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Renate Künast
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Frage von Frauke W. •

Frage an Renate Künast von Frauke W. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Künast,

ich hätte gern Ihre Meinung (und zwar nicht aus dem Katalog, wenn es geht(!)) zur Rente mit 67 Jahren. Ich arbeite nun seit fast 20 Jahren im 3-Schicht-System in einer Wohneinrichtung für psychisch kranke Erwachsene in Berlin, deren stellvertretende Leitung ich auch seit vielen Jahren übernehme, ohne dafür finanziell etwas zu bekommen. Dass ich dies so lange tue, liegt daran, daß mir die Arbeit selbstredend Spaß macht, ich ein geniales Team habe und der Träger wirklich gut mit seinen Angestellten umgeht. Nichtsdestrotrotz habe ich den Eindruck, daß ich diese Arbeit (mit ständigen Krisen und permanent unregelmäßigen Schichtwechseln) definitiv nicht bis zum 67. Lebensjahr bewältigen können werde! Bereits jetzt, mit 46 Jahren habe ich ein massives Schlafproblem!
Daher meine Frage an Sie: Welche Alternativen wollen und können Sie als Grüne für Leute wie mich schaffen, die ihre Jobs definitiv nicht bis 67 schaffen können? Gibt es da etwas, oder würden Sie diese Problematik mal in Ihrer Partei thematisieren?

MfG!

F. Willkomm

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Sehr geehrte Frau Willkomm,

das Stichwort «Rente mit 67» löst vielfach Ängste aus, die wir sehr ernst nehmen. Unter den heutigen Arbeitsbedingungen ist es für viele Menschen kaum vorstellbar, bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten, geschweige denn bis zum 67. Lebensjahr. Arbeit macht viele Menschen krank, immer mehr auch durch die Zunahme von Stress und psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Deswegen sind bessere Arbeitsbedingungen für alle eine unverzichtbare Voraussetzung, um länger arbeiten zu können. Für einen erfolgreichen längeren Verbleib im Arbeitsmarkt ist der Gesundheitszustand ausschlaggebend. Deshalb müssen Arbeitsförderung und Gesundheitsförderung eng miteinander verzahnt werden. Insbesondere für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in gesundheitlich belastenden Berufen brauchen wir sozialverträgliche Lösungen, die einen früheren Ausstieg oder einen fließenden Übergang in die Rente ermöglichen.

Alterung ist individuell sehr unterschiedlich. Manche Menschen können mit 60 nicht mehr arbeiten, andere sind körperlich fit genug, auch mit über 70 Jahren noch voll im Erwerbsleben zu stehen und wollen das auch. Viele Menschen wünschen sich einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Es bedarf flexibler Modelle, die den unterschiedlichen Lebensplanungen und -verläufen der Menschen gerecht werden. Die Anhebung der Regelaltersgrenze für eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente durch die große Koalition war ein großer Fehler, der rückgängig gemacht werden muss. Wer allein aufgrund medizinischer Diagnose eine Erwerbsminderungsrente beantragt, sollte diese ohne Abschläge erhalten. Auch wer nicht als erwerbsgemindert anerkannt ist, sollte vorzeitig in Rente gehen können. Wir wollen älteren Menschen mehr Selbstbestimmung ermöglichen: Sie sollen entsprechend ihrer individuellen Situation Erwerbstätigkeit und Rentenbezug freier als bisher kombinieren können. Die skandinavischen Länder haben damit gute Erfahrungen gemacht: Die Menschen dort arbeiten im Durchschnitt länger, aber nicht unbedingt Vollzeit. Das Motto wäre also: Länger arbeiten, aber weniger.

Mit freundlichen Grüßen
Renate Künast

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