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Sabine Böddinghaus
DIE LINKE
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Frage von Tom B. •

Frage an Sabine Böddinghaus von Tom B. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Böddinghaus,

in Bezug auf die Infrastruktur wird momentan viel diskutiert. Wir erleben zur Zeit in Hamburg den Verkehrskollaps auf den Autobahnen und anderen Straßen, der ÖPNV ist teilweise stark überlastet, die Fahrradwege sollen ausgebaut werden und der Klimaschutz ist in aller Munde. Eine einheitliche Lösung um allen gerecht zu werden scheint nicht in Sicht. M. E. muß der Durchgangsverkehr auf den Autobahnen durch Tunnel unterhalb der Stadt vorbeigelenkt werden, damit der eigentliche Verkehr über die Autobahnen abfließen kann. Weiterhin muß unterhalb von Hamburg ein Schnellstraßentunnelsystem gebaut werden. Diese Maßnahmen bewirken, dass der Verkehr an der Oberfläche reduziert wird. Somit proftieren die Umwelt, der ÖPNV, der Radverkehr und auch die Anwohner von dieser Lösung. Beim ÖPNV sollte ebenfalls ein komplettes Ringsystem gebaut werden, damit die Verfügbarkeit und Fahrzeiten kurz sind. Die Streckenführung der überfüllten S3 z. B. zeigt, dass im Westen eine weitere Querung erforderlich ist. Des Weiteren müssen größere „Park & Ride“ Plätze mit direkten Anschlußmöglichkeiten an den ÖPNV geschaffen werden, damit Pendler auch umsteigen wollen.

Klar, diese Maßnahmen werden sehr viel Geld kosten. Doch langfristig gesehen schaffen wir damit einen Mehrwert für die Umwelt und die Menschen dieser Stadt. Die Einwohnerzahl in der Stadt und auch im Speckgürtel wird weiter wachsen, so dass zwangsläufig der Zeitpunkt kommen wird, dass wir dieses Thema so oder so angehen müssen. Momentan verschieben wir die Problematik immer weiter nach „hinten“ raus und „hecheln“ mit der Infrastruktur hinterher, anstatt es lösen. Es wird Zeit die Sache auch im Sinne der nachfolgenden Generation anzugehen. Schließlich haben wir auch die Kanalisation und Wasserleitungen nach „unten“ verlegt und diese funktionieren noch heute.

Frage: "Wie wollen Sie das Infrastrukturproblem angehen und können Sie sich meine Lösung vorstellen oder haben Sie vielleicht eine praktikablere?"

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr B.,

ich danke Ihnen für Ihre Frage und Ihre konkreten Vorschläge.
Zur besseren Übersicht und zum Verständnis unseres Verkehrskonzeptes sende
ich Ihnen das entsprechende Kapitel aus unserem Wahlprogramm mit den besten
Grüßen, Sabine Boeddinghaus

*5. Sozial-ökologische Verkehrswende *
Radikales Umsteuern für mehr Lebensqualität

Fast alle Hamburger*innen sind jeden Tag unterwegs: zur Kita, zur Schule, zur Arbeit, zur Ärzt*in, zu Veranstaltungen, zur Familie, zum Einkaufen, zu Freund*innen. Der Verkehr ist ein gesellschaftlich organisiertes System, das grundlegend umgebaut werden muss, damit es den menschlichen Bedarf an Mobilität und Transport befriedigt, und zwar für alle Menschen und für alle erschwinglich, umweltgerecht und komfortabel. Doch davon ist das seit Jahrzehnten neoliberal regierte Hamburg noch weit entfernt. Die Busse stehen im Stau, die S-Bahnen sind überfüllt, haben regelmäßig Verspätungen und fallen ganz aus. Die Bahnanbindung von Steilshoop und Osdorf/Lurup gibt es immer noch nur auf dem Reißbrett. Die Fahrkarten im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) sind wieder – wie jedes Jahr – teurer geworden. In der selbsternannten Fahrradhauptstadt Hamburg werden nur mickrige 15 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt, der Fußverkehr führt ein Schattendasein. Die Luft- und Lärmbelastung durch Autos, LKW sowie den Schiffs- und Flugverkehr ist viel zu hoch.

Autofreie Innenstädte

Um den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes bedarfsgerecht zu ermöglichen, fordert DIE LINKE perspektivisch eine autofreie Innenstadt bei kostenfreiem ÖPNV. Für den Autoverkehr in der Innenstadt sollen Ausnahmeregeln für Handwerker*innen, Lieferant*innen, Krankenwagen etc. und mobilitätseingeschränkte Menschen gelten. Diese weitgehende Abschaffung des Halteverkehrs würde neue Flächen für Straßenbahnen, Radverkehr, Fußgänger*innen und Begrünung schaffen. Neben Stadtbahn-Ring 2 und Ring 3 müssen auch Querverbindungen geschaffen werden, wie z.B. von Bergedorf nach Schnelsen und von Steilshoop und Harburg in die Innenstadt.

DIE LINKE will beim Verkehr deshalb *radikal umsteuern*. Angesichts der hohen CO2-Belastungen, die auch in Hamburg maßgeblich durch den Autoverkehr verursacht werden, angesichts des drohenden Klimawandels darf es kein "weiter so" geben. Wenn alle ihr Verkehrsverhalten beibehalten, wird es in Hamburg auf den Straßen zukünftig nicht nur ein paar Stunden täglich, sondern von morgens bis abends Staus geben. Daran werden auch Elektroautos nichts ändern.

Hamburg braucht endlich ein computergestütztes Verkehrsmodell, dessen Fertigstellung jetzt schon seit 2017 überfällig ist. Nur so sind eine zeitgemäße Verkehrsentwicklungsplanung, der Lärmaktionsplan und eine umweltgerechte Bauleitplanung möglich.

Mehr Lebensqualität durch weniger klimaschädlichen Verkehr ist machbar. DIE LINKE steht für eine Verkehrspolitik zum Wohle der Menschen und der Natur und nicht der Autokonzerne. Hamburg braucht *nachhaltige Mobilität für alle*, die sicher, komfortabel und möglichst klimaneutral ist.

DIE LINKE will den Verkehr in der Stadt nach dem Vorbild von Kopenhagen radikal umbauen. Dort wird nicht mehr dem Autoverkehr, sondern Fuß, Rad, Bus und Bahn der Vorrang gegeben.

Mehr Bus- und Bahnfahrten sowie kurze Wartezeiten machen den HVV attraktiver und den Verzicht auf das eigene Auto möglich. Die LINKE fordert, dass im S-Bahn-Netz *bis spätabends ein 5-Minuten-Takt* eingeführt wird und alle Haltestellen für Langzüge ausgebaut werden. Wir wollen, dass die fehlenden Querverbindungen zwischen den Bahnlinien kurzfristig durch Busse, mittelfristig durch eine Stadtbahn hergestellt werden. In den Gebieten Hamburgs mit bisher schlechtem HVV-Angebot wollen wir, dass *kleinere (Ruf-)Busse zum HVV-Tarif* fahren.

Weil die Schnellbahnprojekte erst mittel- oder langfristig greifen können, brauchen wir kurzfristige Lösungen, mit denen der ÖPNV spürbar gestärkt werden kann: Entlang der Hauptverkehrsstraßen mit mehr als einem Fahrstreifen je Richtung werden Spuren für einen schnellen, störungsarmen Linienbusverkehr eingerichtet. Preise runter beim HVV

Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge – und ist auch eine soziale Frage. Auch deshalb will DIE LINKE die Preise für Bus und Bahn radikal senken. Der HVV gehört zu den teuersten Verkehrsverbünden Deutschlands. *Nicht erst in ein paar Jahren, sondern sofort müssen die Ticketpreise runter!* Ein erster Schritt ist die Einführung einer HVV-Jahreskarte für 365 Euro – also 1 Euro pro Tag. Für Schüler*innen, Rentner*innen sowie Bezieher*innen von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe soll die Jahreskarte kostenfrei sein. In einem zweiten Schritt, bis 2025, strebt DIE LINKE einen für die Nutzer*innen vollkommen *kostenlosen öffentlichen Nahverkehr *an.

Das Schienennetz muss erheblich ausgebaut werden. Wie seit mehr als vierzig Jahren versprochen, müssen Steilshoop sowie der Osdorfer Born und Lurup endlich eine Bahnanbindung erhalten. Für die vielen neuen Wohngebiete, in Wilhelmsburg und Harburg, sowie für die bisher schlecht erschlossenen Gebiete wie das Reiherstiegviertel und Kirchdorf-Süd, reicht die S-Bahn nicht aus. Deshalb muss die *U4 vom Kleinen Grasbrook bis nach Harburg verlängert* werden. Damit der Personen- und Güterverkehr im Bereich Unterelbe verbessert werden kann, ist ein *Schienen-Elbtunnel* erforderlich. Auch der wachsende Bezirk Bergedorf braucht neben der S-Bahn eine zweite Schienenanbindung, die von Mümmelmannsberg über Lohbrügge bis zum Bergedorfer Bahnhof verlaufen soll. Der Weiterbau der *Autobahn A26* durch den Hamburger Süden und Wilhelmsburg bis zur A1 gehört dagegen umgehend gestoppt. Einsteigen bei der Stadtbahn

Der Bau von einem Kilometer U-Bahnstrecke kostet 200 Millionen Euro, ein Kilometer oberirdischer Stadtbahn ist mit 20 Millionen Euro nur ein Zehntel so teuer. Werden für die Stadtbahn schon vorhandene vierspurige Straßen genutzt, lassen sich neue Strecken mit ihr deutlich schneller realisieren als mit der U-Bahn. Die *Stadtbahn* könnte auf wichtigen Querverbindungsstrecken wie dem Ring 2 oder Ring 3 und auch auf den Einfallsstraßen den Verkehr nachhaltig entlasten. Sie nimmt zwar dem Autoverkehr Platz weg, schafft aber gleichzeitig eine attraktive Alternative für die Fortbewegung in der Stadt.

Der Ausbau der *S 4 von Bad Oldesloe zum Hauptbahnhof* mit einem attraktiven S-Bahn-Takt, gekoppelt mit einem Ausbau der Gütergleise, ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die bereits angekündigten erheblichen Verzögerungen im Planfeststellungsverfahren sollten genutzt werden, um die rechtssichere Prüfung einer vorgeschlagenen Alternativstrecke für den Güter- und Personenfernverkehr entlang der Autobahn A1 durchzuführen. Maßgeblich für die Trassenentscheidung sind die geringstmögliche Beeinträchtigung von Anwohner*innen, der größtmögliche Nutzen für Bahnfahrgäste und der Erhalt der Naturschutzgebiete.

Das Chaos am Hauptbahnhof ruft nach einer zügigen Verbesserung dieses zentralen Verkehrsknotenpunktes für die Bahnreisenden und Pendler*innen. Der Umbau des Hauptbahnhofs kann nicht bis nach 2030 warten. Für den *Hamburger Hauptbahnhof* hat die Ausweitung bzw. bessere Ausnutzung der Gleiskapazitäten oberste Priorität. Die Verlegung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona zum Standort *Diebsteich* entlastet weder den Hauptbahnhof, noch würde sie ein attraktives und ausbaufähiges Angebot schaffen. Deshalb muss der Bahnhof Altona erhalten bleiben. Vorfahrt fürs Fahrrad

Der Ausbau der *Fahrradwege und -straßen* in Hamburg geschieht viel zu langsam und vorsichtig. DIE LINKE macht sich stark für ein flächendeckendes, hamburgweites Radverkehrsnetz mit breiten und geschützten Radwegen und Fahrradstraßen. Zusätzlich muss die Nutzung von Fahrrädern günstiger und attraktiver gemacht werden, zum Beispiel durch mehr Fahrradleihstationen in Randgebieten (insbesondere an dortigen U- und S-Bahnstationen), verstärkte öffentliche Förderung beim Kauf von Lastenrädern und die Schaffung von entsprechenden Abstellmöglichkeiten vor allem in dicht besiedelten Wohngebieten. In der Innenstadt muss die Hälfte der bisher für das Parken von PKW vorgesehenen Flächen in Abstellflächen für Fahrräder umgewandelt werden. Ziel ist, dass – wie in Kopenhagen – mehr als die Hälfte aller Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Der Irrweg der umweltschädlichen E-Scooter muss rückgängig werden.

Der Autoverkehr muss innerhalb des Ring 2 weitgehend zurückgedrängt werden, die *Innenstadt komplett autofrei* werden – ebenso wie die Zentren der Stadtteile. *Tempo 30* als Regelgeschwindigkeit im gesamten Stadtgebiet soll den von Luftverschmutzung am stärksten betroffenen Straßen Entlastung bringen und die Unfall- und Verletztenzahlen senken.

Auch den *Flugverkehr* will DIE LINKE radikal zurückdrängen. Flüge unter 600 km Entfernung soll es gar nicht mehr geben. Es muss ein striktes Nachtflugverbot am Hamburger Flughafen zwischen 22.00 und 06.00 Uhr geben, die wenig verbindliche Nachtflugbeschränkung reicht nicht aus.

Zum neuen Verkehrsmix, den DIE LINKE vorschlägt, gehören außer Taxen,
Bahnen, Binnenschiffen und Bussen – auch Oberleitungsbusse – und *öffentliche
Kleinbusse*. Den Liefer- und Entsorgungsverkehr will DIE LINKE dank
Citylogistik gebündelt und umweltfreundlich abwickeln.

Im Hamburger Hafen muss konsequent gegen die zunehmende Luftverschmutzung durch immer größere Schiffe vorgegangen werden. Vergleichsweise umweltfreundliche Technologien wie z.B. die Landstromversorgung für Kreuzfahrtschiffe müssen weiter ausgebaut und die Liegegebühren an die Emissionen der Schiffe gekoppelt werden. Wir fordern zudem eine Höchstgrenze von Kreuzfahrtschiffen, die im Hamburger Hafen pro Jahr anlegen dürfen.

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