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Frage von Raphael M. •

Frage an Sabine Wils von Raphael M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Faru Wils,

die NSA hat nicht nur in den USA, sondern wohl auch in der EU nach Daten geangelt.

Wurden hierbei Straftaten begangen?
Werden Mitglieder der amerikanischen Regierung oder Botschafter einbestellt werden?
Wie werden Sie auf diese Veröffentlichungen reagieren?

Wenn Sie meinen, dass Sie nicht der richtige Ansprechpartner sind, würde ich mich freuen, wenn Sie die Fragen an einen Genossen im richtigen Ressort weiterleiten.

Viele Grüße

R. Meißen

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Sehr geehrter Herr Meißen,

mit der Zeit sind immer mehr Einzelheiten des Skandals gelüftet worden. In den Medien des Mainstreams wird jedoch verschwiegen, dass die Ausforschung von Internet- und Telekommunikations-Verbindungen z.B. über das Echelon-Programm auch vorher schon bekannt war und geduldet wurde. Diese Ausspähung ist sehr anschaulich dem beigefügten Link auf einen Beitrag von Jens Berger auf den Nachdenkseiten zu entnehmen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=17827

Die US-Geheimdienste haben Menschen entführt und über deutsches Staatsgebiet nach Guantanamo oder in andere Foltergefängnisse transportiert. Auch deutsche Staatsbürger sind im Ausland von US-Geheimdiensten entführt worden und mit Wissen deutscher Behörden jahrelang in Foltergefängnissen weggeschlossen worden. Dies sind alles eklatante Straftaten, die aber in Deutschland zu keiner Strafverfolgung der Täter geführt haben. Auch das freundschaftliche Verhältnis zur US-Politik hat darunter nicht gelitten.

Ja, das Vorgehen der NSA stellt eine Straftat dar. Die Abhöraktionen in den USA sind nach US-Recht so legal wie es das Folterlager in Guantanamo ist. Bei den Abhöraktionen hat die NSA aber zumindest über in Deutschland befindliche Internetknoten Daten abgesaugt, was deutschem Recht unterliegt und Spionage auf deutschem Boden darstellt. Bisher ist vom britischen Geheimdienst nur bekannt, dass er Daten eines britischen Internetknoten abgefangen hat. Großbritannien hat damit sein Verständnis vom gemeinsamen europäischen Datenschutz dargelegt. Aber diese Spionage hat auf britischem Boden stattgefunden. Die Europäische Union ist eben keine Wertegemeinschaft, sie ist trotz gegenteiliger Bekundungen eine knallharte Wirtschaftsunion.

Europäische und deutsche Politiker geben sich überrascht und schockiert, aber sind sie es wirklich? Das Einbestellen des US-Botschafters oder ein böser Brief an Präsident Obama, diese Showeinlagen werden Ihnen sicher geboten werden. Die seit Jahren bekannte Ausspähung durch Echelon wurde hingenommen. Warum soll es heute anders sein? Die herrschende Politik setzt auf das Vergessen der Menschen und der Wählerinnen und Wähler.

Die echten Gefühle der Politik können Sie dem Umgang mit dem Whistleblower Edward Snowdon entnehmen. Sowohl die Berichterstattung in den Medien des Mainstreams als auch die Äußerungen von Politikern zeigen, hier soll der Bote gehängt werden, der die dunklen Seiten öffentlich gemacht hat. Zu welchen Kapriolen dieses Verhalten führt, ist dem folgenden Link zu entnehmen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=17846

Dieses Verhalten demaskiert über alle Staatsgrenzen hinweg die herrschende Politik und zeigt, welche Heuchelei sich hinter der Überraschung der Politik verbirgt. Deshalb muss ich Sie enttäuschen, wenn Sie ernsthafte Konsequenzen im Sinne der Bürger erwarten. Ich erwarte nach Abflauen der Erregung das Gegenteil, die Legalisierung der Überwachungspraktiken der Geheimdienste. Die Vorratsdatenspeicherung hat in vielen EU-Ländern und auch in Deutschland eine breite Anhängerschaft in der Politik.
Das NSA-Vorgehen hat auch Parallelen in Deutschland: Heise.de hat am 2.7.2013 die „legale“ Abhörpraxis des BND und anderer „Bedarfsträger“ am deutschen Internetknoten De-CIX offengelegt: http://www.heise.de/ix/meldung/NSA-Abhoerskandal-PRISM-Internet-Austauschknoten-als-Abhoerziele-1909604.html

Politisch werde ich weiterhin den Finger in die Wunde des Widerspruchs zwischen plakatierter Politik und tatsächlichem Handeln legen. Persönlich gehe ich davon aus, dass meine sämtliche Kommunikation überwacht wird und nutze die Medien entsprechend zurückhaltend.

Eine Politik, die ihren Bürgern misstraut, die diese manipulieren will, die Demokratie nur formal hochhält, will immer seine Bürger überwachen. Die Regierungsparteien der letzten Jahre - von Rot-Grün bis Schwarz-Gelb - sind den Weg des gläsernen Bürgers gegangen. Meine Partei und ich lehnen dies ab.

Machen Sie sich auf weitere Skandale gefasst. Der Widerstand gegen diese Politik ist Arbeit für einen Sisyphos, aber: Wer, wenn nicht wir, wann, wenn nicht jetzt!

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass beim angestrebten Freihandelsabkommen der EU mit den USA die Diskriminierung von US-Unternehmen wegen deren mangelhaften Datenschutzes voraussichtlich beseitigt werden soll.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Wils