbewegungen und Interessenvertretern der Arbeitnehmer auf das parlamentarische Berlin?

Gab es konkrete Situationen, in denen Sie von einer der beiden oben im Vergleich gesetzten Gruppen zu einem Gesetzesentwurf angeregt wurden? Wenn ja, dann nennen Sie bitte die aktuellsten.

Halten Sie die Einschränkung des Einflusses von Lobbyisten auf Parlamentarier und Regierungsbeamte für erforderlich? Wenn nein, warum nicht?

Vielen Dank für Ihre Auskunft.

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Antwort von
SPD

Lieber Herr Seyer,

wer sein Mandat richtig ausüben möchte, ist gut beraten, enge Kontakte zu Fachleuten zu unterhalten. Das ist nicht nur dann wichtig, wenn öffentliche Anhörungen zu Gesetzesvorhaben anstehen. Auch zu anderen Fragen hilft eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Interessengruppen, um sich ein Bild vom jeweiligen Sachverhalt zu machen, der politisch bewertet werden soll.

Wieviel Legitimität, Glaubwürdigkeit oder Nützlichkeit den Positionen zu eigen ist, die Interessenvertreter in die politische Debatte einbringen, ist ganz unterschiedlich. Entsprechend individuell muss damit auch umgegangen werden. Ich kann von einer Gewerkschaft genauso wie von einem Arbeitgeberverband sehr nützliche Hinweise bekommen, aber auch auf die falsche Fährte gesetzt werden. Dasselbe gilt für einzelne Unternehmensvertreter, Flüchtlingshilfeorganisationen oder den Bund der Kriminalbeamten. Keine Einzelmeinungen, keine Partikularinteressen werden mein politisches Handeln bestimmen, dafür sind die Sachverhalte viel zu komplex - und als Politiker muss ich doch immer auch die Gegenseite mitdenken, sonst wird kein umfassendes Bild daraus. Aber: Häufig erfahre ich erstmalig von Interessenvertretern aus meinem Wahlkreis, welche Auswirkungen ein Gesetzesvorhaben auf sie haben wird. Ich mache da keinen Unterschied, ob es sich um Hebammen oder IT-Berater, Chemieunternehmen oder Kommunen handelt. Sie alle sind von Gesetzgebung betroffen, und meine Aufgabe als Mitglied der gesetzgebenden Institution ist es, mich mit ihnen darüber zu unterhalten.

In meiner persönlichen Wahrnehmung gibt es kein Missverhältnis zwischen Industrielobby einerseits und NGOs andererseits, das man beunruhigend finden müsste. Ich führe Gespräche mit allen, die mir plausibel darlegen können, dass sie zu einem bestimmten Sachverhalt kenntnisreich sind und mir dabei helfen können, eine Ansicht zu formen. Am Ende bilde ich meine Meinung aber allen verfügbaren Quellen, nicht nur einer.

Gesetzentwürfe entstehen in der Regel nicht auf Anregung einzelner Interessengruppen, sondern auf der Grundlage von Verabredungen zwischen Koalitionspartnern oder auf Initiative der Oppositionsparteien. Im verkehrs- und innenpolitischen Bereich, für den ich mitverantwortlich bin, sind die meisten Forderungen, die seit 2013 in Gesetze gegossen wurden, bereits Bestandteil des Koalitionsvertrags gewesen. Ein wesentlicher Aspekt der politischen Arbeit an Gesetzesvorhaben ist aber der Dialog mit Interessengruppen darüber: Ein Beispiel ist die aktuelle Debatte über die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, bei der die SPD-Bundestagsfraktion mehrere Gesprächsrunden mit den Personalräten von Straßenbauverwaltungen geführt hat, um mit ihnen die Reform selbst und mögliche Folgen für ihre Arbeitsplätze zu erörtern.

Die grundsätzliche Weichenstellung bleibt für uns: Interessenvertretung ist in der Demokratie legitim, muss aber transparent erfolgen. Wir haben in dieser Legislaturperiode - einigen Widerständen zum Trotz - ein Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung verabschiedet. Wir haben auch endlich das Anti-Korruptionsübereinkommen der Vereinten Nationen ratifiziert. Die SPD-Bundestagsfraktion hat darüber hinaus angekündigt, einen Gesetzentwurf für mehr Transparenz bei Parteiensponsoring und in der Gesetzgebung vorzulegen. Die Öffentlichkeit soll erfahren, wer Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Unsere Fraktionsinitiative wird deshalb die Einrichtung eines Lobbyregisters im Deutschen Bundestag vorsehen, in dem alle Vertreter von Verbänden, Initiativen und anderen Lobbygruppen aufgeführt werden. Daneben soll auch die Bundesregierung zur Offenlegung verpflichtet werden, welche Interessenvertreter und Sachverständige bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs mitgewirkt haben - der sogenannte "legislative Fußabdruck", den wir gern dokumentieren würden. Auch zum Parteiensponsoring legen wir Vorschläge vor, die finanzielle Zuwendungen in Form von Sponsoring zum Gegenstand des Rechenschaftsberichts machen, der klassische Spenden bereits enthält.

Wenn unser Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll, werden wir noch einmal auf unseren Koalitionspartner zugehen müssen. Ich würde mir wünschen, dass wir die Unionsfraktion noch davon überzeugen können, dass ein solches Lobbyregister sinnvoll und gut ist. Transparenz hilft uns allen, denn sie stärkt die Glaubwürdigkeit unserer politischen Arbeit.

Herzliche Grüße
Sebastian Hartmann, MdB

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