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Sabine Friedel
SPD
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Frage von Jochen B. •

Frage an Sabine Friedel von Jochen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Friedel,

Ich möchte Ihnen ausdrücklich dazu gratulieren, dass Sie als eine von 3 Abgeordneten der Koalition ein Signal gegen den Selbstbedienungsladen Parlament gesetzt haben. Es ist den Bürgern von Sachsen wohl in keiner Weise nahe zu bringen, dass Abgeordnete als einzige "Berufsgruppe" selber bestimmen, wie viel Geld sie jeden Monat ihrem Konto gutschreiben dürfen. Gerade die SPD hat mit ihrem Abstimmungsverhalten wieder einmal eine Chance vertan, sich beim Volk als Volkspartei ins Gedächtnis zu bringen und damit den Grundstein zu legen, die Arroganz der CDU eines Tages zu brechen. Wie begründen Sie persönlich Ihr Abstimmverhalten, und warum ist es Ihnen nicht gelungen, die SPD-Fraktion geschlossen hinter sich zu bringen?

Mit freundlichen Grüßen
ein Bürger

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ich will auf einige Punkte eingehen:

1. Abgeordnete bestimmen ihr Gehalt selbst Das ist kein "Systemfehler", sondern in einer Demokratie gar nicht anders möglich: Das Parlament ist das höchste Organ, die Abgeordneten sind lt. Grundgesetz frei und nur ihrem Gewissen unterworfen. Deshalb kann und darf es niemand anderen geben, der über die Höhe der Abgeordnetengehälter bestimmt. Und glauben Sie mir, das ist kein Privileg, sondern eher eine "Strafe", weil sich die Abgeordneten öffentlich und vor ihren Wählern dafür rechtfertigen müssen.

2. Wie viel darf ein/e Abgeordnete/r verdienen? Ich habe den Eindruck, dass die Diätendiskussion im Landtag selbst ein gutes Stück sachlicher als früher geführt worden ist. Abgeordnete verdienen in Sachsen rund 5.200 EUR pro Monat. Das ist ungefähr das Doppelte des sächsischen Durchschnittseinkommens. Ich halte das für einen guten, aber keinen unverschämt guten Verdienst. Die Tätigkeit der Abgeordneten rechtfertigt diese Gehaltshöhe, sowohl was die Arbeitszeit als auch die Verantwortung angeht.

3. Wie begründe ich mein Abstimmungsverhalten? Ich habe mit Nein gestimmt, obwohl ich einige der Neuregelungen für vernünftig halte. Es ist z.B. sehr positiv, dass die Mittel für Mitarbeiter von 1 Stelle auf 1,5 Stellen aufgestockt werden. Denn das, was uns Abgeordneten wirklich fehlt, ist nicht Geld, sondern Zeit. Und Mitarbeiter können viel tun, um dieses Problem zu lösen: Sie können Veranstaltungen organisieren, Informationen recherchieren etc. Andere Neuregelungen fand ich nicht gut. Dazu gehört die Erhöhung der Aufwandspauschale, die mit 1.000 EUR nach meiner Ansicht zu hoch ausfiel und die Neuregelung bei den Renten. Hier hätte ich mir eine andere Lösung gewünscht.

4. Warum ist es mir nicht gelungen, die SPD-Fraktion geschlossen hinter mich zu bringen? Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung und dem Abstimmungsverhalten meiner Fraktionskollegen. Zum einen ist im Neuregelungspaket Gutes und Schlechtes enthalten (so ist das immer mit Kompromissen) und ich finde es nachvollziehbar, dass man unterm Strich zu einer anderen Bewertung kommen kann, als ich es getan habe. Für viele ist es auch eine Frage der Verlässlichkeit innerhalb unserer Fraktion und gegenüber unserem Koalitionspartner: Wenn sowohl wir als auch die CDU eine Gruppe von Personen beauftragen, miteinander zu verhandeln, dann ist es durchaus konsequent, dem Vorschlag dieser Verhandlungsgruppe dann auch zu folgen. Ich habe dennoch anders gestimmt, weil ich der Auffassung bin, dass in der Politik die Welt nicht untergeht, wenn ich anders als meine Fraktion stimme bzw. meine Fraktion anders als ich. Ich habe den Umgang in dieser Frage als solidarisch und respektvoll von beiden Seiten erlebt und freue mich, dass das möglich ist.

5. Ein Wort zum Schluss
Ich finde es unerträglich - und damit meine ich jetzt ausdrücklich nicht Ihre Mail - wie in dieser und in anderen Fragen Politiker behandelt werden. Es ist absolut richtig und legitim, mit Entscheidungen nicht einverstanden zu sein. Aber das Maß, in welchem meine Kolleginnen und Kollegen in den letzten Wochen mit Verachtung und Hass überhäuft worden sind, verlässt jeglichen gesellschaftlichen Konsens an Anstand und Respekt, den es Menschen entgegenzubringen gilt. Wären unsere Parteien, Parlamente, Gemeinderäte und sonstigen Gremien überlaufen von Menschen, die sich engagieren wollen, würde ich das vielleicht noch hinnehmen können. Aber so ist es nicht - und dass ein guter Teil unserer Bevölkerung einfach nur noch schimpft, ohne sich selbst für die Veränderungen, die man will, zu engagieren, trägt vielleicht auch einen kleinen Teil dazu bei, dass sich Abgeordnete dann "immunisieren" und sich bei Entscheidungen wie diesen "Augen zu und durch" denken.

Freundliche Grüße
Sabine Friedel

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