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Renate Künast
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christian w. •

Frage an Renate Künast von Christian w. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Abgeordnete,

wird es eines Tages ein Mahnmahl geben das an die Opfer der schlimmen Silvesternacht in Hamburg und Köln erinnern wird, in der es zu den Massenvergewaltigungen gekommen war?
Ich finde das man es diesen Frauen schuldig ist und das wir daran erinnert werden sollten, das es in unserem Land nie wieder zu solch abscheulichen Verbrechen kommen darf!
Denn mir scheint es als ob die Regierung das ganze Thema so heruntergespielt hat, als ob die Frauen die davon betroffen waren oder insegsammt alle Frauen einfach nicht den Wert haben würden.. als ob die Opfer unwichtig seien.
Deswegen finde ich sollte man schleunigst solche Mahnmahle aufstellen damit wir niemals vergessen werden was dort schlimmes geschehen ist!

Wie ist Ihre Ansicht dazu?

Werden Sie dies einmal im Bundestag ansprechen vielen Dank :)

Ich schreibe das weil ich selbst eine liebe Frau habe und außerdem 2 Kinder und ich finde das den Opfern einfach keinerlei Beachtung geschenkt wurde, sondern nur den Tätern damals und das ist einfach eine unfassbare Frechheit!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Die Ereignisse der Silvesternacht 2016/2017 in Köln dürfen sich nicht wiederholen. Da stimmen wir Ihnen zu. Es ist richtig und rechtsstaatlich vorgesehen, diese Taten zu verfolgen.

Wir Grüne arbeiten schon seit vielen Jahren an dem Thema Gewalt gegen Frauen. Leider wissen wir, dass Gewalttaten keine Einzelfälle sind, sondern struktureller Natur. Deshalb setzen wir auf eine strukturelle Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen statt auf einzelne Mahnmäler.

Bereits im Sommer 2017 sind wir einen wichtigen Schritt gegangen: Frauenverbände, Feministinnen und Politikerinnen haben die Reform des Sexualstrafrechts erwirkt. Nach bisheriger Rechtslage lag ein Sexualdelikt nach § 177 StGB nur vor, wenn der Täter Gewalt anwandte, mit Gefahr für Leib oder Leben drohte oder eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzte. Selbst wenn der Täter wusste, dass die andere Person den Sex nicht wollte, handelte es sich jedenfalls rechtlich nicht um eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. Ein Nein reichte bis dahin nicht für eine Strafbarkeit aus. Diese empfindlichen Schutzlücken wurden geschlossen. Ein „Nein“ heißt jetzt auch „Nein“.
Es fehlt jedoch weiterhin an einer umfassenden Infrastruktur an Frauenhäusern, -beratungsstellen und Notfallversorgung. Eine EU-Studie hat festgestellt, dass jede dritte Frau in Europa im Erwachsenenalter körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hat. Eine aktuelle Auswertung des Bundeskriminalamtes zeigt, dass nahezu jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem Partner getötet wird. Der gefährlichste Ort für eine Frau ist damit ihr eigenes Zuhause. Wenn Frauen in Not keinen Schutzraum finden, weil Plätze in Frauenhäusern fehlen, lassen wir Frauen auf unverantwortliche Weise allein. Wir fordern, einen Rechtsanspruch für Frauen auf Schutzraum einzuführen, die Frauenhausinfrastruktur auszubauen und die langfristige Finanzierung der Einrichtungen und Beratungsstellen zu gewährleisten.

Auch auf die vorbehaltslose Umsetzung der Istanbul-Konvention kommt es jetzt an. Die Ratifizierung war überfällig und ist am 1. Februar 2018 endlich in Kraft getreten. Die Konvention stellt deutliche Anforderungen an die Gleichstellung von Frauen und bekämpft Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit einem Fokus auf häuslicher Gewalt. Doch die Bundesregierung hat einen Vorbehalt zu Artikel 59 eingelegt: Geflüchtete oder migrierte Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind oder als Zeuginnen im Strafverfahren aussagen, sollen hiernach ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten. Nicht so in Deutschland. Wir fordern, diesen Vorbehalt zurückzunehmen und die Konvention für alle Frauen in Deutschland zu realisieren.

Bei all dem müssen wir eine Sache immer mitdenken: Gewalt an Frauen darf in der öffentlichen Debatte nicht verharmlost werden. Sie muss beim Namen genannt werden. Tötung aus Eifersucht, Rache oder sonstigen niedrigen Beweggründen sind Morde und keine Beziehungsdramen oder Familienstreitigkeiten. Die verbale Verharmlosung der Delikte, die sich gegen Leib und Leben von Frauen richten, verwässert das Problembewusstsein und relativiert die Gewalt. Auch dürfen Täter und Opfer nicht verkehrt werden: Eine Frau ist niemals Schuld an einem Sexualdelikt – egal welche Klamotten sie trägt, egal wo sie entlang läuft und zu welcher Uhrzeit. Schuld sind immer die Täter. Es ist unsere Aufgabe, diese Position in der öffentlichen Debatte laut zu machen und dies Frauen und Mädchen bewusst zu machen und an ihrer Seite zu stehen.

Mit freundlichen Grüßen
Team Renate Künast

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