Sascha Binder
Sascha Binder
SPD
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Frage von Dierk S. •

Frage an Sascha Binder von Dierk S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Die Fragen sind verschiedenen Themenkreisen zuzuordnen. Sie werden ja auch bei allen Fragen stimmberechtigt sein. Bitte antworten Sie mir verbindlich, d.h., dass Sie Ihre Meinung auch in Argumentation und Stimmabgabe in Landtag vertreten werden, auch gegen Fraktionszwang. Sind Sie für oder gegen …
1. eine überproportionale Förderung der Gemeinschaftsschule?
2. für den Erhalt von spezialisierten Sonderschulen in den Kindern zumutbarer Entfernung?
3. Sprachprüfungen zwei Jahre vor der Einschulung mit gfl. verplichtendem Deutschunterricht?
4. eine Fachaufsicht für die Jugendämter?
5. die Offenlegung der Nebeneinkünfte der Landtagsabgeordneten?
6. die Offenlegung der Namen und Auftraggeber der Lobbyisten, die die Landtagsabgeordneten kontaktieren?
7. Kennzeichnung der Polizeibeamten im Einsatz?
8. gerichtliche Sicherung der Aufnahmen mit Bodycams bei Polizeieinsätzen.
9. Kostenbeteiligung der Veranstalter an Sicherungsmaßnahmen bei gewinnorientierten Großeinsätzen, z.B. im Sport?
10. die Einrichtung eines muslimischen Religionsunterrichts durch an deutschen Universitäten ausgebildete Lehrer?

Sascha Binder
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

herzlichen Dank für Ihren Fragenkatalog zur Landtagswahl. Anbei meine Antworten:

1. eine überproportionale Förderung der Gemeinschaftsschule?

Die Gemeinschaftsschule wird nicht politisch überproportional gefördert, sondern der Sachkostenbeitrag (SKB) für die GMS wurde mit den kommunalen Landesverbänden vereinbart und orientiert sich zeitlich befristet an der Kostenentwicklung der Haupt- und Werkrealschule, bis ein eigenständiger Richtwert ermittelt werden kann. Aufgrund dem Verhältnis von sinkenden Schülerzahlen und hohen Fixkosten liegt der SKB für die Haupt-/Werkrealschulen deutlich über dem der Realschulen und Gymnasien (2015: HS/WRS/GMS: 1312 €, RS: 651 €, GY: 680 €). Eine Diskrepanz gab es schon bei Schwarz-Gelb. Der SKB wird nach einem statistischen Verfahren bestimmt und nicht politisch festgesetzt.

Somit werden Gemeinschaftsschulen von den Sachkosten genauso gefördert wie die Haupt-/ und Werkrealschulen.

2. für den Erhalt von spezialisierten Sonderschulen in den Kindern zumutbarer Entfernung?

Die Sonderschulpflicht wurde aufgehoben, mit dieser Schulgesetzänderung wird Eltern von Kindern mit Behinderung zukünftig eine Wahlmöglichkeit gegeben, ob ihr Kind eine allgemeine oder eine Sonderschule besuchen soll. Die Änderungen greifen zum Schuljahr 2015/16. Das qualifizierte Elternwahlrecht ersetzt die bisherige Sonderschulpflicht. Eltern haben einen Rechtsanspruch, neben der Sonderschule auch ein Schulangebot an einer allgemeinbildenden Schule für ihr Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf wählen zu dürfen. Dieses Wahlrecht impliziert auch den Erhalt der Sonderschulen, vor allem wenn wie bisher davon ausgegangen wird, dass die Inklusionsquote bei 28 % liegen wird. Um das Konzept mit Leben zu füllen werden bis 2022 in mehreren Stufen bis zu 1.300 zusätzliche Sonderpädagogen eingestellt. Für die ersten Jahre wurde der Aufwuchs mit 200 Deputaten jährlich festgelegt. Der zusätzliche Einstellungskorridor entspricht dabei nahezu dem Maximum der verfügbaren Absolventinnen nach Abzug der erforderlichen Wiederbesetzungsstellen durch landeseigene Ausbildungsstätten.

3. Sprachprüfungen zwei Jahre vor der Einschulung mit ggf. verpflichtendem Deutschunterricht?

Grün-Rot hat für investive Maßnahmen in der Kleinkindbetreuung im Jahr 2015 ein einmaliges Förderprogramm aus Landesmitteln in Höhe von 50 Mio. Euro aufgelegt. Im Bereich der frühkindlichen Bildung wurde die Neuaufstellung der Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Förderbedarf (SPATZ) durch zusätzliche Mittel ermöglicht. Ab 2015 stellt das Land sogar 21 Mio. Euro für die frühkindliche Sprachförderung zur Verfügung. Zusätzlich werden auch die Gruppengrößen verkleinert. Die deutlich kleineren Gruppen erhöhen die Qualität der Sprachbildung und Sprachförderung und geben mehr Zeit für das einzelne Kind. In Kitas mit einem Migrantenanteil von mindestens 80 Prozent ist die Gruppengröße von bislang zehn auf jetzt fünf Kinder je Gruppe halbiert worden. Dadurch erhöhen sich die Kommunikationssituationen und die Sprechgelegenheiten für jedes einzelne Kind. Diese Maßnahmen, sowie die vielerorts eingerichteten Förderklassen machen aus meiner Sicht eine Sprachprüfung überflüssig.

4. eine Fachaufsicht für die Jugendämter?

Eine Fachaufsicht für Jugendämter durch das Land ist nicht zielführend. Eine fachliche Kontrolle allein führt auch nicht zur qualitativen Verbesserung der Beratungsleistung. Ein Jugendamt ist juristisch eine Verwaltungseinrichtung, so dass das Land nur bei der juristischen Überprüfung der Arbeit der Jugendämter gegebenenfalls in der Pflicht ist. Dies sollte auch so bleiben, denn statt erhöhte finanzielle und personelle Ressourcen in die Kontrolle zu investieren, ist es aus meiner Sicht ratsamer die Jugendämter stärker durch Weiterbildungen zu unterstützen.

5. die Offenlegung der Nebeneinkünfte der Landtagsabgeordneten?

Die SPD-Fraktion hat in dieser Legislaturperiode ein Eckpunktepapier dazu ausgearbeitet. Unter anderem schlagen wir vor, Bruttoeinkünfte etwa aus Funktionen in Unternehmen, in Vereinen, Verbänden oder Stiftungen von mehr als 1000 Euro im Monat oder mehr als 10.000 Euro im Jahr in drei Stufen zu veröffentlichen. Übersteigen die Nebeneinkünfte die Hälfte der Abgeordnetenentschädigung sollten sämtliche Einkünfte der Höhe nach exakt angegeben werden. Spenden die auf dem Parteikonto landen sollen direkt veröffentlicht werden.

6. die Offenlegung der Namen und Auftraggeber der Lobbyisten, die die Landtagsabgeordneten kontaktieren?

Ich setze mich als Landtagsabgeordneter bereits verstärkt für die Einführung eines Lobbyregisters ein. Dieses Instrument gewährt allen einen besseren Einblick in die Tätigkeit der Abgeordneten und deshalb bin ich ein absoluter Befürworter. Jedoch ist der Lobbyismus in den Landtagen deutlich geringer ausgeprägt als auf anderen Entscheidungsebenen. Dies liegt naturgemäß an den Aufgabenbereichen eines Landesparlaments. Dieses ist zuständig für das Bildungssystem, die Hochschulen, die Landesjustiz sowie die Innere Sicherheit. Deshalb werden Landespolitiker deutlich weniger von wirtschaftlich geführten Lobbyistenverbänden angeschrieben und kontaktiert. Der überwiegende Anteil der Gespräche findet mit Verbänden statt, welche oft sogar ehrenamtlich betrieben werden oder Landesbetriebe politisch vertreten (Gewerkschaftsverbände der verschiedenen Landesbetriebe, Naturschutzverbände, Musikverband etc.). Die SPD-Fraktion regte zudem an, ein öffentliches Lobbyregister mit Informationen über Interessenverbände zu erstellen. Zugang zum Landtag (zu Anhörungen und Ausschüssen) sollen dann nur die Verbände erhalten, die sich einer solchen Transparenz unterwerfen. Auch die Genehmigung für einen Parlamentarischen Abend könnte daran geknüpft werden.

7. Kennzeichnung der Polizeibeamten im Einsatz?

Die SPD Baden-Württemberg möchte bei Demonstrationen oder anderen Großereignissen die anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einführen. werden. Ich selbst stehe einer solchen Kennzeichnungspflicht kritisch gegenüber. Es ist ein großer zusätzlicher Verwaltungsaufwand zu befürchten. Bislang konnten noch alle Polizeibeamten bei Verdacht auf Straftaten ermittelt werden. Die Umsetzung sollte daher in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften gestaltet werden.

8. gerichtliche Sicherung der Aufnahmen mit Bodycams bei Polizeieinsätzen.

Seit einiger Zeit nehmen wir eine steigende Anzahl von Gewaltdelikten gegen Polizistinnen und Polizisten wahr. Wir wollen unsere Polizei noch besser schützen und führen deshalb die sogenannte Body-Cam (körpernah getragene Videokameras) ein. Body-Cams sind aus meiner Sicht ein wirksames Instrument, um vor Übergriffen auf Polizisten abzuschrecken und gleichzeitig strafbare Handlungen beweiskräftig zu dokumentieren.

9. Kostenbeteiligung der Veranstalter an Sicherungsmaßnahmen bei gewinnorientierten Großeinsätzen, z.B. im Sport?

Die Gewährleistung der inneren Sicherheit im öffentlichen Raum und gegebenenfalls im Stadion ist originäre polizeiliche Aufgabe. Diese Aufgabe wird als öffentliches Gut bzw. Allgemeingut steuerfinanziert. Gleichwohl ist es rechtlich möglich und unter verschiedenen Aspekten geboten, den Veranstalter finanziell heranzuziehen. Indem die Polizei die öffentliche Sicherheit im und um das Stadion gewährleistet, dient sie unmittelbar dem wirtschaftlichen Interesse der Vereine und der DFL. Im Profifußball generieren die Veranstalter daraus einen beachtlichen finanziellen Vorteil. Kommerzielle Großveranstaltungen werden gewinnorientiert durchgeführt. Bei erheblichen Einnahmen sollten die Kosten für präventive polizeiliche Maßnahmen, die über den üblichen polizeilichen Grundschutz hinausgehen, dem Veranstalter ganz oder teilweise auferlegt werden. Eine dazu notwendige rechtliche Regelung fällt in die Entscheidungskompetenz der Länder.

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz) setzt sich seit 20 Jahren mit der Problematik auseinander. Eine Lösung scheiterte bislang vor allem an der selbst gesteckten Vorgabe, ein Kostenersatz bedürfe einer bundesweit einheitlichen und abgestimmten Vorgehensweise, um Standortnachteile zu vermeiden.

Auf Druck der Innenministerkonferenz erhöhten der DFB und die DFL ihr Budget für Sicherheit und Präventionsarbeit ab der Saison 2013/2014 von 2,8 Mio. Euro auf 10 Mio. Euro jährlich.

10. die Einrichtung eines muslimischen Religionsunterrichts durch an deutschen Universitäten ausgebildete Lehrer?

Islamischen Religionsunterricht mit sunnitischer Prägung gibt es in Baden-Württemberg bereits seit 2006/07 im Rahmen eines Modellprojekts. Dieses war ursprünglich befristet bis 2013/14. Jedoch hat die grün-rote Landesregierung entschieden dieses weiterzuführen und auf weitere Schulstandorte auszuweiten.

Der Ausbau ergibt sich aus der starken Nachfrage. Es stellt ein wichtiges Angebot für Kinder und Jugendliche in unserem Land dar und stärkt dadurch das Verständnis der Schülerinnen und Schüler für ihre eigene Religion, aber auch die für ihre christlichen Mitschüler. Im aktuellen Schuljahr 2015/16 sind 40 weitere Schulen hinzugekommen.

Bereits 2010 wurde das Zentrum für islamische Theologie in Tübingen eingerichtet, dieses ist eins von vier bundesweiten Zentren für islamische Theologie. Dieses bietet auch bereits islamische Religionslehre an.

Mit freundlichen Grüßen

Sascha Binder MdL

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